Wolfram von Eschenbach
Parzival und Titurel
Wolfram von Eschenbach

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XIV.
Gramoflanz.

Inhalt.

Der Ritter, mit welchem Gawan in Kampf geräth, weil er ihn für Gramoflanz hält, trägt von dessen Baum einen Kranz und reitet, wie er selbst, ein Pferd mit dem Wappen des Grals. Als die Boten des Artus von Gramoflanz zurückkehren, der ihnen auf dem Fuße folgt, finden sie Gawanen im Begriff, dem Unbekannten zu unterliegen und rufen klagend seinen Namen aus. Darüber bestürzt giebt sich der Sieger als Parzival zu erkennen. Ohnmächtig sinkt Gawan zur Erde, erst von einem der Boten, dann von Benen gepflegt, die mit Gramoflanz hinzukommt. Der verabredete Zweikampf wird auf den andern Morgen vertagt, obgleich Parzival bereit ist, sogleich für den erschöpften Gawan zu kämpfen, was Gramoflanz ablehnt und deßhalb von Benen gescholten wird. Parzival wird den vier Königinnen und Orgelusen vorgestellt; letztere kann ihm ihre Verschmähung nicht vergeben. Artus nimmt ihn wieder in die Tafelrunde auf; gleichwohl weigert sich Gawan, ihm den Zweikampf mit Gramoflanz zu überlaßen. Als er sich aber am Morgen gestellt, ist ihm Parzival zuvorgekommen und Gramoflanz besiegt, dessen Zweikampf mit Gawan nun ebenfalls auf morgen verschoben wird. Gramoflanz giebt den Boten, die Artus ersuchen sollen, ihm dießmal den rechten Kampfgenoßen zuzuschicken, einen Brief an Itonjê mit. Bestürzt über den Zweikampf des Bruders und des Geliebten, wendet sich diese durch Arnivens Vermittlung an Artus, welcher dem Kampf zu wehren verspricht, als er aus dem Minnebrief des Königs, den Benes Geschicklichkeit zur rechten Zeit herbeischafft, ersieht, daß es diesem mit Itonjê Ernst ist. Er bescheidet die Boten, schickt Benen mit ihnen und läßt Gramoflanz zu sich laden, welchem Beaukorps, Gawans und Itonjês Bruder, entgegenreitet. An der Aehnlichkeit mit diesem erkennt Gramoflanz die Geliebte, die er jetzt zum ersten Mal sieht. Artus und Brandelidelein, Gramoflanzens Oheim, beschließen die Sühne zu stiften, die mit Beitritt der Herzogin unter der Bedingung zu Stande kommt, daß der König auch dem Anspruch wegen seines Vaters Ermordung entsage. Darauf wird Gramoflanz mit Itonjê, Lischois mit Kondriê, Sangive mit dem Türkowiten vermählt, und die Hochzeit prächtig begangen, zumal nun auch die Herzogin ihre Vermählung mit Gawan veröffentlicht, und Gramoflanz sein Heer herbeizieht und jeden seiner Fürsten ein Sonderlager aufschlagen heißt. Parzival, dessen Stimmung zu diesen Freuden nicht passt, reitet heimlich hinweg.

 

        679   Wenn von dem werthen Gawan
Eine Tjost hier wehrlich wird gethan,
So bangt ich wahrlich nimmermehr
Für ihn bei einem Kampf so sehr.
5   Zwar geht mir auch der Andre nah,
Doch keine Sorge hab ich da:
Der war Einem Mann ein Heer.
Aus der Heidenschaft fern über Meer
War seines Helmes Schmuck gebracht.
10   Röther als Rubinenpracht
War ihm das Kleid und seiner Mähre.
Auf Abenteuer ritt der Hehre;
Sein Schild war ganz durchstochen.
Auch hatt er sich gebrochen
15   Von dem Baum, den Gramoflanz
Hegte, einen lichten Kranz:
Das Reis erkannte wohl Gawan.
Er sorgte, Schande würd ihm nahn,
Wollte hier der König mit ihm streiten.
20   Sah er ihn sich entgegen reiten,
So müst auch hier der Kampf geschehn,
Sollt ihn der Frauen Keine sehn.

