Hans Hopfen
Die Heirath des Herrn von Waldenberg
Hans Hopfen

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IX.

Nachdem Fridolin Frau von Waldenberg verlassen hatte, fand er in seiner Stube keine Ruhe. Er irrte ein Weilchen in der dunklen Halle auf und ab. Auch hier war es ihm unerträglich. Er fragte sich alles Ernstes, ob er nicht in der Nacht noch aufbrechen und dem verwunschenen Hause, in welchem Einer wie der Andere bösem Wahn und gewaltsamen Mißverständnissen verfiel, je früher desto lieber den Rücken kehren sollte. Unheimlicher konnt' es im düsteren nächtlichen Wald auch nicht sein, als in diesem finsteren Neste, das ausgestorben schien und keinen Laut von sich gab.

Zu welchem Ende hatte er nun die ganze Beschwerde sich aufgesackt? Es wäre besser gewesen, wenn er Waldenberg nie gesehen hätte, noch besser freilich, wenn nie ein Waldenberger den treuen Knecht gesehen hätte.

Er hielt's unter diesem Dach nicht aus. Er ging in den Garten hinab. Es war eine herbe 236 Frühlingsnacht. Kalt wehte der Wind und die Nebel stiegen aus den Thälern herauf, daß man die schleierhaften manchmal mit Händen greifen und ballen zu können meinte.

Fridolin machte einen langen hastigen Wandel, erst über die Wiesen entlang, dann unter dem annoch wenig belaubten Baumgang hin und wieder. Er war so abwesend in Gedanken, daß er mehr als einmal an einen Baumstamm rannte. Und als er einmal sich recht empfindlich gestoßen hatte, blieb er in doppeltem Verdruß an der Rinde lehnen und starrte, müde dieses Treibens, vor sich zu Boden.

In langen Jahren war der treue Knecht nicht so unzufrieden mit sich selbst gewesen. Er mußte in Einem fort an Basil denken, an den armen Kerl, den er erst zu diesem Abenteuer beschwatzt und dann – vielleicht mit einer Kugel im Leibe – seinem Schicksal überlassen hatte. Wo war Jener geblieben? Allein mit einem grünen, hülflosen Frauenzimmer wie Bettina, das ihm nicht einmal mit Willen gefolgt war. Und was war aus Bettinen geworden? War es nicht unverantwortlich, daß er noch hier zauderte und unnütze Reden in den Wind sprach, statt seinen Gefährten zu suchen, zu pflegen, zu retten! Ein ordentlich Herzeleid packte ihn um den Genossen. Es war ihm, als säh' er den alten Bolle vor sich aus dem Nebel treten und ihm zurufen, ob das Treue halten hieße? 237

An Leonilla, die Circe seines Herzens, die nur leider den schlimmsten Zauber gegen sich selbst verwendete, mochte Fridolin gar nicht mehr denken.

Wäre der Wald nur nicht so fremd und der Nebel nicht so dicht und die Nacht nicht so finster: er liefe gleich in der Minute davon. So wär's nur neue Thorheit. Und er hatte schon an der alten genug. Aber morgen mit dem Frühesten!

So wollt' er denn zu Bett. Er ging aus der Baumreihe hervor an der Hofmauer hin, gen Himmel sehend, als sucht' er einen Stern.

Die Sterne schienen nur an wenigen Stellen durch den Nebel; aber seltsam, ging denn heute Nacht der Mond von einer andern Seite auf als gestern? Ein rother Schein, der hinter Waldenberg's Dach zackig den Wolkendunst verfärbte, konnte doch nur vom Monde herrühren. Wie die Nebel quollen und rauchten in dem breiten rothen Mondenscheine! . . . Aber Unsinn über Unsinn! Der Mond kam ja nicht von dort. Und was da quoll und wallte, war nicht der Nebelzug, das war Dampf! Dampf und Rauch, der von einem Brande aufwallte! Ja, das war Feuer! . . . Feuerjo!

Ein entsetzlicher Gedanke durchfuhr ihn. Herr Gott! Es brennt in Leonilla's Stube? bei ihr? Nach dieser Unterredung? . . . Er lief, was er laufen konnte, um die Stelle sehen zu können, von welcher die Glut ausging. 238

Dort hin, um die Ecke! Nur rasch! Von dort mußte man das Erkerfenster Leonilla's sehen.

