Wolfram von Eschenbach
Parzival und Titurel
Wolfram von Eschenbach

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XVI.
Loherangrin.

Inhalt.

Anfortas hatte die Templeisen oft vergebens gebeten ihn sterben zu laßen; auch war er zu schwach gewesen, die Augen lange genug vor dem Gral verschloßen zu halten. Die Wiederkehr der Planeten Jupiter oder Mars hatten seine Schmerzen so geschärft, daß er laut aufschreien muste; köstliche Gerüche und heilkräftige Steine, die das Spannbette schmückten, brachten nur wenig Linderung. Als Parzival ankommt, bittet er auch diesen um den Tod, weil er ihm nicht andeuten darf, was er zu thun habe. Zur Dreifaltigkeit flehend wirft sich Parzival dreimal vor dem Grale zur Erde und fragt dann den Oheim, was ihm fehle. Augenblicklich wird Anfortas gesund und über alle Vergleichung schön. Da Parzival als König des Grals anerkannt ist, bringt ein Templer die Nachricht, daß Kondwiramur, von Kiot begleitet, unterwegs sei und schon den Plimizöl erreicht habe. Indem ihr Parzival entgegenreitet, spricht er erst bei Trevrezent vor, der jetzt seine frühere Aussage wegen der gefallenen Geister, die bei dem Grale wären, zurücknimmt und erklärt, er habe ihn damit nur von dem vergeblichen Trachten nach demselben zurückbringen wollen. Er bittet den Einsiedler um seinen stäten Rath, reitet weiter und erreicht am Morgen den Plimizöl, wo ihn Kiot zu der Gattin und den Kindern führt. Mit jener bleibt er allein bis zum vollen Morgen und sieht nun nach fünfjähriger Trennung seine frühere Sehnsucht an derselben Stelle erfüllt. Nach der Messe läßt er seinen Sohn Kardeiß zum Könige seiner Erblande krönen, worauf die von diesem belehnten Mannen mit ihm heimziehen. Indem Parzival nun mit Loherangrin und den Templern gen Monsalväsche zieht, besucht er Sigunens Klause, findet sie über dem Sarge des Geliebten todt und läßt sie neben ihm bestatten. Nach dem festlichen Empfange Kondwiramurs wird der Gral hereingetragen, und Alles wiederholt sich wie bei Parzivals erster Anwesenheit, nur daß er dießmal der König ist, und Alles mit Freuden, ohne die Lanze, begangen wird. Feirefiss sieht als ein Heide den Gral nicht, aber seine Trägerin, Repanse de Schoie, nimmt sein Herz so gefangen, daß er Sekundillens vergißt und seine falschen Götter abzuschwören bereit ist. Parzival, der ihn jetzt duzt, weil er als König des Grals so reich ist wie er, übernimmt die Vermittlung. Am Morgen wird er im Tempel getauft, empfängt Repansen zum Pathengeschenk und sieht nun den Gral. Die Schrift an diesem verordnet hierauf, wer künftig aus seiner Schar fremden Ländern zum Herrn gesandt werde, solle Fragen über seine Herkunft verbieten. Vergebens bittet Feirefiss, daß ihm Anfortas oder Loherangrin nach dem Morgenlande folgen. Als er mit seinem Weibe und Kondrieen, die ihm als Botin voranreist, und im Geleite des Burggrafen von Karkobra den Hafen erreicht, war seinem Heere die Nachricht von Sekundillens Tode zugegangen. In Indien, wo er das Christentum verbreiten ließ, gebar ihm Repanse einen Sohn, welcher Priester Johannes hieß, ein Name, den nach ihm dort alle Könige führten. Loherangrin ward der jungen Herzogin von Brabant zum Gemahl gesandt; von einem Schwan im Nachen gezogen, stieg er zu Antwerpen ans Land und verbot jene Frage. Als diese dennoch nicht unterblieb, schied er, obwohl ungern, von dannen und ließ Schwert, Horn und Ring zurück.

