Friedrich de la Motte Fouqué
Der Zauberring
Friedrich de la Motte Fouqué

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Viertes Kapitel

Tages darauf zeigte sich ein Mohrenritter in den Vorgemächern des Fräuleins von Lichtenried, fragend, ob es dem Emir vergönnt sei, vor der edlen Herrin zu erscheinen. Bertha erteilte die gebetene Erlaubnis; ja, sie empfand eine Art von Freude über Nureddins Kommen, teils durch den Wunsch angereizt, zu wissen, in welche Hand sie denn eigentlich ihr seltsames Geschick geleitet habe, teils auch nicht ungünstig gegen den Araber gestimmt, durch sein ganzes Benehmen, und durch eine dunkle Ähnlichkeit, die sie in seinen Zügen mit einer anmutigen Erscheinung fand, welche sie irgendwo erblickt haben mußte, ohne sich das Wie und Wann deutlich angeben zu können.

Als der eingetretne Emir sich ehrerbietig verneigt, und nach morgenländischer Sitte dem Fräulein gegenüber auf einigen Polsterkissen Platz genommen hatte, sagte Bertha: »Ihr habt gestern ein strenges Gericht gehalten, Herr, nicht nur als Rächer der Schuld, sondern auch als Bewahrer Eures fürstlichen Wortes, dem Erben Alhafiz einhändigend, was ihm des Verfemten Raubtat gewann. Wie kommt es denn nun, daß Ihr nur gegen mich dies strenge Recht aus den Augen laßt? War der Alhafiz ein todwürdiger Räuber, so bin auch ich all Eurer Ansprüche ledig und frei, wie ein Vogel in der Luft.« – »Das seid Ihr, Herrin«, entgegnete der Emir, »und es kommt einzig auf Euch an, welche Weltgegend Ihr mit Euerm Glanze durchleuchten, mit dem holden Klang Eurer Stimme in Frieden singen wollt. Nur kann ich Euch jetzt nicht geleiten, darf es nicht, weil ein Tun, das Gott und sein Prophet in meine Seele gelegt haben, magnetisch über meine Wege gebeut. Harret nur noch wenige Tage, begleitet mich auf einer kurzen Seefahrt, und Ihr reiset unter Nureddins Schutz, wohin Euer Herz begehrt. Vielleicht aber ist dann Euer Herz gewandelt, und begehrt nichts andres, als immerdar unter Nureddins Schutze zu verweilen.« – »Das denk' ich nicht, Herr«, entgegnete Bertha ernst, »und um es Euch zu beweisen, verlang' ich, daß Ihr sogleich ein schickliches Geleit anordnet, welches mich an die gasconische Küste führt.« – »Wenn Ihr darauf besteht«, sagte der Emir nach einigem Schweigen, »gut, so sei es denn also.« – Aber wieder schwieg er still, und schaute sie lange funkelnden Blickes an, bis er endlich in die Worte ausbrach: »Dich sollt' ich lassen? Dich, herrliche Bildung, himmlischer Geist, hinziehen lassen mit fremdem Geleit in ein fernes Land? Wenn sie dich nun nicht ehren, wie sie sollen, wenn sie dich nun beleidigen mit Wink oder Wort, oder mit rohem Klang ihrer Stimme, – muß ich nicht im Zorn aufrasen bei dem bloßen Gedanken? O vertraue dich nur mir, mir ganz allein nur an. In Vaterarmen hast du nicht sichrer geschlafen.« – Wirklich lag etwas Väterliches, Reines in des Emirs Glut, so daß Bertha sie nicht scheuen konnte, und sich, außer auf ihren Bruder, auf niemanden zu besinnen wußte, in dessen Schutze sie sich so ruhig und sicher hätte fühlen mögen. Sie drang nicht weiter auf ihre schnelle Fortsendung, und nahm nur des Emirs Wort, sie ihrem Willen nach zu geleiten, sobald es irgend sein könne. Er gab es mit großer Treuherzigkeit, und mit sittiger Freude über der Jungfrau Vertrauen, welche nun in den Tagen bis zur Einschiffung sich mit dem Palast und seinen reichen Wundern an mannigfachem Prachtgeräte, seltsamen Büchern und herrlichen Kunstbildungen bekannt zu machen strebte.

Reich sind die asiatischen Lande, und vor allen übrigen Teilen der Erde gesegnet, gleich als habe die Natur noch immer die heilige Sagengegend lieb, in welcher zuerst ihr herrlichstes Kleinod, der Mensch, aus ihrem paradiesischen Schoße entsprang, und wo späterhin ihr und dem Menschen noch unendlich größeres Heil widerfuhr. Was dort des Edelsten und Glänzendsten erwächst, sei es im Geiste der Bewohner, sei es in Wald und Wasser und Feld und Flur, das hatte der Emir, soviel es die zarte Natur so holder Blüten vergönnte, in seinem Schlosse auf mannigfache, erfreuliche Weise aufgestellt und geordnet. Er selbst ging wie ein mächtiger Zauberer durch die vielen anmutigen Rätsel hin, deren jedes er im rechten Sinne zu lösen wußte, und an das Herz desjenigen zu legen, den er des Hörens würdig fand. Und zu wem hätte er lieber von all dem Höchsten und Besten, was seine Seele kannte, sprechen wollen, als zu Bertha, daher sich denn beide oft mit gleichem Vergnügen in den wundersamen, kühn durchschlungenen Bogengängen des Palastes antrafen, oder in den schattigen Laubgewölben, auf den hellgrünen Wiesenplätzen, an den klaren Wasserspiegeln und silberregnenden Springbronnen des Gartens. Mit vorzüglicher Lust horchte Bertha auf die Sagen und Märchen, die Nureddin teils von künstlich beschriebnen Palmenblättern ablas, teils als feierliche Überlieferung halb in Rede, halb in Gesang, frei von den Lippen tönen ließ. Sie gewann eine solche Freude daran, daß sie begehrte, die arabischen Worte und Schriftzeichen kennen zu lernen, in welchen die anmutigen Schätze enthalten waren, und wie sie nun versuchte, die fremden Laute nachzusprechen, gewannen diese einen dem Emir ganz neuen Reiz in dem holden Sprachtone Berthas, an welchem sie vielleicht alle andre Frauen des Erdrundes übertreffen mochte.

Eines Tages ging sie mit Nureddin in einem Laubgange von hohen Lorbeerbäumen auf und ab, wo er ihr folgende Geschichte erzählte.


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