Friedrich de la Motte Fouqué
Der Zauberring
Friedrich de la Motte Fouqué

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Vierundzwanzigstes Kapitel

In seinem Gemach entwaffnete sich Otto, und schmückte sich zu dem glänzenden Verlobungsmahle, nach welchem Gabriele sich feierlich für seine Braut erklären wollte. Knappen und Edelknechte drängten einander, teils ihm von der ersiegten Jungfrau zur Bedienung gesandt, teils mit Halsketten, Ringen, Barettfedern und andrer Zier für ihn aus ihren schönen Händen begabt. Im süßen Taumel seines Glücks, und dessen Widerscheines aus all den leuchtenden Farben um sich her, befremdete ihn Tebaldos Abwesenheit erst dann, als er einsam in einen Saal trat, wo ihn Gabriele hinbeschieden hatte, um sich von da feierlich an seiner Hand in das prächtige Speisezimmer führen zu lassen. Schwellend sein Herz von alle dem Heile, das über ihn so reichlich hernieder tauete, hätt' er es gern im traulichen Gespräche entlastet, und sann staunend darüber nach, warum sich Tebaldo noch immer nicht blicken lasse. Da trat dieser aus einer Seitentür in die Halle, so ungewöhnlich bunt und wunderlich ausgeziert, daß ihn der Ritter zu Anfang nicht gleich erkannte. Es bemerkend, sagte Tebaldo: »Ja, ja, Ihr habt nicht unrecht, denn ich sehe verwandelt aus. Aber es verwandelt sich ja alles in der Welt. Da schaut einmal selbsten hin, ob hier noch der Rittersmann in dem schwarzsilbernen Adlerharnisch mit einem einzigen Gedanken zu erkennen ist.« – Und leicht gewandt hatte er den Ritter einem großen Wandspiegel gegenüber gestellt, vor dessen leuchtendem Bilde, wie es ihn selbst zurückstrahlte, der adelige Jüngling mit staunendem Erröten stehen blieb. Wie eine Blume aus ihren reichen Blättern funkelte das lichte Antlitz aus der dichten Spitzenhalskrause hervor, wohlgeruchduftend kräuselte sich unter samtgrünem Barett des goldnen Haares Gelock, goldner fast, als die prächtige Agraffe, welche des Hauptschmuckes reichschwankende und wallende Federn zusammenhielt; das weiß samtne Wams, durchkreuzt von grün und goldenen Aufschnitten, über den Hüften zusammengegürtet vom ganz goldenen Schwertkoppel, schmiegte sich zierlich an den kräftigschlanken Leib, drüber hin fiel in geordneten Falten der kurze Mantel, mit Hermelin aufgeschlagen, mit Perlen besäumt. – »Nun?« sagte Tebaldo nach einer Weile mit fast höhnischem Lächeln; »das ist doch wohl nicht das Reisekleid nach Jerusalem?« – »Ebensowenig, als du das deine so nennen kannst«; entgegnete Otto, sich unwillig abwendend. Aber Tebaldo sagte: »Verzeiht, edler Herr; ein Reisekleid ist meines doch, und wenn Ihr einen kleinen Umweg nicht allzuhoch in Anschlag bringt, auch eines nach Jerusalem. Ich trage die Farben des Grafen Vinciguerra – Ihr wißt, die sind auf hell-italischer Weise ein wenig bunt – und ziehe mit ihm noch in diesem Augenblicke nach meiner blühenden Heimat fort, und so über Napoli zu Schiffe in den heiligen Krieg unter Löwenherzens Schar.« – »Was hab' ich dir zuleide getan?« rief Otto schmerzhaft aus. »Was willst du mich verwunden in meinem höchsten Glück?« – »Ihr habt mir nichts zuleide getan«, erwiderte freundlich Tebaldo, »aber Ihr wißt, ich suche der Waffen Spiel und nicht des Hauses Frieden; drum sprachet Ihr ganz recht heute früh; ich waffnete Euch wirklich zum letztenmal. Kriegslust und noch vieles andre reißt mich fort. Ich möchte gern wieder einmal an dem Blumenhügel knien, wo Lisberta schläft. Gott weiß, warum sie mich als Kind so oft haben dort spielen lassen; nun ist es, als wäre darunter meines Lebens bester Schatz begraben, und ich muß bisweilen hin. Was aber das betrifft, mein lieber Ritter, vom Euch Verwunden in Euerm höchsten Glück, so sagt mir freundlich Dank dafür, falls ich es wirklich tue. Wißt Ihr denn nicht, daß man den allzuvollsaftigen Bäumen Wunden ritzt? Und kennt Ihr die Geschichte vom Polykrates, der seinen Ring ins Meer warf, den Neid des Glückes zu versöhnen? Laßt mich der Ring nur sein, und gebe Gott, daß mich kein Hecht in Eure Hand zurückbringe.« – »Was eilst du denn aber so sehr«, sagte Otto. – »Das ist des Grafen Vinciguerra Schuld«, sprach Tebaldo, »ich hab's ihm einmal angelobt, nach seinem Willen mit ihm zu reisen.« – »Und der?« fragte Otto. – Tebaldo entgegnete lachend: »Er hat denn doch einen kleinen Ärger auf Euch, wegen jenes Hofmeisterns aus Euerm jugendlichen Mund. Ihr wißt ja noch, bei der Geschichte des jungen Messer Donatello. Denn im Vertrauen hat er es mir gestanden: der junge Messer Donatello war er. Und da kann er es nun nicht wohl vertragen, Euch im vollen Glanze als die Hauptperson des Festes zu sehn. Er wollte schon vor Ärger umsinken, als er Euch das Ringeskästlein geben mußte. Laßt mich im Lachen darüber scheiden, lieber Ritter, und keine traurige Stimmung komme zu Wort.« – Otto sagte weichmütig: »Du hast es wohl ganz vergessen, wie schwer dir das Scheiden ankam, damals, als wir uns des Falken wegen entzweit hatten?« – »Ja, eben weil wir uns entzweit hatten«, entgegenete Tebaldo. »Jetzt aber scheiden wir in vollem Frieden, und ich laß Euch bei einer himmelschönen Braut in allem Heil und Segen zurück. Bekomm's Euch gut!« Und damit war er freundlich nickend aus der Tür, und als Otto endlich langsam an das Fenster trat, gaukelten die beiden Italiener in ihren regenbogenfarbigen Röcken schon wie zwei bunte Papageien den Schloßberg lustig hinab.