Er schaute hinaus. Der Mund öffnete sich wie zu einem Schrei . . . blieb aber tonlos offen stehen und Fridolin fiel rücklings an die Hofmauer, als hätte ihn ein Uebergewaltiger vor die Brust geschlagen.

Wie eines Ofens Thüre sah das Fenster der Erkerstube mit glührothem Viereck aus dem sonst schattendunklen Hause in die Nacht hinaus. Es war, als wenn die untergegangene Sonne den goldenen Rosenglanz, der längst vom Himmel verschwunden war, in Leonilla's stiller Klause zurückgelassen hätte.

Mit den flachen Händen sich vom Mörtel abhebend, brachte sich Fridolin wieder auf die Beine.

Noch einmal sah er empor. War das Augentäuschung? war das Rauch, der ihn äffte? oder stand wirklich eine schattenhafte Gestalt vor dem Goldgrunde des Fensters und winkte mit verzweifelten Händen?

»Joseph! . . . Hülfe! . . . Feuerjo!« schrie Fridolin aus vollem Halse zum Hause hinein. Und stürmte die Treppe hinauf und rief in's Zimmer: »Auf, auf, Herr von Waldenberg! Hoiho! es brennt! es brennt im Gemach Ihrer Frau!«

Waldemar, der schon vorhin ein unverständliches 239 Geschrei gehört und dem Rufer halbwegs entgegengekommen war, flog jetzt in Eile die Thurmhöhe hinan. Fridolin, der nicht so lange Beine hatte, hinter ihm drein.

Wie sehr sie sich sputeten, die Treppe schien ihrer Angst doch wie eine Himmelsleiter so lang. –

Waldemar und Fridolin, die Beide schon an der Thüre lärmten, hörten Leonilla noch schreien. Aber Leonilla hörte Jene vor der Thüre nicht rufen. Sie riefen ihr zu, daß sie öffnen sollte, öffnen ohne Verzug! Denn der Schlüssel stak innen im Schloß und das gute Schloß, und die neuen Angeln spotteten der Macht, welche die beiden Männer anwandten.

Da warf sich Waldemar mit aller Gewalt seines Körpers gegen die Thüre, und als auch das Holz nicht weichen wollte, riß er mit solcher Kraft am Schlosse, daß ihm die Klinke in der Hand blieb, aber öffnen konnt' er darum doch nicht.

Wer weiß, wie weit das Unglück gediehen, wäre Fridolin nicht nach dem ersten ungenügenden Versuch seiner Leibeskraft die Treppe hinab in die Küche gesprungen, wo er von seiner heutigen Hülfeleistung her ein Beil hängen wußte. Mit diesem kam er nun wieder jählings angerannt.

Waldemar riß es ihm aus der Hand, sowie er es nur erlangen konnte, und mit mächtigen Hieben 240 hatte er in der nächsten Minute die Füllung der Thüre eingeschlagen.

Qualm und Hitze strömten ihnen betäubend entgegen. Funken und Zunderfetzen wirbelten ihnen um die Köpfe, sengten ihnen die Haare auf Häuptern und Bärten, selbst auf den Händen, mit denen sie sich die Augen schützten. Aber es durfte kein Verweilen sein.

Sie sahen Leonilla noch nicht. Das geängstigte Weib schrie auch nicht mehr, es wimmerte nur mehr, aber laut genug, daß es durch Dampf und Glut den Weg zeigte, wo die Gefährdete zu suchen war.

Waldemar fühlte glühende Kohlen unter den Sohlen, wo er hintrat. Neben ihm kroch über den Teppich die Flamme, mit breiter Zunge die Wolle auffressend und die Dielen verkohlend, hin. Ein Arbeitstischchen fiel ihm in den Weg. Der Stumpf des Fußes, der nach oben stand, loderte seitwärts gleich einer Fackel.

Diese Fackel beleuchtete das Weib auf dem Estrich, das todtenbleich und doch mit Glut übergossen wie an einem Marterpfahl das Haupt an die Wand lehnte, zwischen Schrank und Zimmerecke geklemmt, als hätte es die Wand eindrücken und dadurch entfliehen wollen.

