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52. Kapitel

Indessen war er damit keineswegs zufriedengestellt. Platz war genug da, seine Wirtin eine großzügige Frau, warum sollte sich der junge Mann nicht nach Herzenslust als Tierhalter und Züchter betätigen!

Jochen baute sich also einen soliden Kaninchenstall und schaffte sich zwei Chinchillakaninchen an. Es waren zwei sehr hübsche, silberfarbene Weibchen, die munter heranwuchsen. Besonders das eine, Johanna mit Namen, wurde zahm wie ein Hund. Es spielte in der drolligsten Weise mit Lumpi, dem Schotten. Johanna sauste um den Hund herum, schlug einen Haken, verschwand um die Ecke des Schuppens, kam wieder hervorgesaust und sprang dem schwarzen Spielgefährten buchstäblich an den Kopf. Lumpi bellte, sprang wedelnd hin und her, tat, als wollte er das Kaninchen beißen und blieb doch immer liebenswürdig und gut gelaunt.

Nach einiger Zeit wurde es Braun klar, daß auch in seinen beiden Zimmern und der winzig kleinen Küche durchaus noch Platz für Getier wäre. So schaffte er sich erst mal ein Wellensittichzuchtpaar an. Das Männchen war gelb, das Weibchen grün, und die Nachzucht, die nicht allzulange auf sich warten ließ, war grün, gelb, weiß-blau, türkis und kobaltblau. Da die Wellensittichzucht in der Küche untergebracht war, so konnte das nächste Geschöpf, das erworben wurde, ein Rotkehlchen, sich frei in der Wohnstube tummeln.

Das entzückende Wesen mit den Märchenaugen und der lautlosen Art wurde sehr zahm, aß mit am Tisch und sang jedesmal, wenn der Teekessel auf dem Ofen zu summen anfing, sein bescheidenes, aber wohlklingendes Lied. Lump respektierte es, auch wenn es auf dem Fußboden nach Brotkrumen suchte.

Nun war noch das Schlafzimmer völlig leer, das heißt, es lebten keine Tiere darin. Doch Jochen entdeckte in einer altbekannten Tierhandlung der Stadt einen Tuisittich. Dieser reizende, kleine, grüne Papagei war im Körperbau kräftiger als ein Wellensittich und seltener, auch sehr viel teurer. Innerhalb von drei Tagen war er zahm, kletterte an Braun herum, saß ihm während der Arbeit auf der Schulter und war zärtlich und sanft, solange man sich mit ihm beschäftigte. Doch sowie Jochen den Rücken wandte, schrie er. Und wie!

Mit der Arbeit kam der Maler nicht mehr so ganz zurecht. Es kam mitunter wohl vor, daß ein Herr mit Würde und Mappe erschien, der, da seiner Forderung nicht entsprochen werden konnte, vertröstet werden mußte. Doch da die Miete niedrig war, ging es immer noch einigermaßen.

Um sich nun die Ernährungsfrage ein für allemal zu erleichtern, schritt Braun zu einer neuen Anschaffung. Er ließ sich einen Stamm Hühner schicken, Thüringer Pausbäckchen oder Thüringer Barthühner genannt. Sie kamen direkt aus Thüringen vom Züchter und waren sehr schön. Auf weißem Grund hatten sie schwarze Tupfen, ihre starken, schwarzen Bärte gaben ihnen ein komisches Aussehen, auch waren sie von zutraulichem Wesen. Vor allem aber legten sie fleißig. Bevor sie kamen, mußte Jochen einen großen Schuppen für sie herrichten, in dem früher schon mal hundert weiße Leghornhühner gehalten worden waren. Danach waren lange Zeit Scotchterrier die Bewohner gewesen, und als Braun anfing zu bauen, mußte er die Entdeckung machen, daß der Sandboden von Flöhen wimmelte.

Jeder, der da hineinging, hatte im Augenblick hundert und mehr Flöhe an den Hosenbeinen, Stiefeln und Strümpfen. Das bedeutete nun tagelanges Gießen mit Kreosolseifenlösung. Doch auch dies Hindernis wurde überwunden.

Im Winter war es manchmal nicht ganz einfach, allein Direktor, Publikum und Wärter dieses Privatzoos zu sein, als dann aber der Frühling kam, wurde alles wieder leicht, und Braun schaffte sich Lockentauben an.