 

        787   Anfortas mit den Seinen trug
Leid und Jammer noch genug.
Ihre Treue ließ ihn in der Noth:
Er bat sie oftmals um den Tod.
5   Dem Tod auch könnt er nicht entgehn,
Doch ließen sie den Gral ihn sehn:
Da fristet' ihn des Grales Kraft.
Er sprach zu seiner Ritterschaft:

»Ich weiß wohl, war euch Treue kund,

10   Mein Leid erbarmt' euch gleich zur Stund.
Wie lange soll die Qual mir währen?
Sicher, Rechenschaft gewähren
Müßt ihr dafür dereinst vor Gott.
Stäts war ich gern euch zu Gebot,
15   Seit ich zuerst die Waffen trug.
Entgolten hätt ichs nun genug,
Was Uebles je von mir geschah,
Wenn euer Einer das ersah.
Wollt ihr der Untreu euch erwehren,
20   So erlöst mich, bei des Helmes Ehren
Und bei des Schildes Orden:
Inne seid ihr oft geworden,
Schiens euch werth darauf zu achten,
Daß die mit mir vollbrachten
25   Manches ritterliche Werk.
Ich habe manchmal Thal und Berg
In Tjosten überritten
Und mit dem Schwerte so gestritten,
Es mochte wohl den Feind verdrießen:
Des laßt ihr wenig mich genießen.
788   Ich aller Freude waiser
Traun vor dem Himmelskaiser
Verklag ich einst euch Alle.
Ihr kommt zu ewgem Falle,
5   Wenn ihr mich nicht bald befreit.
Mein Jammer wär euch billig leid.
Ihr habt gesehn und auch vernommen,
Wie mir dieß Unglück ist gekommen:
Wie taugt' ich euch zum Herren noch?
10   Viel zu früh erfahrt ihrs doch,
Wenn ihr das Heil verwirkt an mir.
O weh, wie übel handelt ihr!«

Sie würden endlich ihn erlösen,
Wär eine Hoffnung nicht gewesen.

15   Euch machte Trevrezent bekannt,
Was dort am Gral geschrieben stand.
Sie erharrten abermals den Mann,
Dem dort die Freude gar zerrann,
Und der hülfreichen Stunde,
20   Da die Frage käm aus seinem Munde.

Auf eine List sann Anfortas:
Daß er geschlossen Auges saß;
Vier Tage senkt' er oft die Lieder.
Trug man ihn zum Grale wieder,

25   Es mocht ihm lieb sein oder leid,
Da zwang ihn seine Schwachheit,
Daß er offen that die Augen:
Da must er Leben saugen
Und konnt im Tode nicht erkalten.
So pflegten sies mit ihm zu halten
789   Bis an den Tag, da Parzival,
Der bunte Feirefiss zumal,
Froh gen Monsalväsche ritten.
Auch kam die Zeit mit schnellen Schritten,
5   Daß Mars oder Jupiter
Wie zornglühend zog daher
Und sich der Stelle wieder nahten
(Dann war der König schlimm berathen),
Wo sie zu Anfang stunden.
10   Das that an seinen Wunden
Anfortas weh mit solcher Qual,
Die Fraun und Ritter allzumal
Hörten sein Geschrei ertönen.
Mit Jammerblicken und mit Stöhnen
15   Gab er seinen Jammer kund.
Er war ohn alle Hülfe wund,
Helfen konnten sie ihm nicht;
Jedoch die Aventüre spricht,
Nun sei die wahre Hülf ihm nah.
20   Beim Mitleid ließen sie es da.

Wenn die scharfe bittre Noth
Ihr strenges Ungemach ihm bot,
Den Geruch zu mindern ward die Luft
Erfüllt mit süßer Kräuter Duft.

25   Man legt' ihm auf den Teppich hin
Dann Pigment und Terpentin,
Moschus und Aromata.
Die Luft zu reingen lag auch da
Ambra und Theriak genug:
Das war ein süßer Wohlgeruch.
790   Sobald man auf den Teppich trat,
Jeroffel, Kardemom, Muskat
Lag, die Lüfte zu durchsüßen,
Gebrochen unter ihren Füßen.
5   Wie das mit Tritten ward zerdrückt,
So war die Nase gleich erquickt.
Von Lignum Aloe war sein Feuer;
Das sagt' euch schon ein Abenteuer.

