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49. Kapitel

Braun zeichnete seit einiger Zeit im Raubtierhaus, und die schwarzen Panther waren es, denen er seine besondere Aufmerksamkeit zuwandte.

Viele Skizzen machte Jochen, ehe er dem Tier mit Farbe zu Leibe ging.

Der Zwinger gegenüber war seit einiger Zeit leer, denn die Löwin, die ihn bewohnte, war in dem danebenliegenden Käfig untergebracht worden, und der war mit Brettern verschalt.

Die Großkatze erwartete ihre Niederkunft. An diesem Morgen nun hatte der Wärter durch das Guckloch in der Bretterwand gesehen, und da gewahrte er in der rechten Ecke Bewegungen unter dem Stroh.

Nun wußte er Bescheid. Der vorsichtige Mann hielt sich an diesem Vormittag viel in der Nähe des Käfigs auf, denn er wollte herauskriegen, ob die Mutter die Neugeborenen nährte.

Der Wärter unterhielt sich mit Braun darüber. Er hatte bei dieser Löwin seine Bedenken. Sie war während der ganzen Tragezeit reizbar und unruhig gewesen, und in solchem Falle konnte man nicht wissen, was geschah.

Hornung, so hieß der Wärter, trat wieder an die Bretterverschalung heran und sah durch den Spion.

Rechts in der Ecke bewegte sich nichts. Er wartete. Plötzlich gewahrte er auf der linken Seite unterm Stroh eine Bewegung. Das gefiel ihm gar nicht. Warum konnte die »Olle« die Kleinen nicht liegenlassen, wo sie waren? Nun mußte Hornung wegen des Futterfleisches für den Nachmittag zum Wirtschaftshof und kam erst nach eineinhalb Stunden wieder. Braun ging ihm entgegen:

»Herr Hornung, die Kleinen haben in der Zwischenzeit viel geschrien.«

Ein Blick durch das Guckloch, die Jungen lagen schon wieder anders. Noch einmal ging der suchende Blick des Tierpflegers durch den kleinen Raum. Die große gelbe Löwin saß in der Nähe der Jungen, der Ausdruck, mit dem sie auf die Kleinen niederblickte, war gespannt.

Dann sah Hornung etwas, das ihn erschrecken ließ. Gleich vornan im Käfig lag der abgebissene Kopf eines der Jungen. Die Löwin war eine von den Raubtiermüttern, die ihre Jungen fraß.

Hornung trat zurück und ging schleunigst in die Wärterstube zum Telephon.

Er stellte eine Verbindung her. Der Teilnehmer meldete sich, und der Wärter sagte: »Hier Hornung vom Zoologischen Garten. Hören Sie mal, Schulze, ich brauche sofort eine säugende Hündin, groß oder mittelgroß. – Sie haben keine da? – Wann, in vierzehn Tagen?

Nützt mir ja nichts, habe einen Tag alte Löwenjunge, und die Mutter versagt. Also nichts zu machen, Wiedersehen!«

So rief Hornung vier Händler an, und keiner hatte eine entsprechende Hündin zur Verfügung.

Nun war er am Ende mit seiner Weisheit. Unterdessen schrien die Löwenkinder wie die Kater, ein Zeichen, daß die Mutter sie immer noch nicht nährte.

Vorsichtig zog Hornung die Schiebetür zu dem leerstehenden Käfig auf und warf ein Stück Fleisch hinein, dann zog er sich zurück.

Er hoffte, die Löwin möge bald die Wochenstube verlassen und nicht erst alle Jungen kaputtmachen.

Es dauerte manchmal sehr lange, bis eine Löwin den Raum verließ, in dem sie geworfen hatte.

Doch da kam sie ja!

Ganz ruhig stand der Wärter, bis die Löwin am Fleisch war, dann stieß er rasch die Schiebetür zu. Brüllend fuhr das Raubtier ans Gitter und langte mit der Pranke wütend durch die Stäbe, aber Hornung blieb gelassen und sah die Sünderin nur strafend an. Dann stieg er in den Käfig zu den Jungen. Von einem war nur noch der Kopf da, auch ein zweites war verstümmelt, das dritte war unverletzt, aber sehr schwächlich, und nur das vierte und letzte war tadellos in jeder Hinsicht.

Hornung säuberte, was nötig war, machte den beiden Kleinen ein ordentliches Nest und kletterte, immer das Schreien der beiden hungrigen Löwenkinder im Ohr, wieder aus dem Käfig. Zwar das eine schrie nur ganz schwach, und der Wärter rechnete nicht damit, es erhalten zu können.

Währenddessen zerbrach er sich fortwährend den Kopf, woher er eine Hundeamme bekommen sollte. Da fiel ihm eine der größeren zoologischen Handlungen ein, von der er wußte, daß sie auch Rassehunde verkaufte.

