Gustaf af Geijerstam
Frauenmacht
Gustaf af Geijerstam

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Fünftes Kapitel

Im Leben der meisten Menschen kommt eine Zeit, da man, wenn auch nicht alles, so doch viel vergißt, da neue Verbindungen eingegangen werden und alte in den Schatten treten, da alles neu wird und das Vergessen des Vergangenen mit dem Glück in der Gegenwart zusammenhängt. Das ist, wenn man sich verliebt, wenn man daran arbeitet, sich ein Nest zu bauen, und nur von einem einzigen Glückstraum beherrscht wird, der alles andere in völlige Kleinigkeiten verwandelt. Während dieser Zeit, die auch für mich einmal kam, vergaß ich Hugo Brenner ganz und gar, und als ich ihn zufälligerweise eines Tages wiedertraf, fühlte ich mich verlegen, weil ich eine Treulosigkeit begangen hatte, hoffte aber gleichzeitig, daß sie mir verziehen würde.

Er kam auch sofort auf mich zu – es war an einem schönen Frühlingstage – rief mir schon von weitem Guten Tag entgegen und schüttelte mir in bester Laune die Hand.

»Was denkst du diesen Sommer zu tun?« war seine erste Frage.

War es vielleicht die Frühlingssonne, die diese Frage hervorrief, welche sonst aus Brenners Munde ungewöhnlich geklungen hatte? Ich antwortete, froh, daß er weder verstimmt noch beleidigt aussah, im selben Ton:

»Am nächsten Sonntag werden meine Braut und ich zum zweiten Male aufgeboten. In zwei Wochen heiraten wir. Darauf zieh' ich mit meiner Frau nach Skärgarden hinaus.«

Hugo Brenner wußte natürlich sehr gut, daß ich verlobt war. Aber während der letzten Zeit hatten wir uns allzu selten getroffen, als daß er hätte wissen können, wie nahe meine Hochzeit bevorstand. Er war deshalb froh überrascht, und es rührte mich sehr, daß er auch nicht im mindesten sich dessen zu entsinnen schien, wie ganz ich ihn selber vergessen hatte. Er legte beide Hände auf meine Schultern, und es kam ein zugleich weicher und jugendlicher Ausdruck in sein Gesicht.

»Tust du das?« sagte er. »Das ist recht. Das hätte ich in deinen Jahren auch tun sollen. Dann wäre manches anders gewesen.«

In diesem Augenblick kam er mir so jugendlich vor und so voller fast zärtlicher Teilnahme, daß es mir beinahe schien, als stünde ich vor einem neuen Menschen. Ja, die ganze Art und Weise seines Benehmens gab mir plötzlich den Mut, mich mit einer Bitte hervorzuwagen, die ich bisher, da ich seine Zurückgezogenheit kannte, stets auf eine passendere Gelegenheit verspart hatte. Diese schien mir jetzt gekommen, und indem die Reihe nun an mir war, stillzustehen, sagte ich:

»Und nun mußt du mir das Versprechen geben, mich zu besuchen, wenn ich ein eigenes Heim habe.«

Brenner antwortete zuerst nicht. Aber er nahm seine Hände von meinen Schultern, und seine Augen blickten weg. Darauf zog er meinen Arm unter den seinen, und indem wir das Straßentrottoir entlang schritten, sagte er:

»Ich nehme großes Interesse an dir. Und ich werde dich niemals mehr aus den Augen verlieren. Ich bin dir auch dankbar, daß du Geduld gehabt hast mit einem so kuriosen alten Einsiedler, wie ich bin. Aber ich verspreche dir nicht, daß ich dich besuchen werde. Ich verspreche es nicht. Damit soll aber nicht gesagt sein, daß es nicht trotzdem sehr wohl mal geschehen könnte. Wenn man so alt geworden ist wie ich, hat man allerdings seine Gewohnheiten. Und die gibt man nicht auf, weil ein junger Freund hingeht und heiratet.«

Damit trennten wir uns. Aber an meinem Hochzeitsmorgen bekam ich von Hugo Brenner eine Karte, in der er mir Glück wünschte.

 


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