Ihre Rosse beidesamt
Sind von Monsalväsch entstammt,

25   Die sich hier mit Schnaufen
In der Tjost entgegenlaufen,
Wie der Ritter Sporn sie mahnt.
Grüner Klee, nicht staubger Sand,
Stand thauig, wo sich hub ihr Streit.
Mir wäre Beider Schade leid.
680   Sie ritten ihren Anlauf recht:
Aus tjostierendem Geschlecht
Gezeugt sind beide und geboren.
Wenig gewonnen, viel verloren
5   Hat, wer hier den Preis erringt;
Nur Klag ists, was der Sieg ihm bringt.
Nah befreundet sind die Helden;
Von keiner Scharte wär zu melden,
Die ihre Treue je empfing.
10   Nun höret wie die Tjost erging:

Hurtiglich und dennoch so,
Des Erfolgs war Keiner froh.
Nahe Sippe, traute Brüderschaft
War da mit scharfen Haßes Kraft

15   Im Kampf zusammen gekommen.
Von wem der Preis auch wird genommen,
Seine Freud ist drum der Sorge Pfand.
Die Tjoste brachte beider Hand,
Daß die Freunde, die Gesellen
20   Einander musten fällen
Mit Ross und Zeug zur Erde.
Beide erwarben sie Beschwerde.
Jetzt die Schwerter schnell gezückt
Und der Schilde Rand zerstückt!
25   Grünes Gras und Schildes Scherben
Sah man vermischt den Boden färben,
Seit sie da kämpften beide.
Sie harrten dessen, der sie scheide
Zu lang; sie hattens früh begonnen.
Sie zu scheiden wollte Niemand kommen.

681  

Niemand war noch da als sie.
Wollt ihr nun vernehmen, wie,
Da sie im Kampfe standen,
Artusens Boten fanden

5   Gramoflanzen und sein Heer?
Auf einem Plan wars bei dem Meer:
Diesseits floß der Sabins,
Jenseits der Poinzaklins,
Die hier sich beid ins Meer ergoßen.
10   Die vierte Seite ward geschloßen
Von des Landes Hauptstadt,
Die Roschsabins den Namen hat.
Sie stand mit Mauern und mit Graben
Und manchem Thurme hoch erhaben.
15   Sein Heer die Boten lagern sahn
Wohl meilenlang auf diesem Plan
Und wohl in halber Meilen Breite.
Auch sahn sie sich entgegen reiten
Manchen Ritter unbekannt,
20   Bogenschützen, Knappen allerhand,
Deren jeder Lanz und Harnisch trug.
Hinter diesen schloß den Zug
Unter mancherlei Panieren
Manche Rotte von Soldieren.

25  

Bei der Posaunen lautem Krachen
Begann das Heer sich aufzumachen:
Man sah es sich bereiten
Gen Joflanz zu reiten.
Hört die Frauenzäume klingeln!
Den König Gramoflanz umzingeln

682  

Edle Fraun in weitem Kreiß.
Wofern ich zu erzählen weiß,
So meld ich, wer auf grünem Gras
Sich hier die Herberge maß.
5   Wer dem König war zu Hülf gekommen,
Habt ihr das noch nicht vernommen,
Wohlan, so mach ichs jetzt euch kund.
Aus der waßerfesten Stadt zu Punt
Bracht ihm der werthe Oheim sein,
10   Der König Brandelidelein,
Sechshundert klare Frauen.
Auch mochte Jede schauen
Ihren Ritter, der erschienen
War ihr um Minnesold zu dienen.
15   Die kühnen Punturteise
Waren gern bei dieser Reise.

Da war auch, glaubt ihr mirs,
Der klare Bernaut de Riviers;
Sein reicher Vater Narant

20   Hinterließ ihm Uckerland.
Er führt' in Schiffen über Meer
Ein so klares Frauenheer,
Daß man viel von ihrer Schönheit sprach;
Ihnen sagte Niemand Andres nach.
25   Deren wurden zweihundert
Noch als Mägdelein bewundert,
Zweihundert hatten schon den Mann.
Wenn ichs recht ermeßen kann,
Bernaut Fils dü Comt Narant,
Fünfhundert Ritter auserkannt
683   Zählt' er in seinen Scharen,
Nicht gewohnt den Feind zu sparen.

So wollte König Gramoflanz
Im Kampfe rächen seinen Kranz

5   Und hier den Preis erbeuten
Vor so viel werthen Leuten.
Seines Landes Fürsten waren
Dort mit kühner Ritter Scharen
Und mit Frauen wohlgethan;
10   Man sah da manchen stolzen Mann.
Da nun Artusens Boten nahn,
Hört, wie sie den König sahn:
Ein hohes Polster von Palmat
Zum Sitz er sich erkoren hat,
15   Gesteppt mit breitem Seidentuch.
Jungfraun schön und klar genug
Schuhten Eisenkolzen
Dem König an, dem stolzen.
Ein köstlich Pfellel hoch zu loben
20   In Ecidemonis gewoben
Hoch über ihn sich breit und lang
Vor der Sonne schattend schwang,
An zwölf Schäfte genommen.
Als die Boten vor ihn kommen,
25   Zu dem, der aller Hochfahrt Hort
Trägt, beginnen sie sofort:

»Herr, uns hat hieher gesandt
Artus, der, wie euch wohl bekannt,
Oft den Preis von hinnen trug;
Er hat auch Würdigkeit genug.

