Wolfram von Eschenbach
Parzival und Titurel
Wolfram von Eschenbach

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§. 14. Die Chronik von Anjou.

Wir kommen jetzt zu Kiots anderer Quelle. Nach Wolfram 455, 2 ff. hat er in lateinischen Büchern nach den Hütern des Grals geforscht, die Landeschroniken von Brittannien, Frankreich und Irland durchlesen und endlich in Anschau die Mären gefunden. Man kann dieß allerdings so verstehen, als habe er in den Chroniken der andern Länder nichts gefunden, wohl aber in jener von Anjou. Allein wenn er die übrigen vergebens durchlesen hätte, so stände die Meldung von ihnen müßig da. Dazu kommt, daß sein Gedicht so Manches enthalten haben muß, das aus den Chroniken der andern Länder, z. B. Brittanniens, entnommen sein könnte. Indes wird man zugeben müssen, daß die Chronik von Anjou, die wir nicht mehr vergleichen können, auch schon brittische Sagenbestandtheile enthalten mochte. Seit der Vermählung des Grafen Heinrich Plantagenet von Anjou mit Mathilden, der Tochter Heinrichs I. von England, deren Sohn schon 1154 unter dem Namen Heinrich II. den englischen Thron bestieg und einen großen Theil des südlichen Frankreich an England brachte, konnten sich schon brittische und romanische Sagen verbinden. Hören wir also weiter was Kiot in der Chronik von Anjou gelesen haben soll. Er las, heißt es ferner:

1. von Mazadan und seinem ganzen Geschlechte. Aus dem Briefe Gachmurets an Belakane (55, 21–56, 25) wißen wir, daß Mazadan zwei Söhne hatte, Laßaließ und Brickus; von dem Einen stammten die Könige von Anschau, von dem andern die der Britten, so daß Parzival und Artus in Mazadan ihren gemeinschaftlichen Stammvater verehrten.

2. (unt anderhalp) von dem Geschlecht der Gralskönige, Titurel, Frimutel und Anfortas, dessen Schwester Herzeleide Parzivals Mutter war.

Hienach hätte die Chronik von Anjou drei Geschlechtsregister enthalten, von denen zwei, die der Könige von Anjou und Brittannien, durch einen gemeinschaftlichen Stammvater verbunden waren. Sollte sie aber weiter nichts enthalten haben, namentlich nicht Parzivals Abenteuer, so würden wir auf diesem Wege über den Ursprung und die Geschichte unserer Sage nur unvollkommenen Aufschluß erhalten.


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