Als Stollen an dem Spannbett prangen

10   Sah man aus Horn gedrehte Schlangen.
Daß das Gift beruhigt sei,
Waren Wurzeln mancherlei
Auf die Kissen ausgesät.
Nur gesteppt und nicht genäht
15   War das Pfellel, drauf er lehnte,
Ein Seidenstoff von Nauriente;
Das Polster drunter war palmaten.
Das Spannbett war auch sonst berathen
Mit theuern Edelsteinen
20   Und mit anders keinen.
Stränge haltens aneinander
Vom Geweb der Salamander:
Das sind die Borten darunter.
Ihn machte Freude nicht zu munter.
25   Reich wars nach allen Seiten:
Es möge Niemand streiten,
Als hab er Beßres je gesehn.
Es war kostbar und schön
Von edeln Steinen aller Art;
Ihre Namen sind uns aufbewahrt:

791  

Karfunkel und Selenit,
Balagius und Jerachit,
Onix und Chalcedon,
Korallis und Bestion,

5   Unio und Ophthallmius,
Epistites Keraunius,
Gagatrom, Heliotropia,
Panterus, Androdragma,
Prasem und Sagda,
10   Hematites, Dionysia,
Achates und Chelidon,
Sardonix und Chalkophon,
Karneol und Jaspis,
Echites und Iris,
15   Gagates und Lyncurius,
Abesto und Cecolithus,
Galaktida, Hyacinthus,
Orites und Enydrus,
Absinth und Alabandina,
20   Chrysoelekter, Hiennia,
Smaragd und Magnes,
Sapphix und Pyrites.
Daneben standen hier und da
Türkissen und Lipparea,
25   Chrysolithen und Rubinen,
Paleisen und Sardinen,
Adamas und Chrysopras,
Diadoch und Topas,
Medus und Malachit,
Berillus und Peanit.

792  

Einige lehrten hohen Muth;
Zum Heil und zur Gesundheit gut
War der andern Eigenschaft.
Sie verliehen hohe Kraft,

5   Wers zu erproben wuste.
So künstlich fristen muste
Man Anfortas: der schuf dem Herzen
Seines Volkes große Schmerzen.
Doch bald wird Freude hier vernommen.
10   Schon ist gen Monsalväsch gekommen,
Von Joflanz geritten heut,
Dem alle Sorge war zerstreut,
Parzival, sein Bruder und die Magd.
Man hat mir nicht genau gesagt,
15   Wie viel es Meilen waren.
Sie hätten Kampf erfahren;
Doch weil Kondrie ihr Geleit,
Blieben sie davon befreit.

Sie waren einer Vorhut nah:

20   Auf schnellen Rossen kamen da
Viel Templeisen angefahren,
Gewappnet, die so klug doch waren,
Daß sie am Geleite sahn,
Ihnen solle Freude nahn.
25   Wohl rief ihr Rottenmeister da,
Als er die Turteltauben sah
Glänzen von Kondriens Kleid:
»Ein Ende hat all unser Leid:
Mit des Grales Wappen eingetroffen
Ist, auf den wir täglich hoffen,
793   Seit uns Angst und Noth umstricken.
Gebt acht: nun will uns Freud erquicken.«

Feirefiss Anschewein
Mahnte Parzival, den Bruder sein,

5   Wider Jene zu reiten,
Und wollte selber streiten.
Kondrie erfaßte seinen Zaum:
Da war zu seiner Tjost nicht Raum.
Die rauche Magd begann zumal
10   Zu ihrem Herren Parzival:
»Solche Schilde, dieß Panier
Sollt ihr kennen lernen hier.
Sie zählen zu des Grals Geleit
Und sind euch immer dienstbereit.«
15   Da sprach der werthe Heide:
»Den Streit ich gern nun meide.«

Da schickte Parzival Kondrien
Voraus, zu den Templeisen hin.
Sie ritt und brachte ihnen Märe,

20   Welch Heil für sie gekommen wäre.
Da sprangen die Templeisen
Vom Pferd vor dem Waleisen,
Vor dem sie grüßend stunden,
Den Helm vom Haupt gebunden.
25   Sie empfingen Parzival zu Fuß:
Ein Segen dauchte sie sein Gruß.
Sie begrüßten auch mit Fleiß
Diesen Heiden schwarz und weiß
Und ritten weinend, ob in Freuden,
Gen Monsalväsch dann mit den Beiden.