684   Die wollt ihr jetzt ihm kränken.
Wie mögt ihrs nur erdenken,
Daß ihr seiner Schwester Kind
Ernsten Kampf zu bieten sinnt?
5   Hätt euch der werthe Gawan
Größer Herzeleid gethan,
So sollt ihm doch zu Statten kommen,
Daß ihn gesellig aufgenommen
Hat die werthe Tafelrunde,
10   Und er ein Stolz ist diesem Bunde.«

»Den Kampf, den ich ihm zugesagt,«
Sprach der König, »kämpf ich unverzagt
Noch diesen Tag, mag nun Gawan
Schmach oder Preis davon empfahn.

15   Wohl hab ichs für gewiss vernommen,
Artus sei mit Gefolg gekommen
Und sein Weib, die Königin;
Die sei willkommen immerhin.
Ob nun wider mich zum Zorne
20   Die arge Herzogin ihn sporne,
So hab ich Volk mir beizustehn.
Mein Entschluß bleibt doch bestehn,
Daß ich dem Kampf mich stellen will.
Ich habe Ritter wohl so viel,
25   Ich brauche nicht Gewalt zu scheun.
Die mir von Einem möge dräun,
Die Noth will ich erleiden.
Sollt ich das nun vermeiden,
Wes ich mich wieder ihn vermaß,
Ich wär im Minnedienst zu laß.
685   In deren Gnad ich mein Leben,
All meine Freude hab ergeben,
Gott weiß was er ihr schuldig ist.
Ich verschmähte bis auf diese Frist
5   Kampf wider Einen Mann;
Doch da der werthe Gawan
So viel gethan sie zu befrein,
So kämpf ich wider ihn allein.
Hier beugt sich meine Mannheit:
10   Denn ich focht noch nie so leichten Streit.
Gefochten hab ich, darf ich sagen,
Ihr mögt euch, wenn ihr wollt befragen,
Mit Helden, die es meiner Hand
Bezeugten, daß sie kühn bestand.
15   Mit Einem kämpft ich noch mit Nichten;
Auch will ich gern darauf verzichten,
Daß mich Frauen loben, sieg ich heut.
Es hat im Herzen mich gefreut,
Daß sie erledigt ward der Banden.
20   Für die heut Gawan wird bestanden.
Artus, der König weit erkannt,
Des Gebot in fernem Land
Ehrerbietig wird vernommen,
Vielleicht ist sie mit ihm gekommen,
25   Der ich bis an meinen Tod
Dienen will in Freud und Noth,
Möcht ihr nur mein Dienst genügen.
Wie konnt es sich mir beßer fügen,
Wenn mir das Heil soll geschehn,
Daß sie meinen Kampf geruht zu sehn.«

686  

Benen schuf der Kampf nicht Harm
(Die saß hier an des Königs Arm):
Da sie des Königs Mannheit
Oft bewährt gesehn im Streit,

5   So fochten Sorgen sie nicht an.
Doch wüste sie, daß Gawan
Ihrer Herrin Bruder wäre,
Und der es war, der mit dem Heere
Wider den König kam gezogen,
10   Um die Freude wär auch sie betrogen.

Ein Ringlein brachte sie dahin,
Das Itonjê, die Königin,
Ihm als Minnezeichen zugesandt,
Und jüngst ihr Bruder auserkannt

15   Geholt hatt über den Sabins.
Bene war den Poinzaklins
In einem Kahn herabgeschwommen.
Diese Märe ließ sie nicht verkommen:
»Meine Frau mit Frauenscharen
20   Ist von Schatelmerveil gefahren.«
Sie mahnt' ihn mehr von Itonjê
An Lieb und Treue, als wohl je
Einem Mann ein Kind entbot,
Und daß er dächte ihrer Noth,
25   Da sie jeglichem Gewinne
Vorzöge seine Minne.
Das macht den König wohlgemuth,
Obwohl er Gawan Unrecht thut.
Entgält ich so der Schwester mein,
Lieber wollt ich ohne Schwester sein.

