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Märchen.

Sprach die alte Meeresschlange,
Aus dem feuchten Schlamm sich windend:
Habe wieder ein Jahrhundert
Ignorirt, indem ich schlief.
Während ringsumher das Leben
Wichtigthuerisch sich spreizte,
Dampfte, pfiff und schaufelte,
Schlief ich kühl und unbehelligt;
Schlaf ist vornehm.

Was hast du indes getrieben,
Stolzer Wiking, edler Jarl,
Kamerade meiner Urzeit,
Sturmverschlagener Genosse?
Sieh, du sitzest träumerisch
In der Laube von Korallen,
Spielst mit perlenfarbnen Händen
Auf der goldbespannten Harfe
Den unsterblichen Gesang
Deiner Liebe.

Längst zerfiel zu Knochenerde
Vieler Sterblichen Gerippe,
Die der tolle Sturmwind einst
Mir herabwarf zum Vergnügen.
Doch ihr Lieben war wie Glas,
War ein Spielzeug, wie sie selber,
Die zermalmt von meinen Küssen
Bleichten, schauerten und starben.

Du allein, mein edler Wiking,
Fürchtest nicht die starke Glut
Deiner alten Meeresschlange,
Die sich, schimmernd und geschmeidig,
Fromm um deine Füße ringelt,
Ihrer Augen goldnen Becher
Ganz von dir erfüllt.

Wenn wir beiden uns umarmen,
So erglüht das träge Meer.
Kocht, daß seine grünen Mähnen
Ihren Schaum gen Himmel spritzen,
Und des schweren Kauffahrteischiffs
Hölzernes Gebein zerbricht,
Ans verborgne Riff geworfen.

*


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