Wolfram von Eschenbach
Parzival und Titurel
Wolfram von Eschenbach

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§. 13. Anklänge an deutsche Mythen.

Die Gralssage bietet aber der Vergleichungspuncte mit deutschen Mythen noch mehr. Der Gral ist dem Suchenden unfindbar, nur Gottes Gnade kann dazu verhelfen, P. 250, 26–30. So in deutschen Märchen die Eingänge zu den hohlen Bergen, welche die Unterwelt bedeuten: nur an gewissen Tagen erschließen sie sich Sonntagskindern oder reinen Jünglingen, denen sie dann wohl noch öfter offen stehen, bis der Verlust der Unschuld ihnen dieses Heil entzieht. In den hohlen Bergen schlafen die Götter, bei Freyr erscheint der Berg als sein Grab, und von Svegdir, der Odhin suchen wollte, wird erzählt, daß ein Zwerg, der vor dem Eingang eines großen Steinhügels saß, ihn einlud, in denselben zu gehen, wenn er Odhin finden wollte. Sobald der König hineingegangen war, ward die Pforte hinter ihm auf immer verschloßen. Yngligas. c. 12, 15. Das Grab Hackelbergs auf dem Moßberg (und Hackelberg ist Wodan, der Moßberg ein Asenberg) weiß Niemand zu finden, wenn er nicht zufällig darauf stößt, und auch dann noch kann er es Niemand zeigen. Die Pforte, sahen wir so eben, schlägt hinter dem Eintretenden zu: das wird auch in der jüngern Edda D. 2 von Asgards Pforte gemeldet: »dicht hinter seinen Fersen schlag die Thüre zu,« und Brynhild wird an der Seite Sigurds mit Knechten und Mägden verbrannt sein, damit dem Fürsten die Pforte des Saals nicht auf die Fersen falle, »wenn auf dem Fuß ihm folgt mein Leichengefolge.« Die Pforte des Pallas im Iwein, die hinter ihm niederfallend ihm das halbe Ross und beide Sporen von den Fersen wegschlägt, habe ich anderwärts verglichen. Aber auch hinter dem Austretenden, welcher die Erlösung nicht vollbrachte, um derentwillen der Berg sich ihm erschloßen hatte, schlägt die Pforte zu in unsern Ortssagen, und nicht selten büßt es seine Ferse; dieser Zug kehrt nun auch im Parzival wieder, als der Held die Frage versäumt hat, die den Anfortas erlösen sollte. Als er am Morgen über die Zugbrücke hinausreitet, zieht ein verborgener Knappe das Seil: das Vordertheil der Schlagbrücke fährt empor und hätte fast sein Ross zu Fall gebracht. Im Wartburgkrieg und dem darauf gegründeten Lohengrin ist es König Artus, der den Lohengrin aussendet, wie Loherangrin, Parzivals Sohn, von Monsalväsch ausgesandt wird. Artus ist hier als Gralskönig gedacht, er wohnt aber im hohlen Berge, mit Juno und Sibylla, Felicien Kind. Juno bedeutet hier die Unterweltsgöttin, die späterhin als Frau Venus im Venusberg wiederkehrt. Auch Sigunens Name erinnert an deutsche Mythen. Daß er dem der Sigyn, der Gemahlin Lokis, gleicht, ergiebt sich sofort; aber diese Göttin übt auch gegen Loki eine Treue, die nicht weniger rührend ist als die Sigunens zu Schionatulander, bei Wolfram allein, jedenfalls nicht im Mabinogi (S. 350), wo sie wieder heiratet. Daß in Gawans Abenteuern Plippalinot der Fährmann, der so theuern Zins begehrt, dem Todtenschiffer in unsern Märchen gleicht, das Lit Merveil in einigen derselben wirklich noch vorkommt, vgl. Schönwerth Sitten und Sagen 3, 147, wie Gawans Sprung über Ligweiß Prelljus mit Thors Fahrt nach Geirrödsgard, bei welcher er den Wimur, aller Flüße grösten, watet, Uebereinstimmungen zeigt, bedarf nur der Andeutung. Daß aber Vorstellungen von der Unterwelt und dem jenseitigen Leben den Grund dieser Abenteuer Gawans bilden, beweist schon die Vergleichung mit der Darstellung derselben in Der Aventüre Krone, vergl. §. 9 oben. Jene dort erwähnte Mancipicella entbietet Gawan den Gruß ihrer Herrin und fordert ihn auf, für dieselbe, die unter der Last des Alters seufze, auf einem benachbarten Anger, wo Blumen mit wunderbarer Verjüngungskraft wachsen, einen Kranz zu winden. Gawan, der keine Furcht kennt, verspricht die Blumen herbeizuschaffen. In leichtem Gewande und schlecht bewaffnet, da er unterwegs über einen Fluß springen soll, macht er sich, begleitet von Karadas und Mancipicella, auf den Weg. Sein gutes Ross bringt ihn glücklich, wiewohl mit genauer Noth, über den breiten und tiefen Strom. Wie er jedoch den Anger betritt, fühlt er sich vom Geruch der Blumen so betäubt, daß er einmal über das andere schlaftrunken zur Erde fällt. Da sticht er sich, um wach zu bleiben, mit dem Sper durch den Fuß, und das hilft. Als er jetzt die Blumen gepflückt und zu Kränzen gewunden hat, reitet er fort, aber Giromelanz (Gramoflanz), der des Angers hütet, kommt daher gesprengt und verlangt mit ihm zu streiten. Vgl. Scholl Diu Krone S. XXXVII–IX. So schneiden sich in deutschen Märchen die, welche den Glasberg besteigen sollen, zuletzt einen Finger ab, wenn das Hühnerbein, das sie bisher heraufbefördert hat, den Dienst nicht mehr thut.


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