687  

Man bracht ihm Waffenschmuck: der war
So herlich und so kostbar,
Wen je die Minne so bezwang,
Daß nach der Frauen Lohn er rang,

5   Gachmuret oder Galoes,
Oder der König Kilikrates,
Den sah man nimmer für ein Weib
So köstlich schmücken seinen Leib.
Von Ipopotitikon,
10   Oder aus der weiten Akraton,
Oder von Kalidomente,
Oder Agatirsiente
Ward nimmer beßrer Stoff gebracht,
Als ihm verwandt war zu der Tracht.
15   Da küsst' er jenes Ringelein,
Das Itonjê die Köngin rein,
Als Minnezeichen ihm gesandt.
Ihrer Treue Kraft war ihm bekannt:
Hätt er ein Unglück zu befahren,
20   Ihrer Minne Schild würd ihn bewahren.

Gewappnet stand nun Gramoflanz:
Jungfrauen zwölf, ein schöner Kranz,
Sah man auf edeln Rossen ragen.
Ihnen war es aufgetragen,

25   Der blühenden Genossenschaft:
Jegliche hatt an einen Schaft
Den theuern Baldachin genommen,
Unter dem der König wollte kommen.
Schattend trugen sie hindann
Ihn über dem beherzten Mann.
688   Von hohem Wuchs zwei Mägdelein
(Sie trugen dort den schönsten Schein)
Ritten in des Königs Hut.
Den Boten schien Verzug nicht gut;
5   Zu Artus fuhren sie hindann
Und trafen auf der Heimfahrt an
Gawanen, der da focht den Streit.
Das war den Knappen wunderleid:
Sie schrieen laut um seine Noth,
10   Wie ihnen Treue das gebot.

Dahin gekommen wars beinah,
Daß den Sieg erfochten da
Hätte Gawans Kampfgenoß.
Seine Ohnmacht war so groß,

15   Daß Gawan vor seinen Streichen,
Der werthe Degen, wollte weichen,
Als klagend seinen Namen nannten
Die Knappen, da sie ihn erkannten.

Der zum Streit erst war mit ihm bereit,

20   Vermied da wider ihn den Streit.
Fern aus der Hand warf er das Schwert:
»Unselig bin ich und entehrt,«
Sprach mit Weinen der Gast,
»Allem Glücke ganz verhaßt,
25   Daß meine schuldige Hand
Jemals solchen Streit bestand.
Zu große Schmach muß ich erleben,
Ich will mich selber schuldig geben;
Mein Unheil riß mich wieder fort
Und schied mich von des Heiles Hort.
689   Mein altes Wappen ist dieß Leid,
Das oft und aber sich erneut.
Daß mit dem werthen Gawan
Ich solchen Kampf allhier begann!
5   Mein eignes Glück hab ich bestritten,
Von mir selber Niederlag erlitten.
Mir waren Heil und Glück entronnen,
Da ich diesen Kampf begonnen.«

Gawan die Klage hört und sah,

10   Zu seinem Gegner sprach er da:
»O sagt mir, Herr, wie heißet ihr?
Ihr redet gnädiglich von mir.
Was sprachet ihr nicht so zuvor,
Eh ich noch meine Kraft verlor:
15   So wär nicht all mein Preis zerronnen;
Ihr habt den Preis allhier gewonnen.
Gern möcht ich euern Namen wißen:
Wär ich zu suchen dann beflißen
Meinen Preis, so wüst ich wo.
20   Eh mich mein guter Stern noch floh,
Erlag ich niemals Einem Mann.«
»Mein Name sei dir kundgethan
Freundlich nun und allemal:
Ich bin dein Vetter Parzival.«
25   »Recht,« sprach Gawan, »so werden grade
Kurzsichtger Thorheit krumme Pfade.
Zwei treuer Herzen Einfalt
That sich haßend hier Gewalt.
Uns beide überwand dein Streit:
Das sei dir für uns beide leid.
690   Dich selber hast du überwunden,
Wird Treue noch bei dir gefunden.«

Da diese Rede war gethan,
Vor Ohnmacht konnte Herr Gawan

5   Auf seinen Füßen nicht mehr stehn:
Man sah ihn schwankend, schwindelnd gehn.
Ihm war das Haupt betäubt von Streichen,
Aufs Gras hin sank er mit Erbleichen.
Artusens Junker eilte hin
10   Sein Haupt in seinen Schooß zu ziehn.
Da band den Helm das süße Kind
Ihm ab und wehte kühlen Wind
Mit dem Pfauenhut, dem weißen,
Ihm ins Gesicht. Des Kinds Befleißen
15   Ließ die Kraft ihm wiederkehren.
Da nahte sich von beiden Heeren
Des Volkes viel. Denn dort und hier
War abgesteckt das Kampfrevier
Und wurden Schranken eingestoßen
20   Mit Bäumen, spiegelglatten, großen.

Gramoflanz bestritt die Kosten
Für den Kampfplatz und die Pfosten.
Der Bäume waren hundert,
Um lichten Glanz bewundert.