794  

Da fanden sie zahllose Schar,
Manch schönen Ritter grau von Haar,
Knappen und edle Kinde.
Das traurge Ingesinde

5   Schien ihre Ankunft doch zu freun.
Feirefiss Anschewein
Und sein Bruder Parzival,
An der Stiege vor dem Saal
Wurden sie wohl empfangen.
10   In den Saal ward gegangen.

Da lagen nach des Hauses Sitten
Hundert Teppiche, rund geschnitten;
Ein Bett auf Jedem, weich genug,
Mit gestepptem Sammetüberzug.

15   Da musten Beide zum Empfang
Niedersitzen, nur so lang,
Bis sie die Rüstung abgethan.
Dann kam ein Kämmerer heran,
Der Kleider brachte, reiche,
20   Ihnen beiden gleiche.
Auch all die Schar der Ritter saß.
Man trug von Gold (es war nicht Glas)
Manch theuern Becher in den Saal.
Feirefiss und Parzival
25   Tranken und gingen dann
Zu Anfortas dem traurgen Mann.

Ihr habt wohl schon vernommen, daß
Er lehnte und gar selten saß;
Auch wie das Bett geschmückt ihm war.
Die Zwei empfing Anfortas, zwar

795   Fröhlich, doch mit Kummers Klage:
»Mit Schmerz erharrt' ichs lange Tage,
Werd ich künftig von euch froh.
Wohl war euer Abschied so,
5   Daß ihr es billig jetzt bereut,
Wenn euch mir zu helfen freut.
Ward jemals Preis von euch gesagt,
Hier ist mancher Ritter, manche Magd:795, 9. Diese Frage, welche die Genesung des Anfortas zur Folge hat, geschieht zur Erfüllung des Orakels, welche die Schrift des Grals 483, 20–28 gegeben hat, wonach die Genesung des Anfortas von der Frage Parzivals abhängig sein sollte. Unbegreiflich ist, wie Immermann, Reisejournal S. 365 schreiben mochte: »Die Frage, die Parzival thun soll, um den Jammer in Monsalvas zu heben, und die er nicht thut, ist ein sonderbarer Moment. Die gewöhnlichen Auffaßungen von Durchbildung zum Religiösen durch Suchen und Schmerz reichen hier nicht aus. Der Gral, der nie irrende, hat ein Orakel gegeben, welches gleichwohl nicht erfüllt wird: denn als der erwählte König später zum Heiligtum gelangt und die Genesung des Anfortas bewirkt, hat er ja längst den Grund des Leides erfahren.« Das Orakel wird erfüllt: denn die Frage geschieht und bewirkt die Genesung; auch ist Parzival, obgleich er jetzt längst den Grund des Leides erfahren hat, nicht gewarnt worden; noch 795, 15 hütet sich Anfortas ihn zu warnen. Daß die Frage, obgleich sie für Parzival keiner Antwort mehr bedarf, dennoch geschehen muß, beweist im Gegentheil, daß der Gral auf die buchstäbliche Erfüllung seines Orakels hält. Immermann mischt aber eine andere hiehin gar nicht gehörige Seite ein, nämlich Parzivals Durchbildung zum Religiösen durch Suchen und Schmerz, welche Auffaßung allerdings hier ausreicht. Als aber Parzival zur Erlösung des Anfortas diese Frage thut, ist seine eigene innere Geschichte längst zu Ende; auch hat ihn nach Kondriens Meldung 781, 16 die Schrift des Grals schon zum Herrn des Gralreichs berufen. St. Marte verfällt, indem er Immermann zu widerlegen sucht, in lauter Irrtümer.
Bittet, daß man mir den Tod
10   Vergönnt, so endet meine Noth.
Ist euer Name Parzival,
So entziehet meinem Blick den Gral
Sieben Nacht nur und acht Tage,
So hat ein Ende meine Plage.
15   Euch anders warnen darf ich nicht:
Heil euch, wenn Hülf euch nicht gebricht.
Eur Gesell ist hier ein fremder Mann,
Dessen Stehen ich nicht dulden kann.
Was sorgt ihr nicht für sein Gemach?«
20   Parzival mit Weinen sprach:

