Wolfram von Eschenbach
Parzival und Titurel
Wolfram von Eschenbach

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        Früh aß man heut in Gawans Zelt,
Da von Thasme der werthe Held,
Feirefiss Anschewein,
10   Ungespeist war, gleich dem Bruder sein.
Da lagen Polster hoch und lang
Im Kreiß umher auf mancher Bank.
Weiche Decken aller Art,
Von Palmat, wurden nicht gespart.
15   Die Polster reich damit gedeckt;
Darauf war theures Tuch gesteppt,
Zu vollem Maße lang und breit.
Klinschors ganze Herlichkeit
Ward da zur Schau hervorgetragen.
20   Als Tapeten, hört ich sagen,
Wurden Decken aufgehangen;
Die sah man köstlich prangen
An vier Seiten des Raumes.
Darunter Polster sanften Flaumes
25   Mit weichern Kissen überdeckt,
Die Vorhänge drauf gesteckt.

Der Kreiß begriff ein weites Feld,
Sechs Zelte hätte man gestellt
Ohne Gedränge der Schnüre:
Doch weil ich unklug verführe,

761   Laß ichs hiebei bewenden.
Da ließ Herr Gawan senden
Zu Artus, der noch nicht vernommen,
Was für ein Gast ihm war gekommen.
5   Der reiche Heide wäre da,
Den die Heidin Ekuba
So gepriesen an dem Plimizöl.
Jofreit, Fils Idöl,
War es, ders Artusen sagte,
10   Dem solche Märe wohlbehagte.

Jofreit bat ihn, gleich zu eßen
Und nach Tisch nicht zu vergeßen,
Daß er mit Rittern und mit Fraun
Höfisch kam: den Gast zu schaun:

15   Denn also würde Zucht begangen
Und würdiglich bei Hof empfangen
Gachmuretens stolzes Kind.
»So viel hier werthe Leute sind,
Die bring ich,« sprach der Bretanois.
20   Jofreit sprach: »Er ist so kurtois,
Ihr mögt ihn alle gerne sehn,
Und Wunder viel an ihm erspähn.
Er kommt aus großer Herlichkeit:
Seine Rüstung und sein Kleid
25   Niemand möcht es ersetzen,
Noch wög ers auf mit Schätzen.
Bretagne, Löver, Engelland,
Von Paris bis nach Witsand.761, 28. Witsant, ein ehemals sehr besuchter Hafen bei Kalais.
Dazwischen all die reiche Welt,
Gäb ihm keineswegs Entgelt.«

762  

Jofreit war zurückgekommen,
Als Artus von ihm vernommen,
Wie er gebahren sollte,
Wenn er begrüßen wollte

5   Den reichen Heiden unverweilt.
Die Sitze wurden nun vertheilt
An Gawans Tafelkreise
Gar in höfscher Weise:
Daß der Bann der Herzogin,
10   Und die ihr Dienst um Minne liehn,
Gawan zur Rechten saßen,
Ihm zur Linken fröhlich aßen
Die Ritter all aus Klinschors Bann.
Gawan genüber gab man dann
15   An des Tisches andrer Spitze
Klinschors gefangnen Frauen Sitze:
Die waren schön und klar zumal.
Feirefiss und Parzival
Saßen mitten zwischen Frauen:
20   Da mochte man wohl Klarheit schauen.

Der Türkowite Florand
Saß Sangiven zugewandt,
Wie der Herzog auch von Gowerzein
Und Kondriê, die Gattin sein,

25   Einander gegenüber saßen.
Auch dießmal, wett ich, nicht vergaßen
Gawan und Jofreit
Ihrer alten Geselligkeit;
Sie aßen stäts beisammen.
Mit den Augen voller Flammen
763   Aß die edle Herzogin
Bei Arniven der Königin.
Zu freundlicher Geselligkeit
Waren sich die Zwei bereit.
5   Seine Ahne saß bei Gawan dort,
Orgeluse weiter von ihm fort.

