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50. Kapitel

Jochen hatte es ein eigenartiges Tier angetan, der neue See-Elefant. Die gewaltige Robbe wog zwanzig Zentner und war vier Meter lang. Die Nase hatte mehrere Querfalten, und der See-Elefant konnte sie rüsselartig hervortreten lassen. Besonders wenn das Tier brüllte, trat diese Bildung in Erscheinung.

Noch weit größere Falten wurden sichtbar, wenn sich der ungeschlachte Geselle mit dem Vorderkörper hoch aufrichtete. Hielt er sich dann wie ein halb aufgeklapptes Taschenmesser im rechten Winkel, so liefen quer über den Rücken tiefe, dicke Falten, die bei dem sonst glatten Tier merkwürdig wirkten.

Der Kapitän eines Seglers hatte »Goliath« und eine Reihe anderer dieser Großrobben unter vielen Beschwerlichkeiten gefangen. Jedoch die größere Leistung war es, das Winterfutter für die See-Elefanten bereit zu haben. Der Segler mit seiner kleinen erprobten Mannschaft war durch die Eisverhältnisse genötigt zu überwintern, und wenn der Leiter der Expedition die zwölf dem Meer entrissenen Großrobben am Leben erhalten wollte, so mußten er und seine Leute Berge von Fischen fangen. Dann wurden die Fische getrocknet. Mindestens einen halben Zentner frischer Fische täglich brauchte jeder See-Elefant, man kann sich also vorstellen, was für Heere von Schuppenträgern gefangen werden mußten.

Trotz größter Mühsale gelang es dem Kapitän, die meisten seiner kostbaren Tiere an ihren Bestimmungsort zu bringen. Der Zoo übernahm den zweitstärksten der See-Elefanten, der größte reiste mit dem Zirkus Hagenbeck umher.

Wenn am Nachmittag die Fütterung der Robben stattfand, drängte sich das Publikum ganz besonders um das Bassin »Goliaths«. Der Wärter, ein mehr als wortgewandter Redner, hielt eine Ansprache und ließ Kabeljau um Kabeljau in den unergründlichen Schlund gleiten. Am Schluß stellte er sich auf den Hinterkörper der Robbe, und während »Goliath« den Vorderkörper hoch aufrichtete und den Kopf zurückneigte, gab ihm der Wärter den letzten Fisch in den Schlund. Doch eines Tages wäre es dem Betreuer des See-Elefanten beinahe übel ergangen.

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Der See-Elefant, im Begriff, sich auf den Wärter fallen zu lassen

Er stand dicht vor dem Tier und hielt einen Fisch in der erhobenen Hand. Der Kopf der Robbe überragte den Menschen beträchtlich. Der Wärter ließ den Kabeljau vor dem geöffneten Maule hin und her pendeln, näherte ihn der geblähten Rüsselnase, zog ihn wieder zurück und trieb das Spiel so lange, bis der Riese aus dem Meer plötzlich, die Geduld verlor und sich mit voller Gewalt auf den Mann fallen ließ. Wie ein stürzender Baum krachte der mächtige, walzenförmige Rumpf hernieder. Der Wärter sprang in letzter Sekunde zur Seite, doch erwischte es ihn noch an der Schulter und riß ihn zu Boden. Er kam mit einer leichten Quetschung und einem großen Schreck davon.


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