»Sagt mir, wo der Gral hier liege.
Ob Gottes Gnade an mir siege,
Des werdet ihr wohl inne werden.«
Da warf er betend sich zur Erden

25   Dreimal zur Dreifaltigkeit,
Daß des traurgen Mannes Leid
Jetzt ein Ende möcht empfahn.
Der Held stand auf und sprach alsdann:
»Oheim, was fehlet dir?«
Der für St. Silvestern einen Stier795, 30. In der Legende vom h. Silvester, welche nach Wolframs Zeit Konrad von Würzburg bearbeitete (ed. Wilhelm Grimm Gött. 1841), streitet der Papst Silvester vor dem Kaiser Konstantin, den er von dem Aussatze geheilt hat, mit den Juden über den Vorzug des christlichen oder jüdischen Glaubens. Ein Jude raunt einem Stier den Namen seines Gottes ins Ohr, und augenblicklich fällt das Thier todt zur Erde nieder. Silvester aber macht, was der Jude nicht konnte, den Stier durch Anrufung Christi wieder lebendig, durch welches Wunder die Juden sich überwunden bekennen und die Taufe empfangen. Diese Legende würde Wolfram schwerlich hier angezogen haben, wenn sie nicht in der Heilung Konstantins durch Silvester ein näher verwandtes Moment enthielte. Hartmanns armen Heinrich, der nach dem Iwein gedichtet ist, muß Wolfram nicht gekannt haben, sonst hätte er wohl hier seiner gedacht.
796   Vom Tode lebend wandeln hieß,
Der Lazarum erstehen ließ,
Derselbe half, daß Anfortas
Alsbald zu vollem Heil genas:
5   Was der Franzose nennt Florie,
Den Glanz er seiner Haut verlieh.
Parzivals Schönheit war nun Wind,
Und Absalons, Davidens Kind,
So Aller, die wie Vergulacht
10   Die Schönheit erblich hergebracht,
Auch Gachmuretens Schönheitspreis,
Als er dort zu Kanvoleis
Einzug hielt so wonniglich –
All ihre Schönheit dieser wich,
15   Die Anfortas aus Siechheit trug.
Gott kann der Künste noch genug.

Da braucht' es weiter keine Wahl:
Durch die Schrift an dem Gral
War ihnen schon ein Herr benannt.

20   Parzival ward anerkannt
Als König und Gebieter dort.
Man fände wohl an anderm Ort
So leicht nicht zwei so reiche Männer
(Von Reichtum bin ich zwar kein Kenner)
25   Als Parzival und Feirefiss.
Zu Dienst sich Männiglich befliß
Dem Wirth und seinem Gast zumal.
Ich weiß nicht der Rasten Zahl,
Die Kondwiramur geritten kam
Gen Monsalväsch wohl ohne Gram.
797   Sie hatte Alles schon vernommen:
Ihr war die Botschaft gekommen,
Ein Ende hätt all ihre Noth.
Von dem Herzogen Kiot
5   Und noch manchem werthen Degen
War sie auf waldgen Wegen
Gen Monsalväsch geführt, bis dort
Wo Segramors, ihr kennt den Ort,
Aus dem Sattel war gewichen,
10   Und ihr der blutge Schnee geglichen.
Da sollte Parzival sie finden:
Des mocht er gern sich unterwinden.