Der junge Deutsche sah ihnen mit Verwunderung und Betrübnis nach, da legte etwas die Hand auf seine Schulter, und sich umwendend, blickte er in den vollen, prächtig geschmückten Lichtglanz von Gabrielens Schönheit. War schon die hülfesuchende Jungfrau beim Gefecht unendlich reizend anzuschauen gewesen, so überstrahlte nun die bräutliche Siegerin jenes holde Bild noch weit. Der Juwelenkranz, welcher auf ihren seidnen Locken funkelte, der schwarze, goldbespangte Sammet, der ihren schönen Leib umfloß – es waren nur matte Folien der wunderbaren Schönheit jedes ihrer Züge, jeder ihrer Bewegungen. Und in all dieser Herrlichkeit, neigte sie sich mit edler Demut vor dem jungen Ritter, fragend: »Wie so ernst und mißvergnügt, mein hoher Herr? Kann Gabrielens Hand Euch nicht die Flucht zwei launischer Gesellen vergüten? – Kommt – unsre Gäste warten – kommt, führt mich in den Saal.« – Von all den holden Worten durchblitzte das unser bei Erwähnung der Gäste den Sinn des glücklichen Verlobten mit den freudigsten Flammen. Er küßte des Fräuleins zarte Hand, küßte – ein milder Blick sagte ihm, daß er es dürfe, – ihre blühenden Lippen, und trat voll nie empfundner stolzer Freudigkeit an ihrem Arm in den glänzenden, von zahlreich edlen Gästen wimmelnden Saal.

Alles neigte sich glückwünschend und Raum gebend, milde Blasinstrumente spielten einen fröhlichen Marsch, Blumen flogen aus den Händen edler Jungfrauen auf das sittig dankende und errötende schöne Paar, und an der Tafel obres Ende gelangt, zeigte Gabriele ihrem Bräutigam den edlen Folko von Montfaucon, welcher dort auf einem seidnen Ruhebette lag, von seiner Schwester Blancheflour unterstützt und gewartet. – »Ich wußte wohl«, sagte Gabriele zu Otto, »daß ich Euch auf der Welt nichts Freudigeres zeigen könnte, als Euern edlen Widersacher so weit genesen, und mit in unserm Kreise froh.« – Dankend über ihre Hand gebeugt, sprach Otto: »Ich konnte ja wissen, daß nichts für Eure Macht zu schwer sei, holde Fee.« – »Still, still von meiner Feienmacht!« lächelte Gabriele. »Ihre besten Heilungskräfte liegen in dem Ringe, den Ihr mir erfochten habt.« – Folko hatte sich indessen mit Blancheflours Hülfe in die Höhe gerichtet, etwas bleich noch, aber sehr freundlich lächelnd, und streckte dem siegenden Trautwangen seine gesunde Rechte entgegen, welche dieser mit Rührung drückte, und kaum sie, wie eines väterlich sorgenden ältern Bruders Hand, zu küssen sich enthalten konnte. Man ließ sich nun zum Mahle nieder, und jedermann hatte seine Freude an Folkos huldreichem Anblick, wie die schlanke Heldengestalt unter blausamtnen, mit reichen goldnen Fransen gezierten Decken, in so prachtvoller Anmut dalag, seinen gleichfalls noch wunden edlen Falken auf dem Hauptkissen, der sich oftmals schmeichelnd herunterneigte, aus seines Herren goldnem Becher nippend. – »Man behandelt mich hier, wie ein krankes Kind«, sagte Folko deshalb zu der Gesellschaft mit lächelnder Entschuldigungsverneigung. »Man läßt mir mein Spielwerk bei Tische.« – Es gab einige Sangesmeister, die ihn heimlich flüsternd mit dem schönen Adonis, dem wunden Liebling der Heidengöttin Cypris, verglichen, und man fand, daß sie recht hatten.

