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7. Kapitel

Eines Sonntagvormittags war die Wiedereröffnung des Affenhauses, in dem die neuen Schimpansen untergebracht waren.

Der Direktor sprach zu den geladenen Gästen. Namhafte Künstler und Wissenschaftler, Presseleute und Menschen, deren Hauptinteresse Tiere waren, und solche, die nie fehlten, wenn irgendwo etwas Besonderes los war, das war die Zuhörerschaft. Eine besondere Angelegenheit war diese Affengruppe allerdings. Denn noch niemals waren bis dahin sechs ausgewachsene Schimpansen in einem europäischen Zoo auf einmal gezeigt worden.

Auf der großen Holztreppe, die nach hinten bis zur Wand anstieg, um es bei Andrang den Besuchern zu ermöglichen, die Käfige zu sehen, saß ein Wuschelkopf auf seinem Dreibein und zeichnete. Dort war Jochen dem Gedränge zwar entrückt, aber er saß auch etwas entfernt vom Objekt. Außerdem war der Raum, in dem sich die Tierkäfige befanden, durch eine Glaswand vom Zuschauerraum getrennt. Das erschwerte das Sehen sehr.

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Pascha mit seinem Harem

Dennoch, das Bürschchen hatte sich die prägnanteste Äffin ausgesucht und auf einer großen Pappe mit dem Kreidestift ihren Kopf im Profil gezeichnet. Mit wenigen Konturen, die wie mit dem Besenstiel der Pappe aufgedrückt waren, hatte er das Wesentliche, das anthropoide, gewaltig vorspringende Kinn, die Augenwülste mit den tief in schattigen Höhlen liegenden Augen und das fliehende Schädeldach, gut erfaßt. Nun war er eigentlich fertig, aber es fiel ihm schwer, den Zeichenstift aus der Hand zu legen. Es war zu verlockend, den wie ihm schien gelungenen Konturen noch einmal mit der Kreide nachzugehen. Er hatte sich mit dieser schlechten Angewohnheit schon manche Arbeit verdorben.

Da legte ihm jemand die Hand auf die Schulter. Es war sein Vater, der des Vortrags wegen gekommen war, und der mit dem Lob über die Studie zugleich die Warnung verband, des Guten nicht zuviel zu tun.

Der Direktor hatte indessen mit seinem Vortrag begonnen. Wenn dieser alte Herr, der doch noch so jugendlich erschien und dessen Glocke und grauer Spitzbart jedem ein Begriff war, sprach, war es immer interessant.

Heute fesselte sein Vortrag besonders, denn das Thema war sehr eigenartig und völlig neu. Zwar machte er in der Einleitung in launiger Weise darauf aufmerksam, daß er wieder Gelegenheit habe, sich darüber zu freuen, eine ganze Reihe von Zuhörern zu haben, die ihm die Ehre gaben, auch ohne geladen zu sein. Hier machte sich Jochen klein. Da aber sein Vater zum geladenen Publikum gehörte, so fühlte er sich schnell wieder beruhigt.


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