Ein Templer bracht ihm jetzo Märe:
Mit der Königin gekommen wäre

15   Höfscher Ritter große Zahl.
Nicht lang besinnt sich Parzival:
Mit Eingen von des Grales Heer
Zu Trevrezenten reitet er.
Den Klausner freute herzlich, daß
20   Es also stund um Anfortas,
Daß er von jener Tjost nicht starb
Und ihm die Frage Heil erwarb.
»Gottes Kraft ist unermeßen!
Wer hat in seinem Rath geseßen?
25   Wer weiß ein Ende seiner Macht?
Zu Ende wird es nie gedacht
Von allen Himmelschören dort.
Gott ist Mensch und seines Vaters Wort.
Gott ist Vater und Sohn zugleich,
Sein Geist ist aller Hülfe reich.«
798   Zu Parzival begann er da:
»Ein Wunder ists, wie nie geschah,
Da ihr mit Zorn zum Himmel saht,
Daß sein dreieinig ewger Rath
5   Euer Trachten ließ gelingen.
Ich log, euch abzubringen
Vom Gral, wies um ihn stünde
(Gebt mir Buße für die Sünde;
Gehorsam will ich jetzt euch sein,
10   Schwestersohn und Herre mein):
Daß die vom Weltenmeister
Ausgetriebnen Geister
Harrend schwebten um den Gral,
Ob ihnen Gnade würd einmal.
15   Also sprach ich dort zu euch.
Doch Gott ist stäts sich selber gleich,
Er streitet ewig wider sie,
Und Gottes Huld wird ihnen nie.
Wer seinen Lohn davon will tragen,
20   Der muß dem Bösen widersagen:
Ewiglich sind sie verloren,
Sie haben selbst den Fall erkoren.
Ihr mühtet euch, das war mir leid,
Umsonst in ganz vergebnem Streit.
25   Daß wer den Gral sich möcht erstreiten,
War unerhört zu allen Zeiten;
Ich hätt euch gern der Müh entnommen.
Doch anders ist es nun gekommen,
Euch kam von Oben der Gewinn;
Zur Demuth wendet nun den Sinn.«

799  

Zum Oheim sprach der Waleis da:
»Ich soll sie sehn, die ich nicht sah
Innerhalb fünf Jahren.
Da wir beisammen waren,

5   War sie mir lieb; das ist sie noch.
Ich wünsche deinen Rath jedoch,
So lang uns noch nicht schied der Tod:
Du riethest mir einst in großer Noth.
Ich ziehe meinem Weib entgegen:
10   Die zog daher auf waldgen Wegen
Bis an des Plimizöls Gestad.«
Der Held um seinen Urlaub bat.

Da befahl ihn Gott der gute Mann;
Nacht war es, als er fuhr hindann.

15   Den Gesellen war der Wald wohl kund.
Am Morgen fand er lieben Fund,
Manch Gezelt aufgeschlagen:
Aus dem Lande Brobarz, hört ich sagen,
War manches Banner eingesenkt
20   Und mancher Schild davor gehängt:
Seines Landes Fürsten lagen dort.
Der Waleis frug, an welchem Ort
Die Königin selber läge,
Und ob eigner Kreiß sie hege?
25   Da zeigte man ihm, wo ihr Zelt
Mit eignem Umkreiß stand im Feld,
Von andern Zelten rings umfangen.
Herzog Kiot von Katelangen
War heut erwacht bei Zeiten:
Da sah er diese reiten.

800  

Noch war des Tages Schimmer grau;
Kiot erkannte doch genau
Des Grales Wappen an der Schar:
Sie führten Turteltauben klar.

5   Der alte Mann erseufzt von Herzen,
Da er Schoisianens denkt mit Schmerzen:
Die er zu Monsalväsch erworben,
War bei Siguns Geburt gestorben.
Entgegen ging er Parzival
10   Und empfing ihn mit den Seinen all.
Den Marschall der Königin,
Durch einen Junker bat er ihn,
Den Rittern gut Gemach zu schaffen,
Die er da halten sah in Waffen.
15   Ihn selber führt' er an der Hand,
Wo er der Köngin Kammer fand.
Ein klein Gezelt von Buckeram,
Wo man die Rüstung von ihm nahm.

Noch ahnte nichts die Königin.