Indem sie nun allesamt recht vergnüglich an der von würzigen Speisen blühenden, von hellen Weinen duftenden Tafel beisammen saßen, ließ sich vor der Burg der schmetternde Ton eines ungeheuern Hornes vernehmen, und gleich darauf trat ein riesengroßer Mensch in voller, schwerklirrender Waffenrüstung, eine gewaltig hohe Hallebarte in der Faust, durch die Türe herein, sahe sich in der ihn anstaunenden Gesellschaft einige Augenblicke forschend um, und ging dann mit höflicher Neigung des Hauptes auf den Ritter Folko von Montfaucon zu. – »Mein edler Herr«, sagte er, »ich bin vom Seekönig Arinbiörn, Euerm Vetter und Freund, hier hereingesandt. Er hält vor Euerm Haus, und hat sich so weit ins Land hereingemacht, einzig und allein, Euch zu besuchen. Da will er nun hören, ob Ihr wohl Lust und Gelegenheit hättet, Ihn bei Euch zu bewirten, samt einigen edlen Jungfrauen und Recken in seinem Gefolg. Die eine von den Jungfrauen ist aber etwas wunderlich.« – »Hätte ich hier noch zu befehlen«, entgegnete Folko, die funkelnden Augen ein wenig gegen den Boden gesenkt, »so würde mich die Wunde, an der ich darnieder liege, nicht abhalten, Euerm edlen Herrn, wo nicht entgegenzugehen, doch mindestens entgegenzuschwanken. So aber« – Gabriele unterbrach ihn mit freundlichem Zürnen, sprechend: »O tapfrer Freiherr, wenn Ihr Euch nicht ganz hier betragt, als des Hauses Wirt, so jagt Ihr mich und meinen Kämpfer hinaus.« – »Da ist es ein anders«, sagte Folko, gegen den Fremden gewandt. »Euer Herr und sein Gefolge sollen höflichst willkommen sein, und entgegenziehn will ich ihm auch.« – Er regte sich auf seinem Lager, aber in Blancheflours ängstlich bittende Augen sehend, sprach der riesige Bote: »Mein Herr, das muß ich in Seekönig Arinbiörns Namen verbitten. Wenn eben ein rüstiger Mann auch an so was nicht stirbt, so hat doch das schöne Jungfräulein dort neben Euch Ängste deshalb. Und die soll biderber Held ja süßem Weibe sparen, wo er nur irgend kann. Drum bitt' Euch, so lieb Euch meines Herren Wünsche sind; dasmal bleibt ruhig auf der Streu. Der Seekönig ist im Augenblick zu Euch herein.« – Damit schüttelte er ihm die rechte Hand mit derber Freundlichkeit, und schritt grüßend wieder aus dem Saal.

»Der Seekönig Arinbiörn«, sagte Folko zu der ihn mit den Augen befragenden Gesellschaft, »ist ein tapfrer Normann, mein Anverwandter von den alten Zeiten her, wo unser Stamm sich teilte, und der Zweig, welchem ich zugehöre, aus jenen eisigen Bergen sich in Frankreichs milde Gauen herüberschlang. Wir haben immer seit daher gute Vetterschaft miteinander gehalten; in manchen ernsten Taten auch Waffenbrüderschaft, die mir zu großem Heile gereichte, da Arinbiörn Seekönig ist. Sie geben diese Benennung dort in den hohen Küstenlanden solchen Helden, die auf dem festen Boden nur wenig, oft gar nichts Eignes besitzen, aber auf ihren Barken, in tapfrer, ihnen ganz ergebner Mannen Genossenschaft, die Erde umschiffen, von jenseit des Norderkaps her, ja vom fernen Island herunter, bis an die glänzende Konstaninopolis hinab, sogar bis an die Küsten der blühenden Asia, oder der goldschmelzenden heißen Afrika, wo fast keine Schiffer Bescheid wissen, außer ihnen, und wo sie, vermöge ihrer tönenden Waffen, nach Belieben schalten mit Königesmacht.«

Folko hätte noch mehr erzählt, und die Gesellschaft gern noch mehr vernommen, aber die mächtigen Tritte der wundersamen Gäste hallten bereits auf den Steigen, und alles wandte sich nach der Tür.


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