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Der Selbstmörder.

Ich nahe deinen sanften Uferbänken,
Geliebter Strom, in meiner Brust
Den Mord; er soll die keusche Welle tränken,
Die nur vom Himmel über ihr gewußt.
Wie lauter gleitet sie und ahnungslos!
Ich starre hin und muß die Augen schließen –
Mich selber seh' ich still in ihrem Schoß
Vorüberfließen.

Sprichst du von Frieden oder Todesschrecken?
Was kündest du mir, bleiches Angesicht?
Noch hab' ich Macht, dich wieder aufzuwecken,
Ich weiß das Wort, das diesen Zauber bricht.
Ich öffne wieder dir das goldne Thor
Und weise dir die grünen Lebensbäume,
Die Blumen auch im bunten Freudenflor,
Die falschen Träume.

Viel süße Düfte ihrem Kelch entschweben;
O sprecht, wann haltet ihr uns Armen Wort?
Es hat getrogen hier im Erdenleben,
Löst ihr es ein in einem schönern dort?
Wo find' ich diese warme Freundeshand,
Die ihr verspracht, nach der ich ach! zeitlebens
Durchwandert habe manches ferne Land,
Und stets vergebens?

Wo ist der Endreim meiner liebsten Lieder?
Das Echo meinem einsamen Gesang?
Nur Steine schicken ihn mir fühllos wieder,
Kein Laut der Seele bricht aus diesem Klang.
Wo ist genug? In meines Durstes Glut
Hab' ich zum Born des Wissens mich gebogen;
Doch, wie einst Tantalus, hat mich die Flut
Gehöhnt, betrogen.

Trostloser Schall ist die Musik der Sterne
Dem Darbenden, den nur die Sorge speist;
Kein Balsam träuft aus jener Himmelsferne
Aus Wunden, die der Zahn des Mangels reißt.
Nur du, mitleid'ger Freund der Menschennot,
Schlaf, Grab des Kummers, Trockner aller Thränen,
Du kommst gewandelt mit dem Abendrot
Und stillst das Sehnen.

Was hat von meinem Lager dich getrieben?
Was that ich? was verwirfst du mein Gebet?
In meine Stirn hat sich der Tod geschrieben,
Seit mir dein Flügel nächtelang nicht weht.
Find' ich dich hier? Mir war, als ob mein Ohr
Die alten Wiegenlieder murmelnd trafen;
Du singst sie aus der Welle mir hervor –
Da werd' ich schlafen.

*


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