20   Kardeiß und Loherangrin
Fand bei ihr liegen Parzival
(Wer zählt da seiner Freuden Zahl?)
In einem hohen weiten Zelt,
Und rings umher ihr zugesellt
25   Lagen klarer Fraun genug.
Kiot die Decke von ihr schlug,
Er hieß die Königin erwachen,
Sie sollte fröhlich sein und lachen.
Sie blickt' empor und sah den Mann;
Sie hatte nur das Hemde an.
801   Die Decke hurtig um sich schwang,
Auf den Teppich vor dem Bette sprang
Kondwiramur, das schöne Weib;
Ihr Gemahl umfing ihr auch den Leib.
5   Man sagte mir, sie küssten sich.
Sie sprach: »So hat das Glück mir dich
Gesendet, Herzensfreude mein!«
Sie hieß ihn willkommen sein.
»Nun sollt ich zürnen, kann nicht, ach!
10   Heil sei der Stunde, Heil dem Tag,
Die mir brachten diesen Kuss,
Davon mein Trauern schwinden muß.
Nun hab ich, was mein Herz begehrt,
Allen Sorgen ist der Sieg verwehrt.«

15  

Nun erwachten auch die Kindelein,
Kardeiß und Loherangrein:
Die lagen auf dem Bette bloß.
Wohl war des Vaters Freude groß,
Da er sie küsste minniglich.

20   Nicht lang bedachte Kiot sich,
Er befahl die Knaben fortzutragen;
Man hört' ihn auch den Frauen sagen,
Daß sie aus dem Zelte gingen.
Das thaten sie, doch erst empfingen
25   Sie ihren Herrn nach langer Reise.
Kiot der höfische und weise
Befahl der Köngin ihren Mann;
Die Jungfraun führt' er all hindann.
Noch begann es kaum zu tagen;
Die Winden wurden zugeschlagen.

802  

Nahm ihm einst bewusten Sinn
Schnee und Blut gemischt dahin
(Die fand er liegen hier im Hain),
Für solchen Kummer steht nun ein

5   Kondwiramur, die Beides hat.
Nie hatt er Hülf an andrer Statt
Empfangen für der Minne Noth,
Ob manch edles Weib ihm Minne bot.
In süßer Kurzweile lag
10   Er bis zu vollen Morgens Tag.

Neugierig nahte Kiots Schar:
Sie nahmen der Templeisen wahr.
Von Hieb und Stoß zerschlagen
Sah man sie Helme tragen;

15   Ihr Schild hat Lanzenstöß erlitten,
Von Schwertern war er auch zerschnitten.
Von Sammet oder Seidentuch
War das Kleid, das Jeder trug.
Keinen Harnisch trugen mehr die Stolzen,
20   Nur an den Füßen Eisenkolzen.

Nicht mehr zum Schlafen stand ihr Sinn.
Der König und die Königin
Standen auf. Ein Priester Messe sang.
Da ward im Lager groß der Drang

25   Von dem tapfern Kriegesheer,
Das Klamiden einst stand zur Wehr.
Als die Messe war begangen,
Wurde Parzival empfangen
Würdiglich von seinem Bann,
Manchem Ritter kühn und wohlgethan.

803  

Des Zeltes Winden nahm man ab.
Der König sprach: »Wo ist der Knab,
Der König sein soll euerm Land?«
Allen Fürsten macht' er da bekannt:

5   »Waleis und Norgals,
Kanvoleiß und Kingrivals
Gehört zu vollem Recht ihm an
Mit Anschau und Bealzenan.
Erwächst er einst zu Mannes Kraft,
10   So helft, daß ihr ihm die verschafft.
Gachmuret mein Vater hieß,
Der mirs als rechtes Erbe ließ.
Da mir das Glück verhalf zum Gral,
So empfanget ihr an diesem Mal
15   Eure Lehn von meinem Kinde,
Wenn ich euch treu befinde.«

Das geschah von Herzen gern.
Viel Fahnen brachte man dem Herrn:
Da liehn zwei kleine Hände

20   Weiter Lande manches Ende.
Gekrönet wurde da Kardeiß;
Er bezwang auch später Kanvoleiß
Und mehr von Gachmuretens Land.
An des Plimizöls grünem Rand
25   Ward ein weiter Kreiß gemeßen,
Wo sie zu Mittag sollten eßen.
Sie nahmen eilends Trank und Speise
Und schickten sich zur Heimreise.
Die Zelte brach das Heer darnieder;
Mit dem jungen König fuhr es wieder.