25   Dazwischen durfte niemand kommen.
Sie standen, so hab ichs vernommen,
Von einander vierzig Rennen,
In Farben, die glänzend brennen,
Funfzig auf jeder Seite;
Dazwischen Raum zum Streite.
691   Das Heer soll draußen Frieden haben,
Als schiedens Maur und tiefe Graben:
So gelobten sich es an
Gramoflanz und Gawan.

5  

Zu dem unverheißnen Streit
Kam großes Volk zu gleicher Zeit
Aus beiden Heeren, daß es sähe,
Wie der verheißene geschähe.
Wunder nahm sie, wer da stritte

10   Mit so streitbarer Sitte,
Und wie der Streit wär angefacht.
Seine Kämpfer hatte doch gebracht
Zu diesem Kampfe keins der Heere;
Drum dauchte seltsam sie die Märe.

15  

Als der Kampf war gethan
Auf dem blumigen Plan,
Da kam der König Gramoflanz
Und wollte rächen seinen Kranz.
Er vernahm, hier sei ein Kampf geschehn,

20   So heftig, daß man nie gesehn
Schärfern Streit mit Schwerten.
Die sich diesen Kampf gewährten,
Die waren ohne Schuld daran.
Gramoflanz von seinem Bann
25   Ritt zu den Streitmüden hin
Und beklagte herzlich ihre Mühn.

Aufgestanden ist Gawan,
Obgleich er kaum sich regen kann.
Nun stehn hier diese Zwene.
Da war auch Fräulein Bene

692   Mit dem König in den Kreiß geritten,
Wo dieser Kampf ward gestritten.
Da sie sah, wie der die Kraft verloren,
Den sie vor aller Welt erkoren
5   Zu ihrer höchsten Freudenkrone,
Mit des Herzens Jammertone
Sie von dem Pferde schreiend sprang:
Mit den Armen sie ihn fest umschlang
Und sprach: »Verflucht sei dessen Hand,
10   Der dieses Leid euch hat gesandt
Und euerm schönen Leibe klar.
Verflucht der Welt! Das ist wahr,
Ihr schienet stäts der Mannheit Spiegel.«
Sie setzt' ihn auf den Rasenhügel;
15   Mit Weinen ward er lang beklagt.
Auch streichelt' ihm die süße Magd
Aus den Augen Blut und Schweiß.
Noch war ihm in dem Harnisch heiß.

Gramoflanz der König sprach:

20   »Mir ist leid, Gawan, dein Ungemach,
Da ich es dir nicht angethan.
Willst du morgen wieder auf den Plan
Mir zum Kampf entgegen reiten,
So will ich gerne mit dir streiten.
25   Ich bestünde lieber jetzt ein Weib
Als deinen kraftlosen Leib.
Wie erwürb ich an dir Preis,
Bevor ich dich bei Kräften weiß?
Ruh diese Nacht: das ist dir Noth,
Eh du vertrittst den König Loth.«

693  

Der starke Parzival noch trug
Von Schwäch und Müde keinen Zug;
Auch war er ohne Wunden.
Er stand des Helms entbunden,

5   Da ihn der werthe König sah;
Zu dem begann er höfisch da:
»Herr, was mein Vetter Gawan
Euch zu Leide hat gethan,
Nehmet mich dafür zum Pfand.
10   Wehrlich noch ist meine Hand.
Euern Zorn auf ihn zu kehren,
Das will ich euch mit Schwertern wehren.«

Da sprach der Wirth von Roschsabins:
»Herr, er zahlt mir Morgen Zins

15   Und vergilt mir also meinen Kranz,
Daß der ergrünt in frischem Glanz;
Wo nicht, so muß es ihm gelingen
Mich auf der Schande Bahn zu bringen.
Ihr mögt wohl anders sein ein Held;
20   Hier seid ihr nicht zum Kampf bestellt.«

Im Zorn sprach Benes süßer Mund:
»Pfui, ihr ungetreuer Hund!
Euer Herz hat der befreit,
Dem euer Herz trägt Haß und Neid!

25   Der ihr euch minnend habt ergeben,
Die dankt ihm Freiheit, dankt ihm Leben.
So habt ihr selbst den Sieg verschworen,
An Minne jedes Recht verloren;
Und trugt ihr jemals Minne,
So wars aus falschem Sinne.«

694  

Als Gramoflanz sie zornig sah,
Beiseite zog er Benen da
Und bat sie: »Freundin, zürnet nicht
Diesen Kampf gebeut mir Pflicht.

