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45. Kapitel

Als eines Tages Braun die Wasserschweine zeichnete, kam Messing, entgegen seiner sonstigen Gewohnheit, in Eile heran.

»Braun, hier in der Nähe muß ein Foxterrier sein, er ist eben am Kontrolleur vorbei in den Zoo gewitscht. Bleib du mal hier stehen, ich gehe um die Anlage herum und gucke mal in die Büsche, vielleicht steckt er drin.« Sprach's und verschwand hinter Busch und Baum.

Der Maler legte sein Zeug an die Seite und näherte sich ebenfalls den Büschen. Ein paar Minuten stand er da und beobachtete aufmerksam, als er von fern durch Laub und Zweige die Mütze des Wärters auftauchen sah.

Auf einmal rief Messing: »Achtung, er kommt gerade auf dich zu!«

Braun ging sofort in die Knie und starrte in das undurchdringliche Grün. Gleich darauf hörte er Zweige knacken, ein heller Fleck huschte heran, und dann brach der Terrier hervor. Hart links wollte der Hund an dem Maler vorbei. Der warf sich hinüber und griff zu. Er hatte ihn auch – beinahe! Aber die Hände rutschten an dem glatten Fell ab, ehe sie zupacken konnten.

»Gustav, hier ist er, hier war er!« Doch Messing kam schon herangesaust. Der Terrier, verfolgt von Braun, jagte auf das Nagetierhaus zu, der Wärter sah es und rannte zum anderen Ausgang des Hauses. Er sprang die paar Stufen hoch und kam gerade zurecht. Er hätte keine Sekunde später kommen dürfen, denn der Terrier flitzte im selben Augenblick aus der offenstehenden Tür heraus. Messings Hände fuhren herunter, gleichzeitig war auch Braun herangekommen und packte ebenfalls zu. Zwei Köpfe krachten gegeneinander, und beide, der Wärter und der Maler, lagen an der Erde. Aber den Hund hatten sie!

Braun hatte ihn an den Hinterbeinen gefaßt, Messing hielt ihn am Genick, so konnte der Gejagte nicht beißen. Nun nahmen sie den ganz verschmutzten und vor Angst bebenden Hund mit nach hinten in Messings Privatraum. Dort sprachen die beiden dem Kerlchen gut zu, säuberten ihn und gaben ihm Milch, die er dankbar nahm.

Der Hund war ein sehr edler Rauhhaarfox. Behaarung, Gebäude und Kopf waren, wie sie sein sollten. Der Terrier hatte die bei dieser Rasse übliche Zeichnung, weißen Grund und schwarze und rote Flecken. Eigenartig war ein beinahe kreisrunder Fleck auf der Schulter.

Die beiden Hundefänger kamen überein, daß Braun den Foxel mit sich nehmen sollte, um abzuwarten, ob man in der Zeitung oder an der Säule nach dem Hund fragte.

So zog denn der Maler mit seinem neuen Hund ab. Er hatte ihm eine Schnur um den Hals legen müssen, denn das Halsband fehlte. Der Terrier war etwas gedrückt, ging aber doch willig mit.

Auch in der Bahn benahm er sich nett, saß ruhig zwischen den Füßen des Malers und beobachtete aufmerksam seine Umgebung. Immer, wenn jemand in das Abteil stieg und in die Nähe des Hundes kam, schnupperte die kleine schwarze Nase, ob es nicht doch vielleicht Frauchen wäre. Bei Braun angelangt, rollte sich der Hund zusammen und schlief auf dem ihm angewiesenen Platz ein.

Später, am Abend, wurde er noch mal auf die Straße geführt, und in der Nacht schlief er am Fußende des Bettes. Bevor er sich im Kreise drehte, um endgültig diesen seinen schlimmsten Tag zu beschließen und einzuschlafen, sah er seinen Beschützer liebevoll und traurig an, ließ sich streicheln und klopfen und schien Trost in der Freundlichkeit des fremden Menschen zu finden, obwohl ihn unablässig der Schmerz um sein verlorenes Zuhause quälte und ihn die Sehnsucht nach den Menschen, die er liebte, bis in den Traum verfolgte.