Waldemar schrie auf, da er sie also fand. Er rief sie beim Namen und betastete ihr Gesicht und Nacken und Hände. 241

»Nur fort, nur fort um Gottes willen!« schrie Fridolin, mühsam das lange Haar vor den stäubenden Funken schützend und dabei doch hülfreich nach Leibeskräften.

»Todt . . . starr und todt!« rief der Major und sein Gesicht, das die Flammen beleuchteten, war grauenhaft anzusehen. Er lud den leblosen Körper auf seine Arme. Der treue Knecht konnte kein Wort sagen. Er hatte so viel Rauch geschluckt, daß er zu ersticken meinte. Jede Minute hier schien tödtlich. Er packte die Kleider Leonilla's, so eng er konnte, um deren Füße, und also sie und sich, so gut es ging, vor dem Feuer schützend, brachten sie die Arme vor die Thür und hinab, wo sie Waldemar auf sein Lager legte. Er weinte dabei, aber er durfte sie nicht küssen, sich nicht verweilen. Ueber seinem Haupte flammte das Dach seiner Väter. Sollte nicht Alles bis auf die nackten Mauern zu Schanden brennen, so war keine Sekunde zu verlieren und alle Kraft und Ausdauer aufzubieten, die des Hausvaters voran.

Der brave Joseph war schon vor den Beiden mit dem Wasserschlauch in die Höhe geeilt. Der Tagelöhner und die Magd arbeiteten drunten an der Spritze.

Der Fluß, der nah am Hause vorüberlief, gab Wasser die Fülle und ließ die Maschine bequem speisen. 242

Fridolin sprang und hantirte zwischen Flammen und Qualm umher, als gält' es, mit des Lebens Einsatz ein Verbrechen zu sühnen.

Waldemar selbst kam bald wieder den Beiden zu Hülfe und griff das entfesselte Element mit der ganzen Kraft und Geistesgegenwart an, die seiner Soldatennatur eigen waren, auch mit dem Eifer des Hausherrn, der sein letztes Gut vor einer Feuersbrunst bewahren und nicht zum obdachlosen Bettler werden will.

So schlugen sie mit vereinter Kraft die Flamme nieder, wurden des Feuers Herr und vernichteten nothgedrungen mit des Wassers Strahlen, was von dem jüngst noch so lauschigen Schmollwinkel Leonilla's übrig war. Keiner konnte nach den kostbaren Möbeln, nach Papieren, Gewändern oder Wäsche fragen, denn die Flamme hatte schon so weit um sich gegriffen, daß im Verzug höchste Gefahr für das ganze Haus war. Schon hatte oberhalb des Erkerfensters der Dachstuhl Feuer gefangen. Nur mit der größten Anstrengung und durch Wunder von Muth und Umsicht wurde das Weiterlecken des Brandes verhindert und das Unheil auf diese eine Ecke beschränkt.

Von Leonilla's Erker war freilich nach kaum zwei Stunden Arbeit nichts mehr übrig, als schwarze, nasse Kohlentrümmer, an denen schmutziges Wasser 243 zu allen Seiten herunterrieselte. Durch ein Loch in der Decke oberhalb des Fensters sahen, nun die Nebel sich verzogen hatten, die Sterne der Maiennacht auf die vernichtete Stätte, wo die einsame Frau von Waldenberg geträumt, geweint und sich in unseligen Gedanken zermartert hatte.

Fridolin hatte sich nicht geschont. Man durfte sagen, daß er es den Anderen zuvorgethan, wenn nicht an Ausdauer, so doch an Eifer, wenn nicht an Umsicht, so doch an Todesverachtung. Wie ein Rasender hatte er sich abgearbeitet, um den bösen Geist, den er durch eine gutgemeinte Beschwörung entfesselt zu haben wähnte, wieder einzufangen und ihm nicht mehr, als er schon zerstört hatte, zur Beute zu überlassen.

Seine Kleider waren verbrannt. Er stand in Fetzen, als Waldemar ihn mit Gewalt aus den Trümmern zog und dem Wankenden, der auf keinem Beine mehr gerade stehen konnte, begreiflich machte, daß das Werk gethan und die harte Aufgabe, Gott sei Dank, gelöst sei.