5   Verbleib hier bei dem Herren dein;
Itonjen sag, der Schwester sein,
Ich sei und bleib ihr Dienstmann
Und woll ihr dienen, wo ich kann.«

Da Benen diese Kunde kam,

10   Und sies aus seinem Mund vernahm,
Ihrer Herrin Bruder wär Gawan,
Der da solle kämpfen auf dem Plan,
Da zog des Jammers Ruder
In ihr Herz wohl ein Fuder
15   Der herzlichen Schmerzen,
Da Treu ihr wohnt' im Herzen.
Sie sprach: »Fahr hin, verfluchter Mann,
Der Lieb und Treue nie gewann.«

Hin ritt der König mit den Seinen.

20   Artusens Junker, die kleinen,
Fingen beider Kämpfer Pferde
Noch müde von des Kampfs Beschwerde.
Parzival mit Gawanen
Und Benen, der wohlgethanen,
25   Ritten heim zu Artus Heer.
Parzival mit kühner Wehr
Den Preis errungen hatt er so,
Seiner Ankunft war man froh.
Von allen, die ihn sahen kommen,
Ward seines Lobes viel vernommen.

695  

Ich sag euch mehr noch, wenn ich kann.
Hier sprachen von dem einen Mann
In beiden Heeren alle Weisen:
Jeglicher begann zu preisen

5   Seine ritterliche That.
»Der hier den Preis gewonnen hat,
Es war, gestehn wirs, Parzival.«
Er war doch auch so schön zumal,
Wie nie ein Ritter wohlgethan;
10   Das gestand ihm Weib und Mann,
Da er mit Gawan trat ins Zelt.
Eins versäumte nicht der Held:
Er bat ihn, sich umzukleiden.
Da brachte man diesen beiden
15   Gleiches köstliches Gewand.
Da ward es überall bekannt,
Parzival wär angekommen,
Von dem ein Jeder oft vernommen,
Daß er hohen Preis errungen:
20   Die Alten sagtens und die Jungen.

Gawan sprach: »Willst du schauen
Vier auch dir verwandte Frauen,
Und andre Frauen klar und schön,
So will ich gerne mit dir gehn.«

25   Da versetzte Gachmuretens Kind:
»Wenn hier werthe Frauen sind,
Mit mir beschwere du sie nicht,
Da jede ungern mit mir spricht,
Die an des Plimizöls Gestad
Meine Lästerung vernommen hat.
696   Gott mög ihrer Ehre pflegen:
Allen Fraun erfleh ich Heil und Segen;
Doch schäm ich mich in ihrer Nähe
So sehr, daß ich sie ungern sähe.«

5  

»Es muß doch sein,« sprach Gawan.
Da ließ er Parzival empfahn
Der vier Königinnen Ehrenkuss.
Wohl schufs der Herzogin Verdruß,
Daß sie den küssen sollte,

10   Der von ihrem Kuss nichts wißen wollte,
Da sie Hand und Land ihm bot
(Darüber schuf nun Scham ihr Noth),
Als er vor Logrois gestritten,
Und sie ihm weit war nachgeritten.
15   Parzival der Degen klar,
Wie befangen erst er war,
Als ein Wort das andre gab,
Ließ davon allmählich ab;
Die Scham aus seinem Herzen floh,
20   Er wurde wieder frei und froh.

Herr Gawan mit Wohlbedacht
Gebot bei seines Willens Macht
Frau Benen, daß ihr süßer Mund
Es nicht Itonjen machte kund,

25   »Daß der König Gramoflanz
So mich haßt um seinen Kranz,
Und daß wir morgen neuen Streit
Kämpfen zu des Kampfes Zeit:
Meiner Schwester sollst du das nicht sagen;
Und laß mit Weinen ab und Klagen.«
697   Sie sprach: »Ich habe Grund zu weinen
Und zu klagen, sollt ich meinen:
Denn wer auch morgen unterliegt,
Meiner Frau wird Unheil zugefügt:
5   Ihr Glück ist jeden Falls erschlagen;
Meine Frau und mich muß ich wohl klagen.
Was hilfts, daß ihr ihr Bruder seid?
Mit ihrem Herzen kämpft ihr Streit.«

Das ganze Heer war heimgekehrt.

10   Gawan und seinen Freunden werth
War bereit das Mittagsmal.
Da sollte mein Herr Parzival
Mit der Herzogin eßen:
Gawan durft es nicht vergeßen,
15   Er befahl den Degen ihr.
»Befehlen,« sprach sie, »wollt ihr mir
Ihn, der der Frauen spotten kann?
Wie sollt ich pflegen diesen Mann?
Doch dien ich ihm, weil ihrs gebietet,
20   Ob er den Dienst mit Spott vergütet.«
Gachmurets Sohn sprach zu ihr:
»Frau, wie Unrecht thut ihr mir!
Mir wohnt wohl so viel Weisheit bei,
Die Frauen laß ich Spottes frei.«

25  

Eßens gab man da genug:
Mit großer Zucht mans vor sie trug.
Mit Freuden aß Magd, Weib und Mann.
Doch Itonje sah es Benen an,
Sie konnt in ihren Augen lesen,
Daß sie von Weinen feucht gewesen.