Am nächsten Morgen ging der Maler mit seinem vierbeinigen Gast hinunter, um etwas zum Frühstück einzuholen. Das war schnell erledigt, und Braun wollte wieder ins Haus gehen, als ihn ein kleines rotes Plakat an der Litfaßsäule stehenbleiben ließ. Da stand ja fett gedruckt: »Foxterrier verloren!« Und richtig, es war die Aufforderung, einen entlaufenen, rauhhaarigen Foxterrier ohne Halsband, der einen eigentümlich runden schwarzen Fleck auf der linken Schulter habe, bei der nachstehenden Adresse abzugeben. Der Hund höre auf den Namen »Jonny«, die Belohnung betrage 100 M. Kein Zweifel, das war er.

.

Wiedersehensfreude

Hundert Mark!

Brauns Füße wurden beschwingt. Der Hund, zum erstenmal wieder mit seinem Namen angerufen, begann ebenfalls lebhaft zu werden.

Nachdem nun beide gefrühstückt hatten, fuhren sie mit dem Omnibus zur angegebenen Adresse. Es war eine Villa in einer stillen Gartenstraße, und Jonny, als er ihrer ansichtig wurde, verlor beinahe den Verstand.

Noch bevor Braun geklingelt hatte, stürzte ein kleines Mädchen zur Gartentür, riß sie auf und fiel mit lauten Rufen aller Art über den Hund her.

Kind und Hund schrien, bellten und heulten um die Wette, und dann kam die Mama. Sie war sehr liebenswürdig, und fast gleichzeitig mit der freundlichen Begrüßung übergab sie dem Maler den Hunderter. Braun konnte sich nicht verhehlen, daß diese Dame den besten Eindruck auf ihn mache. Er ließ es auch seinerseits an Artigkeit nicht fehlen und folgte gern der Einladung ins Haus.

Schnell war ein gemeinsames Interessengebiet gefunden, Tiere und vor allem Hunde. Als die Dame erfuhr, daß ihr Gegenüber Tiermaler sei, war sie sehr neugierig, und als Braun das Haus verließ, hatte er den Auftrag, den Wiedergefundenen zu malen. Er entledigte sich später dieser Aufgabe zur vollen Zufriedenheit seiner Auftraggeberin und erntete nicht nur lebhaften Beifall, sondern auch das erfreuliche Honorar von 200 Mark.

Doch jetzt fuhr er schnellstens in den Zoo zu Gustav Messing, um den vorher gewechselten Hundertmarkschein verabredungsgemäß zu teilen.

Gustav war gerade sehr bei der Arbeit und meinte, er hätte heute keine Zeit. »Schade«, sagte der Maler, »ich hätte dir sonst 50 Mark geben können, aber na, denn mach's man gut.« Und er wandte sich zum Gehen.

»Was denn für 50 Mark?«

»Finderlohn für den Terrier.« Braun rief's im Hinausgehen über die Schulter zurück.

Aber da war der gute Gustav bereits neben dem Enteilenden, und es fiel ihm ein, daß die Arbeit auch noch am Nachmittag zu schaffen wäre.

Als er die fünfzig Mark in der Tasche hatte, wurde er wesentlich umgänglicher, und er vergaß den Katzenjammer, an dem er heute litt. Er hatte nämlich am Abend vorher, in der Hoffnung auf zehn oder zwanzig Mark Finderlohn, einen kleinen Vorschuß auf die Seligkeit in seiner Stammkneipe genommen. An diesem Morgen nun waren ihm Zweifel gekommen, ob überhaupt etwas bei dem Terrierfang herauskommen würde.

Für diesmal hatte seine oft geäußerte Meinung: »'n ehrlicher Tierpfleger kommt zu nischt«, sich nicht bewahrheitet, und so kamen er und Braun überein, am Nachmittag, wenn Gustav Schluß gemacht hätte, Jonny, den Foxterrier, gehörig zu begießen.


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