Erst jetzt schien Fridolin zu fühlen, daß ein lebhaftes Brennen und Kleben um die Augen ihn im gewohnten Sehen hinderte. Seine Wimpern waren abgesengt. Auch an den Händen zog und riß die Haut, Brandblasen quälten ihn an beiden, besonders an der rechten, wo der Schaden unter dem Aermel hinauflief. 244

Er mußte sich auf's Bette werfen. Joseph kam einmal, angeblich um ihm etwas Linderndes auf die Wunde zu legen, aber mehr, um ihm vorzujammern, was er für eine gute Herrin verloren hätte. Jetzt auf einmal war Leonilla die beste Herrin, die es auf der Welt gegeben hatte, wenn schon . . . freilich . . . und so weiter.

Fridolin hielt diese Reden nicht aus. Auch zu schlafen vermocht' er nicht, so müd' er war, seine Schmerzen hielten ihn wach. Wo er die Augen schloß, sah er Flammen überall.

Es trieb ihn zu Waldenberg hinüber. Joseph schlich ihm nach.

Leise öffneten sie die Thür und fanden den Hausherrn vor seinem Bette sitzen. Seine Wangen waren thränennaß; in den Händen hielt er die Hände seines Weibes und seine Augen starrten unverwandt auf das stille Antlitz, das kein Hauch mehr bewegte.

Eine Lampe brannte zu Leonilla's Häupten. Der Strahl, der manchmal in der Zugluft leise schwankte, warf sein irrendes Licht über die blassen Züge, als wollt' er auch sie zur Bewegung reizen. Umsonst!

Waldemar merkte, daß Jene eingetreten waren. Er sah Fridolin mit großen Augen an und sagte, nicht ohne daß es ihm sichtliche Mühe kostete: 245

»Sie ist nicht todt! Es ist nicht möglich, daß sie todt ist!«

»Ach, mein guter Herr Baron!« war Alles, was Joseph sich zu erwiedern beeilte, während Fridolin es über sich gewann, die Hände der Liegenden zu berühren. Aber er gewann es nicht über sich, dem armen Waldemar einen Trost zu bestätigen, den Jener aus der Lust, aus der Tiefe seines Schmerzes, zu greifen schien.

Waldemar antwortete aber, als hätte Jener ihm widersprochen:

»Es ist keine Verletzung am ganzen Körper . . . nicht einmal ein Brandmal an der Haut, das einer Wunde gleichkäme . . . die Blasen hier am Arm, hier die angesengten Haare, das ist Alles. Sonst nicht geritzt . . .«

»Gequetscht . . . am Kopf!« murmelte Joseph sehr demüthig und traurig, aber recht verständlich. Der derbe Kerl schien einen Trost darin zu finden, den Herrn zu überzeugen, daß er keinen Trost habe.

Der befühlte nur nochmals das Haupt und den Nacken seines Weibes und versicherte, daß auch nicht die Spur einer Verletzung, nicht die leiseste Geschwulst erfindlich sei.

»Dann hat sie der Schreck getödtet, der Schlag getroffen,« entgegnete der unerschütterliche Joseph.

Es war über die Maßen peinlich. Mehr um 246 einen andern Ton hören zu lassen, als um eine Hoffnung aufzuzeigen, fragte Fridolin:

»Haben Sie nach einem Arzte geschickt?«

»Ja. Der Tagelöhner reitet nach der Stadt. Aber bis er wiederkommt. Ach Gott!«

Fridolin konnte nicht umhin, er legte dem Trauernden die Hände begütigend auf die Schultern. Er hatte nie geglaubt, daß die gewaltige Gestalt des Freiherrn so zusammenbrechen könnte, wie sie da am Bette kauerte. Der Hüne schien es nicht zu merken, daß der Andere ihn freundlich berührte.

Auch Joseph war nahe an den Herrn herzugetreten und versuchte seine Hand zu erlangen und redete wieder so vom Unvermeidlichen in seiner Art, die er für Tröstung hielt.

»Ach, mein guter Herr Major, was soll hier ein Arzt noch nutzen? Hier hat alles Doktern ein End'. Unsere gute Frau braucht keinen Arzt und keinen Apotheker mehr . . . nur noch den Todtengräber und den Schreiner vorher. Glauben Sie mir, unser guter Herr, wenn erst der Schreiner da ist mit seinem Werkzeug und Sie hören, wie das Brett über die Brettchen genagelt wird; und wenn Sie hören, wie der Todtengräber die Schollen auf den Sarg in der Erde kollern läßt, dann werden Sie's wohl glauben. Wir müssen Alle dran glauben. Und es ist ein Trost darin, daß wir armen Menschenkinder an nichts 247 etwas ändern können. Gott allein weiß, was er will und was wir können.«

Waldemar hatte bei den letzten Worten des unbarmherzigen Knechtes wieder die Hände seines Weibes ergriffen, als könnt' er sie erwärmen. Er beugte sich über sie, als späht' er nach einem Rest von Athem. Er streichelte ihre Wangen und küßte ihren Mund und redete leise mit ihr, als wollt' er sie kosend über so rohe Worte trösten.