698   Da ward sie auch vor Jammer bleich,
Alle Speise mied sie gleich.
Sie dachte: »Wie kommt Bene her?
Sandt' ich sie nicht zu Jenem, der
5   Dort mein Herz gefangen trägt
Und mich so unsanft hier bewegt?
Was hab ich wider ihn verbrochen?
Hat sich der König losgesprochen
Meines Dienstes, meiner Minne?
10   Mit mannlich streitbarem Sinne
Mag er an mir nicht mehr erwerben,
Als daß ich Arme muß ersterben
In sehnsüchtiger Klage,
Die ich schon lang im Herzen trage.«

15  

Da das Mal ward aufgehoben
War schon der mitte Tag verstoben.
Da ritt Artus der König hehr
Und sein Gemahl Frau Ginover
Mit den Rittern all und Frauen

20   Hin, wo der Degen war zu schauen
Unter werther Frauen Zahl.
Da ward empfangen Parzival:
Von viel Frauen wohlgethan
Must er Gruß und Kuss empfahn.
25   Viel Ehre bot ihm Artus dort
Und dankt' ihm auch mit holdem Wort,
Daß seine hohe Würdigkeit
Die Welt erkenne weit und breit,
Und er den Preis vor Jedermann
Zu Lohne billig sollt empfahn.

699  

Zu Artus sprach der Waleis da:
»Herr, als ich zuletzt euch sah,
Ward mir die Ehre schwer verletzt:
So viel Preis hab ich zu Pfand gesetzt,

5   Schier wär ich ganz darum gekommen.
Nun hab ich, Herr, von euch vernommen,
Wenn ihr die volle Wahrheit sprecht,
Ich habe noch am Preis ein Recht.
Ob ich das zweifelnd lerne,
10   So glaubt' ich doch euch gerne,
Wollt es auch glauben jener Orden,
Aus dem ich dort verstoßen worden.«
Die Ritter all gestanden,
Weit hab er in den Landen
15   Den Preis mit solchem Preis erworben,
Daß sein Preis wär unverdorben.

Die Ritter auch der Herzogin
Kamen allzumal dahin,
Wo Parzival bei Artus saß.

20   Der werthe König nicht vergaß,
Er empfing sie in des Wirthes Kreise.
Artus, der höfische und weise,
Wie weit auch war Gawans Gezelt,
Er setzte sich davor aufs Feld.
25   Sie saßen all im Kreiß umher,
Versammelt ward ein buntes Heer.
Wer dieser oder jener wäre,
Wohl gäb es eine lange Märe,
Sollt ich sie namentlich erwähnen,
Die Christen und die Sarazenen.
700   Wie hießen die in Klinschors Heer?
Wie jene, die so wohl zur Wehr
So oft von Logrois sind geritten,
Wenn sie für Orgeluse stritten?
5   Wer waren, die mit Artus kamen?
Der euch Aller Land, Geschlecht und Namen
Nennen sollte, wie die hießen,
Den müste keiner Müh verdrießen.
Doch sie gestanden insgemein,
10   Der Preis sei Parzivals allein:
Der sei so klar und schön zu schauen,
Daß ihn wohl minnen dürften Frauen.
Und daß ihm keine Tugend fehle,
Die man zu hohem Preise zähle.

15  

Da erhob sich Gachmuretens Kind
Und sprach: »Ihr Alle, die hier sind,
Helft mir jetzt zu einer Ehre,
Die ich ungern entbehre.
Mich vertrieb ein seltsam Wunder

20   Aus der Schar der Tafelrunder.
Ihr verhießt mir einst Genoßenschaft:
Helft mir mit vereinter Kraft
Nun dazu.« Gern gewährte
Artus ihm, was er begehrte.