804  

Das Ingesind und viel Jungfrauen
Ließen großen Kummer schauen,
Da sie schieden von der Königin.
Die Templer nahmen Loherangrin

5   Und seine Mutter wohlgethan:
Also ritten sie hindann
Gen Monsalväsche balde.
»Eines Tags in diesem Walde
Sah ich eine Klause stehn,«
10   Sprach Parzival, »und drinne gehn
Einen klaren Brunnen schnelle:
Wenn ihr sie wißt, weist mich zur Stelle.«
Sie wüsten eine, ward gesagt
Von den Gefährten: »eine Magd
15   Wohnte klagend auf des Freundes Sarg;
Ihr Herz die lautre Güte barg.
Unser Weg geht nah vorbei;
Ihr Herz ist selten Jammers frei.«
Der König sprach: »Ich will sie sehn.«
20   Die Andern ließens gern geschehn.

Sie ritten vorwärts trabend
Und fanden spät am Abend
Sigunen auf den Knien todt:
Da sah die Köngin Jammers Noth.

25   Durch den Felsen brach man zu ihr ein.
Seiner Base halber ließ den Stein
Parzival vom Sarge heben.
Schön gebalsamt wie im Leben
Lag Schionatulander da.
Man legte sie dem Helden nah,
805   Die ihm magdtumliche Minne gab
Im Leben, und verschloß das Grab.
Kondwiramur begann zu klagen
Ihres Oheims Tochter, hört' ich sagen,
5   Mit großen Schmerzen unerlogen:
Schoisiane hatte sie erzogen,
Die Mutter der gestorbnen Maid,
Als Kind, drum trug sie um sie Leid,
Die Muhme nannte Parzival,
10   Wenn Wahrheit spricht der Provenzal.

Noch wust um seiner Tochter Tod
Nicht der Herzog Kiot,
Der Kardeißen hatt erzogen.
Es ist nicht krumm wie der Bogen,

15   Die Wahrheit sag ich recht und schlecht.
Da thaten sie der Reis ihr Recht
Gen Monsalväsch in tiefer Nacht.
Die Stunden harrend zugebracht
Hatte Feirefiss mit freudgem Herzen.
20   Man entzündete viel Kerzen,
Als wär entbronnen rings der Wald.
Einen Templer von Patrigalt
Sah man bei der Köngin reiten.
Der Hof war räumig: an den Seiten
25   Stand harrend manch gesondert Heer.
Sie empfingen all die Köngin hehr,
Den Wirth und auch sein Söhnelein.
Da trug man Loherangrein
Zu seinem Oheim Feirefiss:
Da der sich schwarz und weiß erwies,
806   Wollt ihm das Kind den Mund nicht leihn;
Dem Kleinen muß man Furcht verzeihn.

Das belustigte den Heiden.
Da begann man sich zu scheiden

5   Auf dem Hofe, wo die Königin
War abgestiegen; Hochgewinn
War Allen ihre Kunst fürwahr.
Man führte sie, wo Frauen klar
Sie zu empfangen sich beflißen.
10   Anfortas und Feirefissen
Mochte man bei den Frauen
An der Stiege höfisch schauen
Repanse de Schoie,
Von Grünland Garschiloie
15   Und Florie von Nonel
Trugen klare Haut und Augen hell,
Dazu magdtumlichen Preis.
Da stand auch, schwanker als ein Reis,
Der Gut' und Schönheit unverloren
20   War, zur Tochter ihm geboren,
Ril, dem Herrn von Jernise,
Die reine Magd Anflise.
Von ihr stand Klarischanz nicht weit,
Von Tenabrock die süße Maid,
25   An lichter Farbe unverkürzt,
Trotz Ameisen schlank geschürzt.

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