Fridolin hatte den vorlauten Joseph zur Thüre gezogen. Er wollte ihn nicht noch einmal hier zu Worte kommen lassen. Er ertrug den Anblick Waldenberg's nicht länger.

»Es ist nicht möglich! nicht möglich!« hörten sie Diesen noch laut vor sich hinsagen, dann schlossen sie die Thüre sachte, wie sie sie geöffnet hatten.

Joseph blieb stehen und sprach zu Fridolin:

»So sagen sie Alle. Und dann glauben sie doch dran, weil sie müssen. Ja! Ich will aber nicht, daß der Herr sich in einen so müßigen Gedanken verrenne, der ihn auch noch verrückt machen kann.«

»Ihn auch?« erwiederte Fridolin und sah unwillkürlich nach der verlassenen Thüre zurück, als fürchtete er, Waldemar könne ihnen gefolgt sein und die letzten Worte seines Knechts gehört haben.

Der aber fuhr fort:

»Es ist hier auf Waldenberg eine böse Luft, die 248 dem gesunden Menschenverstand nicht bekommt. Bei der Frau war längst schon eine Schraube los . . . o, schon von Klein auf . . . ich weiß das, denn ich bin in ihrem Vaterhause geboren . . . Nun ist sie an ihrer Verschrobenheit gestorben. Mich wundert's nicht. Habe mir immer gedacht, daß das kein gutes Ende nehmen könnte. Bitte, betrachten Sie doch: hatte einen gesunden, schönen, braven Mann und ein aufrecht Hauswesen und wußte von alledem nichts, und hockte die langen Tage dort droben einsam und lichtscheu wie eine Nachteule im Thurm und geisterte dafür des Nachts auf allen Treppen und Gängen herum . . .«

»Reden Sie nicht so daher,« unterbrach ihn Fridolin, »der Schein trügt.«

»Der Schein?« antwortete Joseph. »Der Feuerschein wohl auch? Oder wie denken Sie sich denn das, wenn oben mitten im Zimmer der gnädigen Frau ein Feuer angeht, solch' ein Feuer? He?«

Fridolin sah den Andern befremdet an.

»Zufall . . . Unvorsichtigkeit . . . mein Gott, wie entsteht ein Unglück? Hinterher ist gut salbadern. Aber Er versündigt sich, wenn Er so schwatzt.«

Joseph zuckte die Achseln und ging, und Fridolin dachte immer dasselbe, was Joseph gesagt hatte, wenn er sich auch anders dabei ausdrückte.

Wer hatte denn nun Recht in der Beurtheilung 249 der Frau von Waldenberg? Der treue Diener, der sie von Jugend auf betrachtete, wenn auch mit blöden Augen, oder Fridolin, der Menschenkenner, der Jedem hinter Brust und Hirnschale lesen zu können meinte? Vielleicht hatte Jeder in seiner Art Recht.

Wenn aber wirklich Joseph, wie groß war dann die Mitschuld Fridolin's an jener Feuersbrunst?

Solch' ein Gedanke war auch ein Brandmal, und er schmerzte und hinderte Fridolin noch empfindlicher am Schlafen, als es die Blasen auf seiner Haut thaten.

Noch einmal, mitten in der Nacht, trieb's ihn hinauf vor Waldemar's Kammer.

Er horchte, es war Alles still drinnen. Aber als er die Thür aufklinkte, fand er den Major nicht schlafend, wie er gehofft hatte, sondern in der nämlichen Stellung, wie er ihn vor etlichen Stunden verlassen hatte, und von derselben Lampe beschienen, lag auch Leonilla nach wie vor blaß, starr und regungslos auf dem weißen Lager, das der verarmte Waldenberg im unaussprechlichen Schmerze schlaflos hütete. 250

 


 


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