Es war ein sehr schönes und tüchtiges Paar, das sich nicht langen Erwägungen hingab, sondern schon nach kurzer Zeit zur Brut schritt. Nun wurde es aber wirklich schwer, denn es hieß jetzt früh aufstehen und spät zu Bett gehen, wenn alle Tiere zu ihrem Recht kommen sollten.

Denn auch eine der Hennen hatte zwölf muntere Küken erbrütet, und die wollten sehr oft gefüttert und in acht genommen sein. Braun war nun also so glücklich, folgende Tiere sein eigen zu nennen:

Einen Scotchterrier. Zwar wollte dieser auch Futter und Pflege, doch half er auch mitunter voll Würde und Takt, die andern Gottesgeschöpfe zusammenzuhalten. Dann die Kaninchen. Es waren allerdings nicht mehr zwei, sondern vierzehn. Die Meerschweinchen mit Jungen, einundzwanzig Stück. Wellensittiche acht. Ein Rotkehlchen, einen Tuisittich und, als letzten Zugang, eine Schildkröte. Schließlich fünf Hühner und zwölf Küken, und endlich die Tauben, die im Laufe des Sommers auch die Zahl von zehn Tieren erreicht hatten – alles in allem vierundsiebzig Tiere, die ernährt sein wollten. Dazu kam die Pflege und die Sauberhaltung.

Es kamen nun doch manchmal Momente des Zweifels für den vielseitigen Züchter, Zweifel, ob er nicht doch das eine oder andere Tier – aber nein, das war es doch endlich, was er sich so viele Jahre sehnsüchtig gewünscht hatte, Tiere züchten!

Nun hatte er endlich die Ausdehnungsmöglichkeit, die er immer so vermißt hatte. Und als schäme er sich seines Schwächeanfalles, übernahm er von Fräulein Arnheim noch eine kleine Schottenhündin.

Die wollte er sich aufziehen und Schotten für die Jagd züchten. Der schottische Terrier ist in seiner Heimat von je zur Jagd gebraucht worden, doch berücksichtigen die deutschen Züchter das im allgemeinen nicht genug. Braun brauchte nur mit dem Kahn über den See zu fahren, dann konnte er bei seinem Freund, einem Bauern, auf Jagd gehen. Er nahm diese Jagdgelegenheit auch oft wahr. Jedenfalls, die kleine Jenny entwickelte sich sehr gut. Sie wurde stämmig, war temperamentvoll und in allen Rassemerkmalen sehr typisch.

So kam der Winter abermals heran. Es wurde kalt. Außerdem hörte eine langjährige Geschäftsverbindung, die für Braun sehr wesentlich war, auf. Der Tiergärtner geriet mit der Miete in Rückstand. Die Mahlzeiten wurden karg, das Futter für die Tiere knapp. Dann trat auch Mangel an Kohlen ein, und so mußte der Tierbestand verringert werden.

Erst mußten die Kaninchen und die Hähnchen, soweit sie noch nicht aufgegessen waren, daran glauben. Dann wurden auch die anderen Hühner verkauft. Die Tauben gingen den Weg allen Fleisches, und die Meerschweinchenzucht wurde bis auf drei Tiere abgeschafft. Doch der immer herber auftretende Mangel forderte weitere Opfer. Die Wellensittiche wurden abgegeben, auch der Tuisittich nahm Abschied, und endlich blieb nur Jenny – denn auch Lump fand einen Käufer –, das Rotkehlchen und die drei schönsten Meerschweinchen. Aber dann wanderten auch diese drei in den Zoo.

Auf diese Weise entlastet, fand Jochen wieder ausreichend Zeit für seine Berufsarbeit. Doch er mußte erkennen, daß größere Lücken in seinem Können waren als vor seiner Züchterzeit. Das schlimmste war, daß die Schriftleiter mit dieser Erkenntnis nicht hinterm Berge hielten. Braun hatte zweieinhalb Jahre in dem Holzhäuschen gelebt, und für einen fünfundzwanzigjährigen Menschen war er in beruflicher Hinsicht recht schlecht durchgebildet. Zu guter Letzt kündigte ihm auch noch das Fräulein, und nun war ein Traum verweht.

Es ging eben doch nicht ohne geregelte Arbeit. Die Neigungen, denen Jochen so viel Raum gegeben hatte, mußten nun, bis auf einen bescheidenen Rest, dem Geldverdienen und dem Studium, das ja bei einem Maler niemals aufhören soll, weichen. So zog denn Jochen Braun wieder zur Stadt zurück, doch rettete er immerhin die kleine Schottenhündin und das Rotkehlchen aus dem Schiffbruch seines Privatzoos.


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