Gustaf af Geijerstam
Frauenmacht
Gustaf af Geijerstam

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Achtzehntes Kapitel

Von diesem Abend an suchte ich Elise jeden Tag auf, wenn ich fühlte, daß die Einsamkeit mir gefährlich wurde, und immer hatte sie ein Stündchen für mich übrig. Sie half mir besser als ein Arzt. Denn sie nahm mein ganzes Leiden auf ihre eigenen Schultern und machte mich wieder zu einem gesunden Mann. Wie sie es tat? Welche Mittel sie anwendete? Wie könnte ich das je erzählen? Ich wurde nicht in einem Tage, nicht in einer Woche oder einem Monat geheilt. Es bedurfte langer Zeit dazu. Und ich war kein leichter Patient.

Elise aber war unermüdlich. Sie fand Mittel, um mich zu zerstreuen, sie überredete mich zur Arbeit, lockte mich, Musik anzuhören, und führte mich unter Menschen. Alles dieses kann ich in Worten ausdrücken, und doch ist damit nichts gesagt. Was sie auch getan hätte, sie hätte dasselbe erreicht. Es war das Gefühl, daß sie mit mir lebte, mit mir litt, welches mir die Gesundheit wiedergab und mich mit einer grenzenlosen Dankbarkeit erfüllte. Ihre Macht über mich war unbeschränkt. Jedes Wort aus ihrem Munde kam mir wie etwas Selbstverständliches vor, etwas, von dem ich im voraus wußte, daß sie es sagen würde, und das überhaupt nicht anders gesagt werden konnte. Alles, was sie tat, war im Zusammenhang mit einer Natur, deren Ganzheit ich verstand und deren Wert ich schätzte. War ich in einer Gesellschaft zwischen noch so vielen Menschen, brauchte ich Elise nicht einmal anzusehen. Ich erriet ohnedies ihre Gedanken, und sie trafen mich, als hätte ich nur sie allein gesucht. Wenn sie mich ansah, kannte ich ihre Worte, ehe sie sie ausgesprochen hatte. Jede Bewegung ihres Körpers verlieh mir Ruhe und Harmonie, und wenn wir allein waren, genoß ich nichts so sehr, als wenn das Schweigen sich über uns herabsenkte und wir uns still daran freuten, einander nahe zu sein. Ja, es kam vor, daß sie unerwartet in ein Zimmer trat, in dem ich mich befand. Ich hörte sie nicht, weil das Zimmer voller Menschen war und alle laut durcheinander sprachen, ich sah sie auch nicht, aber ich empfand ihre Nähe in meinem ganzen Wesen wie einen elektrischen Strom.

Gerade während dieser Zeit sprach Elise oft über sich selber. Anfangs kam es vielleicht daher, weil ich es tat; es ist aber auch möglich, daß sie erst eigentlich über sich mitteilsam wurde, als sie darin ein Mittel zu finden glaubte, mich von meinem eigenen Ich und den trübsinnigen Gedanken abzubringen. Wenn sie über sich und ihre Verhältnisse sprach, tat sie es indessen nicht in der Weise, wie Menschen es sonst bei vertraulichen Mitteilungen zu tun pflegen, wo dann immer etwas wie halber Vorbehalt und scheue Diskretion vorherrscht. Nein, sie sprach, als hätte niemand sie gehört, und ich glaube, daß sie mir sehr wahrscheinlich die Gesundheit und das Gleichgewicht gerade dadurch wiedergab, daß sie sich in dieser Weise ruhig, fast heiter, ohne Spur von Koketterie rückhaltlos offen aussprach.

Elise erreichte also ihr Ziel, aber sie erreichte es langsam und schließlich auf einem Wege, von dem sie sich nie hatte träumen lassen. Als aber der Schatten endlich wich, war wiederum alles verändert.

 


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