Friedrich de la Motte Fouqué
Der Zauberring
Friedrich de la Motte Fouqué

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Fünftes Kapitel

            Weit in dem Meer, Archipelagos genannt,
da liegt eine Insel, schöne, groß, weit bekannt,
Frisch, hell und golden von Ähren, Obst und Wein.
Da soll's in der Heidenzeit geschehen sein,
Daß drauf ist geboren worden der Zauberer,
Den für 'nen Gott sie gehalten alle nachher.
Die Insel heißt Kreta, und Zeus der magische Held,
Der hat es mit Sprüchen also gut bestellt,
Daß sein Geburtsland stets in sel'ger Pracht
Von tausend guldigen, lockenden, lustigen Gaben lacht.
Dort war gepflanzt vor nicht allzulanger Zeit
Ein Röslein helle, unmaßen an Zierlichkeit,
So daß man's über das ganze blühende Land
Als der Blüten zarteste Blüte hat erkannt.
Das Röslein kam von der Stadt Damaskus herein,
Und ward gepfleget von einer Magedein,
Die man auch aus Damaskus, der fernen prächtigen Stadt,
Auf dieses Eiland mit Raub geführet hat.
Sie wollte pflanzen das Rosenzweiglein just,
Da hat sie der Räuber gestört in der Blumenlust,
Doch trug sie das Zweiglein mit in ihrem Kleid
Von da bis Kreta über das Meer so weit.
Hier war es bekommen gut am Inselstrand,
Gepflegt von Mädchenblicken und Mädchenhand;
Die Rose von Damaskus vor andern glüh'nd,
Das Mädchen von Damaskus vor andern blüh'nd.
Da hat sie gesprochen zur Ros' oft heimlicherweis:
»Wir sind hier beide fremd, du armes Reis.
Woll'n zusammenhalten an diesem Inselstrand,
Uns aneinander knüpfen mit festem Band.
Von uns soll keine scheiden zur Heimat fort,
Die andre käme denn mit zum frohen Port;
Und eine soll welken, wenn man die andre knickt.« –
Da war's, als hätte die Rose dazu genickt. –
Nicht lange darnach, so schaute das Mägdlein aus
Durchs Fenster ins Meer, da war viel Wogenbraus,
Und kommt ein kleines Boot gerudert herbei,
Drauf ein herrlicher Mann, so frank und frei,
Schlägt rechts und links mit den Rudern das wilde Meer,
Als ob's ein Knecht, ein empörter Knecht ihm wär',
Den er tät züchtigen nach gestrengem Recht,
Und beugte sich vor ihm der bezwungene Knecht.
Der Schiffer mit Adleraugen gewahrt von fern
Am hohen Fenster den leuchtenden Mädchenstern,
Rudert herbei, legt an bei dem goldnen Zaun,
Fragt: »Wer bist du da oben, du Preis der Fraun?«
Sie drauf: »Ein Königskind, von Räuberhand
Fern aus Damaskus gewaltsam her entwandt.«
Und er: »Da kommt es dir wohl hier einsam vor?«
Drauf sie: »Mich labet des holden Rösleins Flor;
Das siehst du blühende, lachende dorten stehn,
Mit mir mußt' her es von Damaskus gehn.«
»Ei«, rief da der Schiffer, »ich hab gewonnen ein Schwert,
Das hielt man in Damaskus vor allen wert;
Maid, Ros' und Schwert aus Damaskus, das sind drei,
Das Schwert mach Ros' und Maid so leichtlichen frei.
Vertraue dich mir. Ich rette dich, wenn du's wagst.«
»Wer bist du, Schiffer, daß du so Kühnes sagst?« –
»Ich bin kein Schiffer, ich bin ein Rittersmann,
Streife durch Feld und Wiese, durch Meer und Tann,
Jage nach Beut' und Lust, in Freud' entbrannt,
Und Hygies heißen sie mich in diesem Land.«
»Bist Hygies du, der gewalt'ge, fremde Held,
Von dem die Rede singend und preisend schwellt,
Der schon so viel gewonnen mit seiner Hand,
Auf Inseln und Küsten, im Griechen- und Perserland,
Ei Herr, da werd' ich von dir bald heimgebracht.«
»Das, glaub' ich, Maid. Ich hol' dich noch diese Nacht.«
»Und hast du, Herr, ein Schiff auch, oder ein paar?«
»Wohl, Maid, doch kommen die erst im künftigen Jahr!«
»Um Gott, wo willst du mich bergen bis dahin?«
»Zu Hygies Ziel find't Wege der Hygiessinn.«
Da nickte sie mild ihm zu, er fuhr vorbei.
Nachts legt' er die Leiter an; da ward sie frei. –
Tief in den Bergen mit grünbewachsnem Kranz
Liegt eine Höhle, geräumig, heimlich, verborgen ganz,
Davon das Schrecken die Menschlein hält gar weit.
Dort soll geboren sein vor uralter Zeit