25  

Mit Wenigen beiseite trat er;
Eine zweite Gunst erbat er:
Daß Herr Gawan ihm den Streit
Ließe, den zur Kampfeszeit
Er am Morgen sollte kämpfen.
»Ich möchte gern den Stolz ihm dämpfen,

701   Der sich nennt Roi Gramoflanz.
Heute Morgen einen Kranz
Brach ich mir von seinem Baum,
Daß er zum Streit mir gäbe Raum.
5   Zum Streit nur kam ich in sein Land,
Zu streiten wider seine Hand.
Dein, Freund, hatt ich mich nicht versehn;
Auch ist mir nie so leid geschehn:
Ich meinte, daß es Jener wäre,
10   Der mir Kampf mit sich gewähre.
Nun laß mich, Freund, ihn noch bestehn.
Soll er den Sieger jemals sehn,
Ich hoff ihm Schaden zuzufügen
Der ihm billig mag genügen.
15   Mir ist mein Recht zurückgegeben,
Ich darf nun gesellig leben,
Lieber Vetter, mit dir.
Gedenke, Blutsfreund bist du mir,
Und überlaß mir den Streit:
20   Ich will da zeigen Mannheit.«

Da sprach Gawan der Degen hehr:
»Vettern, Brüder hab ich mehr
Beim König von Bretagne hier;
Doch ihrer Keinem noch dir

25   Gestatt ich, daß er für mich fechte.
Ich vertraue meinem Rechte,
Das Glück werd also walten,
Daß der Sieg mir bleib erhalten.
Gott lohne dir den guten Willen,
Doch muß ich selbst die Pflicht erfüllen.«
702   Als Artus hörte, was man sprach,
Ihr Gespräch er unterbrach
Und nahm mit ihnen Platz im Kreise.
Gawans Schenke höfscher Weise
5   Schickte Junker viel umher,
Die Becher trugen goldenschwer,
Besetzt mit edelm Gestein.
Der Schenke diente nicht allein.
Da das Schenken war geschehn,
10   Das Volk brach auf, zur Ruh zu gehn.
Mählich sank herab die Nacht.
Parzival mit Vorbedacht
Sah sein Rüstgeräthe nach.
Wo ein Riemen ihm gebrach,
15   Das ließ er gleich besorgen,
Daß es fertig wär am Morgen;
Auch einen neuen Schild gewinnen,
Da seinen außen und innen
Zerschlagen hatten Feindeswaffen.
20   Man must ihm einen starken schaffen.
Den brachten aus fremdem Land
Söldner, die ihm unbekannt;
Etliche darunter Franzen.
Das Ross, darauf zum Spiel der Lanzen
25   Er einst sich sah den Templer nahn,
Ein Knappe nahm sich dessen an,
Daß es schmuck wär und bereit.
Nun war es Nacht und Schlafenszeit.
Schlafen ging auch Parzival;
Sein Rüstgeräth lag vor ihm all.

703  

Es kränkt' auch König Gramoflanz,
Daß ein andrer Mann für seinen Kranz
Denselben Tag gefochten.
Die Seinigen vermochten

5   Nicht zu beschwichtigen sein Trauern.
Er konnt es nie genug bedauern,
Daß er zu spät kam auf den Plan.
Was der Held da begann?
Der oft schon Preis erjagte,
10   Hier war er, als es tagte,
Gewappnet samt dem Ross zu schaun.
Ob wohl überreiche Fraun
Zu seiner Rüstung gaben Steuer?
Sie war auch so schon reich und theuer.
15   Er schmückte sich für eine Magd:
Der zu dienen war er unverzagt.
So ritt er auf die Wart allein.
Dem König schufs nicht wenig Pein,
Daß der werthe Gawan
20   Nicht alsbald kam auf den Plan.

Nun hatte sich auch verhohlen
Parzival hinaus gestohlen.
Der Held von einem Banner nahm
Einen starken Sper von Agram;

25   Auch hatt er volle Rüstung an.
So ritt er ganz allein hindann
Zu den Bäumen spiegelhelle,
Der erwähnten Kampfesstelle.
Der König, sah er, hielt schon dort.
Eh der Eine noch ein Wort
704   Zu dem Andern gesprochen,
Hatte jeder schon gestochen
Den Andern durch den Schildesrand,
Daß die Stücke von der Hand
5   Wirbelten in der Luft Revieren.
Sie waren beid im Tiostieren
Stark und in anderm Streite.
Auf des Angers Weite
Ward der Morgenthau zerführt,
10   Die Helme unsanft oft berührt
Mit scharfgewetzter Schneide.
Ohne Zagen stritten beide.

Zertreten ward die grüne Au,
An mancher Statt verwischt der Thau.

15   Auch reuen mich die Blumen roth,
Noch mehr die Helden, die da Noth
Litten ohne Zagheit.
Wem war das lieb und nicht leid,
Dem sie niemals weh gethan?
20   Nun machte sich auch Herr Gawan
Bereit zu seines Kampfes Sorgen.
Es währte bis zum mitten Morgen,
Eh man erfuhr die Märe
Daß verschwunden wäre
25   Parzival der kühne.
Betrieb er dort die Sühne?
So stellt' er wahrlich sich nicht an:
Denn er stritt wie ein Mann
Mit dem, der auch wohl streiten mag.
Nun war es hoch schon am Tag.

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