Er rief an, und es wurde ihm gesagt, daß eine Foxterrierhündin da wäre, die gestern drei tote und ein lebendes Junges geworfen hätte, er, der Händler, könne das lebende aber zu einer anderen Hündin legen.

Zwar war eine Terrierhündin als Amme für junge Löwen zu klein, aber wahrscheinlich blieb ja nur das eine Löwenbaby am Leben, jedenfalls machte Hornung die Sache fest, und in einer halben Stunde war die Hündin da.

Für eine Foxterrierhündin war sie ziemlich groß, für eine stellvertretende Löwenmutter dagegen sehr klein.

Sie war rauhhaarig und sah den Wärter traurig an, man hatte sie ja eben von ihrem kleinen Hundesäugling getrennt.

Hornung nahm sie auf den Arm und kletterte mit ihr in den Käfig zu den Löwenkindern.

»Henni« beschnupperte die kleinen Wesen, die ihr merkwürdig fremd und bekannt zugleich vorkamen, aber sie ließ sich die Kleinen nicht anlegen.

Trotz größter Geduld des Wärters ließ sie die jungen Löwen nicht trinken. Schließlich brachte Hornung die Hündin in die Wärterstube, hängte sich noch mal ans Telephon und bestellte auch noch das Terrierkind.

Es dauerte wiederum nur eine Viertelstunde, und der Bote brachte das winzige, blinde Ding. Die Mutter war glücklich. Wieder zu den beiden jungen Löwen gebracht, legte sie sich hin und ließ den eigenen Sohn trinken.

Hornung kniete daneben und hielt die Löwenjungen in den Händen.

Nachdem nun Henni den Welpen etwa fünf Minuten gesäugt hatte, legte ihr der Wärter sachte die Katzentiere an.

Und siehe da, nun ließ sie sich die Adoptivkinder gefallen. Allerdings, das schwache Löwchen trank nicht, wohl aber der kleine Bruder. Er stürzte sich mit Inbrunst auf die Nahrungsquelle und sog mit dem Puppi (Bezeichnung für ganz junge Hunde) um die Wette.

Am Abend desselben Tages war das schwächliche Löwenkind verendet. Hornung war es recht, denn die kleine Hündin konnte auf die Dauer allerhöchstens ein Löwenjunges ernähren. Sie bekam auch ausreichend Milch, Fleisch und Haferflocken und hin und wieder ein Ei. Nach fünf Wochen, in dem Alter, in dem die Hundewelpen abgesetzt werden können, wurde der kleine Foxterrier verkauft, denn der Löwe gedieh prächtig, und der Mutter der beiden so ungleichen Kinder wurde die Aufzucht beschwerlich.

Der Pflegesohn war nun fast so groß wie die Hündin, und das Zoopublikum hatte seine Freude an der Zärtlichkeit des Hundes für das große, artfremde Kind.

Dieser kleine Löwe hatte ein sehr gut geartetes Temperament. Er hing mit großer Liebe an seinem Wärter, der ihn oft auf den Armen herumtrug. Auch Braun bekam ihn einmal ein paar Minuten zu halten und hatte seine Freude an dem weichen und doch schweren Gesellen.

Aber nach wenigen Monaten hätte man schon ein recht kräftiger Mann sein müssen, wenn man »Rolf« spazierentragen wollte. Er wuchs unaufhaltsam. Längst säugte ihn seine Amme nicht mehr, doch hatte man sie ihm als Spielgefährtin gelassen. Mit gewaltigen Sätzen sprang der junge Löwe im Käfig umher, er wirbelte seine um vieles kleinere Hundemama mit seinen ungeschlachten Pranken im Spiel herum, doch brauchte er niemals seine Krallen. Im allgemeinen jedoch bekam er die Foxterrierhündin gar nicht zu fassen, denn sie war ungleich wendiger als er. Sie flitzte um ihn herum, setzte über ihn hinweg, witschte unter ihm durch und gebrauchte, in die Enge getrieben, ihre Zähne. Aber auch sie kniff nur, wurde nie wirklich grob. Schließlich war es so weit, daß jeder lachen mußte, der »Mutter und Kind« sah. Ein riesiger Junglöwe tobte mit einem winzigen Foxterrier im Käfig umher.

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Der riesige Junglöwe spielt mit seiner Ziehmutter

Später, als die kleine brave Hündin von dem allmählich ausgereiften Mähnenlöwen getrennt worden war, blieb doch die Freundschaft zwischen Rolf und seinem Wärter bestehen. So oft Hornung zum Entsetzen des Publikums seinen Arm durch das Gitter streckte, kam der mächtige Löwe heran, strich am Gitter entlang und rieb sein von dunkler Mähne umrahmtes Gesicht an der Hand seines Wärters.


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