Wolfram von Eschenbach
Parzival und Titurel
Wolfram von Eschenbach

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§. 10. Flegetanis.

Wir steigen nun, von Wolframs Angabe über Kiot, deren Werth nun gewürdigt ist, ausgehend, eine Stufe weiter hinauf und fragen nach des angeblichen Kiot Quelle. Hierüber giebt Wolfram Folgendes an: Flegetanis, ein Heide von Vaterseiten, von der Mutter ein Jude aus Salomons Geschlecht, schrieb zuerst von des Grales Aventure. Er kannte der Sterne Kommen und Gehen und ihren geheimen Einfluß auf menschliche Geschicke, und so las er im Gestirne den Namen des Grals, und daß eine Schar ihn auf der Erde zurückgelaßen und getaufter Frucht, d. h. Christen, zur Hut übergeben habe, selbst aber wieder hoch über die Sterne hinaufgefahren sei. »So schrieb davon Flegetanis, und zwar in heidnischer, d. h. arabischer, Schrift, die Kiot zu Toledo verworfen liegen fand.« Dieß berichtet unser Dichter 454 selbst; was er weiterhin (471, 15 ff.) dem Trevrezent in den Mund legt: Diejenigen Engel, welche bei Lucifers Kampf gegen die Dreieinigkeit unthätig zugesehen hätten, müsten des Grales pflegen, widerruft derselbe 798 und erklärt, er habe es nur vorgegeben, um den Parzival von dem Grale abzuleiten, den doch Niemand erstreiten könne.

Es scheint nicht, daß Flegetanis mehr als dieß, und etwa noch von der wunderbaren Kraft und Natur des Grals, berichtet habe: von seinen Hütern, von Parzival und Titurel, von Sigunen und Schionatulander u. s. w. wird ihm keine Kenntniss zugeschrieben: denn der Dichter läßt den obigen Worten: »So schrieb davon Flegetanis«, unmittelbar folgen, Kiot habe darauf in lateinischen Büchern nachgeforscht, wo ein Volk gewesen wäre, das den Gral zu pflegen gewürdigt worden. Wenn an einer andern Stelle dem Dichter der Ausdruck entschlüpft, Kiot habe der Provenzale geheißen, der die Märe von Parzival heidnisch geschrieben sah, so kann er sich hier nicht genau ausgedrückt haben. Nur die Aventüre von dem Gral, nicht jene von Parzival u. s. w. soll das toledanische Manuskript enthalten haben: sonst hätte Kiot nicht nöthig gehabt, in lateinischen Büchern darnach zu suchen.


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