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Saul.

Wie unterm Sternenheer der Morgenstern,
So unter Menschen strahlte Saul im Glück
Und Kraft und Tugend; er gefiel dem Herrn.
Doch ungebändigt, blindlings schreitet das Geschick.

Kein Auge sieht es; aber der Prophet,
Samuel, erkannte schaudernd seinen Gang.
Zum König tritt er: »Saul, sprich ein Gebet,
Du bist verworfen! Sei um deine Seele bang.«

– »Ist nicht von Rosen Nachts mein Bett umkränzt?
Entsproßten Früchte süß nicht dem Verein,
Wie rot im Laube die Granate glänzt,
Wie voll am Rebenstocke schwillt der edle Wein?

Mich liebt mein Volk, und führ' ich es zur Schlacht,
So jauchzt es: Unser König zieht voran,
Wie Tags in Wolken und im Feu'r bei Nacht
Jehovah gnädig durch die Wüste einst gethan!« –

– »An deines Bettes Rosen nagt der Wurm!
Die Früchte fallen ab! Glänzt auch dein Haus
Wie eine Sonne, – horch! schon rauscht der Sturm
Und löscht die strahlende wie eine Fackel aus!« –

Der König lächelt, doch ihm graut geheim.
Wie rott' ich aus des Unheils Samenkorn?
Doch sieh! schon bricht hervor der junge Keim,
Der zarte Stiel verdichtet sich zum scharfen Dorn.

Doch wähnt er noch, er hemme seinen Trieb.
Zu dem Propheten, den das Grab verschlang,
Hebt er die Stimme: »Gieb mir Antwort, gieb,
Samuel! und höre meines Rufes Erdenklang!

Die Tochter, die ich liebe, folgt dem Feind.
Mein liebstes Kind, mein Stolz, mein junger Sohn
Hat sich in heil'ger Freundschaft ihm geeint.
Schwermut, die dunkelfarbige, theilt meinen Thron.

Noch einmal komm aus der Verbannung Land,
Samuel! wann bricht mein Stern aus Wolken vor?
Wann reckt der Herr mir gnädig seine Hand
Und teilt die Wetterwolken, die er herbeschwor?«

– »Ich komme. Staub und Erde ist mein Kleid,
Die sternenlose Nacht mein kaltes Haus.
Was rufst du mich? Vergebens ist dein Streit.
Dein Morgenrot ist hin, dein goldner Tag ist aus.

Und ständen Babels Völker wie ein Wall
Um dich, sie wehrten nicht dein Schicksal ab.
Es naht und naht, es bringt dich jäh zu Fall
Und zieht dich und dein Haus in das gegrabne Grab. –

Er sinkt. Und unaufhaltsam naht und naht
Schon jener Engel, dessen strenge Hand
Der Menschen Arme lenkt zu blinder That
Und ihre Seelen hält an unsichtbarem Band.

»Und doch entflieh' ich dir, betrüg' ich dich!«
Der König ruft's, »Sieh her, dein Sieg ist faul!«
Er stürzt sich in sein Schwert. – »Erkennst du mich?«
Raunt ihm der Engel zu und lächelt. – So starb Saul.

*


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