Der Donnerer Zeus, das zaubrisch Kindelein.
Keiner geht ohne Not hinzu, hinein.
Da drinnen verbarg im allertiefsten Platz
Der Hygies seinen leuchtenden, lächelnden Schatz,
Und kam, zu kosen mit ihm, oftmals bei Nacht,
Hat Wein und Speis und Teppiche mitgebracht.
Aber die Maid sprach immer mit Seufzen ihn an:
»Du wirst mein Retter, ach bist schon mein lieber Mann;
Sorge mir denn, ach sorge mit treuem Sinn,
Daß mir mein Rosenstöcklein nicht welke hin.
Hast du aus Damaskus gewonnen dir Maid und Schwert,
O halt' aus Damaskus dir auch die Rose wert.« –
Und er pflegte der Maid, und hegte die Rose gut. –
Weitum im Lande mit strebendem, staunendem Mut
Suchten sie um und um durch das ganze Jahr,
Und wußten's nicht, wo die Maid geblieben war.
Der Hygies aber, der wußt' es mit Freuden wohl.
Und weil ihm nicht ganz gefiel das tiefe Hohl,
Um zu herbergen sein damaszenisch Lieb,
Tat er mit damaszenischem Schwerte manchen Hieb,
Hinein in die felsigen Hallen, tief ins Gestein,
Daß alles mußt' eine räumige Wohnung sein.
Man sagt, nicht Fürstin hätte je Haus gekannt,
So schön als dies in des Donnrers Felsenwand. –
Liebe bringt Leide. Heimliches Kosen bringt Frucht.
Heldenminne schafft künftiger Helden Zucht.
Eh' noch zu Ende gegangen das Liebesjahr,
Geschah' es, daß die Fürstin ein Kind gebar,
Ein herrlich Kind, ein Knäbelein kühner Art,
Dem Donnrer Zeus schon durch die Wiege geschart.
Das drückte der Hygies froh ans Vaterherz;
Da ward zu lichter Freude der Mutter Schmerz. –
Und nicht mehr lange, so leuchtet' es her und schwoll
Übers Meer von weißen Segeln, günstigen Windes voll,
Die gehörten den reichen Hygiesschiffen zu;
Da ward am Abend geankert in stolzer Ruh,
Und kamen Boten zum ritterlichen Herrn.
Der hörte so frohe Kunde von Herzen gern,
Ging zu der Damaszenerin nachts hinein,
Führte sie aus dem Berg in den Sternen- und Mondenschein,
Und wie sie wandeln mitsammen in stiller Lust,
Schlafend das Kind an der lieben Mutterbrust,
Da seufzt die schöne Frau so bang, und spricht:
»Ach Gott, wie mir's durch alle Freuden bricht!
Soll ich das Röslein lassen hier am Strand?
Haben einander doch so wohl gekannt,
Einander so lieb gehalten in unserm Leid,
Es uns verheißend, würde die eine befreit,
Die sollte die andre mit sich führen hinaus.
Dort steht das Röselein. Lieber, grabe mir's aus.« –
Das will der Ritter nicht, treibt zur Eile fort;
Tief seufzet die Frau, geht schweigend vorüber am lieben Ort.
Da wirrt sich in ihr faltiges Gewand
Der Rosenstrauch fest ein, wie mit dorniger Hand,
Reißt zurück die Eilende zu sich hin,
Daß sie aufschreit sinkend, weiß nicht vom eignen Sinn.
Kaum fängt der Hygies noch den Knaben auf,
Sie selber liegt still und starr. Da kommt's im Lauf,
Kommt aus jedem Pförtlein und jedem Tor,
Vom Schrei geweckt, in rüstiger Meng' hervor,
Kretische Männer, mit Waffen und Fackeln hell.
Die erkennen die schöne Maid aus Damaskus schnell,
Wie sie da liegt am blühenden Rosenstrauch,
Wollen sie haben, wolln fangen den Hygies auch.
Doch mit dem Hygies ward es ein andres Spiel,
Der hieb umher, daß, wer sich ihm nahte, fiel,
Und troff die Damaszenerklinge von Blut.
Verschüchtert standen sie mit gebrochnem Mut.
Dann grimm mit Pfeilen und Lanzen schossen sie drein;
Wohl deckte der Hygies sich und die Lieben sein,
Bis unterm goldnen Schildrand ein Pfeil hin drang,
Der recht ins Herz der lieblichen Herrin sprang.
Da ging sie aus Ohnmacht in den sanften Tod,
Von Rosenblättern und eigenem Blute rot.
Den Knaben führte der Ritter unterm Schild
Mit sich ins Schiff, von Trauer und Rache wild,
Mußte lassen die Ros' und die Frau am Strand,
Trug von Damaskus nur Schwert von seiner Hand,
Und auch den Knaben, der ward nachher ein Schwert,
Das war viel hunderttausend leuchtender Klingen wert.

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