Friedrich de la Motte Fouqué
Der Zauberring
Friedrich de la Motte Fouqué

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Achtes Kapitel

Otto sah eine Weile in stiller, tiefer Bewegung vor sich hin. Schön Astrids und Hugurs Todesgesang war ihm durch die Seele gedrungen. Und als er sich eben wieder emporriß, aus seiner feuchten Wehmut, und fragen wollte, wie denn Arinbiörn eigentlich dem Rächer verwandt sei, und noch andres mehr, hörte er auf dem Hofe das Stampfen vieler Rosse, und zugleich, daß man ihn von mehrern Seiten her bei Namen rief. – »Sie haben Euch nicht in Euerm Gemache gefunden«, sagte der Schmied, »und suchen Euch nun. Da, nehmt Euer Schwert hin, und laßt uns hinaustreten.« Die Waffe glänzte spiegelblank und makellos in des jungen Herrn von Trautwangen Hand, noch heller erglänzte der junge Ritter selbst, wie er mit dem rußigen Schmied aus der finstern Kohlenhalle auf den Burghof hinaustrat, welchen bereits die Lichter des Morgens klar überleuchteten. Arinbiörn kam ihm freudig entgegen, und wünschte ihm Glück zu einer Waffe von Asmundurs Hand. Otto gab ihm dankend die Streitaxt zurück, und der Seekönig ließ alsbald die Adlerrüstung herbeibringen, und sagte, während er selbst beschäftigt war, den jungen Deutschen wappnen zu helfen: »Siehst du dorten die lustige Reiterschar, Otto?« Er zeigte auf ein zahlreiches Geschwader im Hofe, dessen meist lichtbraune Hengste ungeduldig den Boden stampften. – »Die sollst du, wenn es nach mir geht, in das Schwedenland führen, zum Krieg wider die finnischen Heiden, während ich mit meinen Schiffen wieder in See steche, und die Küste umsegle, bis ich unsern Feinden auf ihrem eignen Grund und Boden in Seite und Rücken falle. Bist du damit zufrieden?« – »Was sollt' ich nicht?« entgegnete Otto. »Rücken wir gleich heute morgen aus?« – »Im Augenblick«, sagte der Seekönig, »es kommt nur noch auf eins dabei an. Deine Reiter möchten eine Probe von ihrem Hauptmann sehn, ob Roß und Mann es mit dem besten von ihnen aufnehmen können. Willst du Wettlauf halten mit dem dort auf dem lichtbraunen Hengste?« – »Ich wünsche mir's nicht besser!« rief Otto, und fertig gerüstet, sprang er klirrend zum nahen Stalle, sattelte und zäumte sein wieder von der Seefahrt genesenes Roß, saß auf, und ritt zu dem hochgewölbten Tore auf den Burghof hinaus. Lustig wieherte sein Pferd, und schnaubte aus weiten dampfenden Nüstern die fremden Genossen an. Die Reiterschar jubelte dem herrlichen Anblick ihres Führers entgegen. Mit ehrerbietiger Verbeugung näherte sich der Wettkämpfer, fragend, ob es dem Ritter gefalle, ihren Lauf zu beginnen. – »Führt mich zur Rennbahn«, sagte Otto, und der Normann, einige Schritte seitwärts reitend, entgegnete: »Sie liegt hier gerade vor uns, edler Herr.« – Er hielt an einem steilen Hange des Berges, von einzelnen Felsstücken unterbrochen, die teils schroff in die Höhe starrten, teils schräg in furchtbarer Glätte über den Rasen hingestreckt lagen. – »Da hinunter geht's«, sagte der Normann freundlich, »es kommt in unsern Gebirgen minder darauf an, ob ein Roß schnell über eine Ebne wegfliegen könne, als ob es vermöge, rasch und besonnen dergleichen halsbrechende Stellen hinunterzusetzen.« – »Schon gut«, sagte Otto lächelnd, ob ihm gleich vor der entsetzlichen Tiefe ein Schwindel ankam. Doch faßte er um so frischern Mut, da sein Lichtbrauner nicht weniger freudig, als der seines Mitkämpfers, der steilen Bahn entgegen schäumte, und mit gleicher Ungeduld am Gebisse knirschte. – »Laß das Zeichen mit den Hörnern geben, Arinbiörn«, sagte Otto, nach dem Halbkreise rückgewandt, welchen die Schar, den Seekönig und den Schmied an ihrer Spitze, um ihn schloß. »Ich bin fertig.« – Die Hörner schmetterten, die Reiter ließen den Rossen den Zügel, trieben sie mit den Sporen zu gewagtern Sprüngen, und lehnten sich besonnen rücküber, um das Gleichgewicht den sturmschnell fliegenden Tieren zu erleichtern. Vor Ottos Augen flimmerte es, vor seinen Ohren sauste es, die Federn auf seinem Helme pfiffen schneidend durch die Luft; es ward ihm bisweilen, als werde der Flug zum Sturze, und er müsse die Zügel hemmend anziehn; aber der Möglichkeit gedenkend, sein Gegner könne ihm darüber Vorsprung abgewinnen, brauchte er statt des Zaumes die Sporen, und wilder flog der Lichtbraune hoch über die starrenden, weit über die schrägglatten Felsenstücke hin. – Unten hielten Roß und Reiter im grünen Tal, und das siegende Tier wieherte lustig in die Morgenluft hinaus, während der Mitkämpfer noch die nächsten Klippen herunter rasselte. Aber kaum war auch der auf der Talwiese, da fiel sein Pferd ingrimmig, ohne daß es der Reiter hindern konnte, Ottos Schlachthengst an, und die beiden Lichtbraunen standen einander beißend und hauend gegenüber; nicht lange aber, da lag der fremde Gaul blutig am Boden, der Reiter gleichfalls verwundet dabei. Otto riß sein zürnendes Tier zurück, der Wettkämpfer erhub sich, und weil er am Fuße verletzt war, sagte Otto: »Steigt auf mein Pferd, lieber Freund, und reitet so die Burg hinauf.« – »Ritter«, sprach der Normann zurückweichend, »was mutet Ihr mir an? Ich weiß nun wohl, daß Euer Roß von der alleredelsten, aber auch von der allerfurchtbarsten Gattung der lichtbraunen Hengste ist, die wir hier zu Lande ziehen. Der risse mich ja in Stücken, käm' ich ihm nahe, denn nach dem Streite kann solch einen Gaul auch der eigne Herr nicht zähmen.« – »Darnach der Herr ist«, sagte Otto. »Verlaßt Euch auf mein Wort.« – »Ruhig, du Bursch!« rief er absitzend den Hengst an, und der stand nach seiner gehorsamen Art still; Otto hob den wunden Reiter hinauf, und wie ein Saumroß klomm der Lichtbraune seinem Ritter nach, sanft und vorsichtig den steilen Felshang hinauf. Da neigten alle Reiter tief die Speere vor Ritter und Roß. – »Das ist ein Hauptmann«, sagten die ältesten unter ihnen, »wie er uns noch im Leben nicht so gut geworden ist.«

Darauf tranken sie, im Bügel bleibend, alle einander einen Frühtrunk zu, und bald nachher trabte Ottos Schar durch die Täler, und leuchteten Arinbiörns schwellende Segel über die blaue Seeflut hinaus.


 << zurück weiter >>