Wohl herschte da die wahre Zucht,
Und alle Unart nahm die Flucht.
Den Rittern und den Frauen ward

10   Speis und Trank mit guter Art
Gebracht und freundlich hingestellt.
Feirefiss der reiche Held
Hub zu seinem Bruder an.
»Jupiter hat wohl an mir gethan,
15   Daß er mich in dieses Land
Hat geführt und hergesandt
In meiner werthen Freunde Kreiß.
Billig geb ich wohl den Preis
Meinem Vater, den ich längst verlor:
20   Der sproß recht aus dem Preis hervor!«

Der Waleis sprach: »Preiswerte Leute
Sollt ihr viel noch schauen heute
Bei Artus dem König hehr,
Mannlicher Ritter schier ein Heer:

25   Wenn das Mal ist aufgehoben,
Unlange bleibt es dann verschoben,
Bis her die Werthen kommen,
Deren Preis weit wird vernommen.
Hier sind drei Ritter nur vom Bunde
Der weitberühmten Tafelrunde:
764   Der Wirth und Jofreit;
Auch ich verdient' es einst im Streit,
Daß man mich dazu begehrte,
Was ich den Helden gern gewährte.«

5  

Nun war es Zeit, daß man hindann
Das Tischtuch hob vor Weib und Mann.
Als die Malzeit war geschehn,
Da eilte Gawan aufzustehn:
Die Herzogin samt seiner Ahnen

10   Sah man ihn bitten und ermahnen,
Daß sie Frau Sangiven doch
Und Kondriê die süße noch
Zu sich nähmen und mit beiden
Gingen zu dem bunten Heiden:
15   Dem sollten sie recht freundlich sein.
Feirefiss Anschewein
Sah diese Frauen zu sich gehn:
Vor ihnen eilt' er aufzustehn;
So auch sein Bruder Parzival.
20   Die schöne Herzogin zumal
Nahm Feirefissen bei der Hand;
Fraun und Ritter, die sie stehen fand,
Bat sie, sich zu setzen all.
Sieh, da zog mit lautem Schall
25   Artus mit seinem Heer heran.
Posaun und Trommel hörte man,
Der Hörner und der Flöten Ton.
Der Königin Arnive Sohn
Zog mit großem Schall einher.
Des freute sich der Heide sehr,
765   Der solche Kunde gern empfing.
So ritt zu Gawans Zeltbering
Artus mit seinem Ehgemahl
Und werther Leute großer Zahl
5   Mit Rittern und mit Frauen.
Der Heide mochte schauen,
Daß da auch junge Leute waren,
Von deren blühenden Jahren
Sprach des Angesichtes Glanz.
10   Auch war der König Gramoflanz
Noch in Artusens Pflege;
Mit ihm auf gleichem Wege
Ritt Itonjê sein süßes Lieb,
Die aller Falschheit rein verblieb.

15  

Ab stieg der Tafelrunder Schar,
Dazu viel Frauen schön und klar.
Ginover ließ Itonjê
Den reichen Heiden küssen, eh
Sie selber näher zu ihm ging

20   Und küssend Feirefiss empfing.
Gramoflanz und Artus,
Mit getreulicher Liebe Kuss
Empfingen sie den Heiden.
Da ward ihm von den beiden
25   Viel erboten Dienst und Ehr;
Auch fand er noch Verwandte mehr,
Die ihm gewogen wollten sein.
Feirefiss Anschewein
War zu guten Freunden nun gekommen,
Das hatt er hier gar bald vernommen.

766  

Nieder saßen Weib und Mann
Und viel Mägdlein wohlgethan.
Da mochte mancher Ritter finden,
Wollt er sich des unterwinden,

5   Süßes Wort von süßem Munde,
Taugt' er sonst zum Minnebunde.
Um solch Gesuch trug keinen Haß
Manch klares Fräulein, das da saß.
Ein gutes Weib ficht Zorn nicht an,
10   Fleht sie um Hülf ein werther Mann,
Sie mag gewähren, mag versagen.
Kann ein Ding als Zins uns Freude tragen,
Solchen Zins muß wahre Minne geben:
So sah ich stäts die Werthen leben.
15   Nun saß der Dienst hier bei dem Lohn.
Es ist ein hülfreicher Ton,
Wird der Freundin Wort vernommen,
Das dem Freunde soll zu Statten kommen.

Artus saß zu Feirefiss,

20   Wo Jedweder sich befliß,
Auf des Andern Fragen
Freundlich Antwort zu sagen.
Artus sprach: »Gelobt sei Gott,
Daß er diese Ehr uns bot,
25   Daß wir dich hier bei uns sahn.
Aus der Heidenschaft fuhr nie ein Mann
Her in der Getauften Land,
Dem ich mit dienstbereiter Hand
So gerne Dienst gewährte,
Wenn dein Wille des begehrte.«

767  

Feirefiss zu Artus sprach:
»Vorbei ist all mein Ungemach,
Seit Juno meine Göttin
Mir den Segelwind verliehn

5   Her in dieses Westenreich.
Du siehst fürwahr dem Manne gleich,
Dessen Macht und Würdigkeit
Der Ruhm posaunte weit und breit.
Bist du Artus genannt,
10   So ist dein Name fern begannt.«

Artus sprach: »Selber ehrt' er sich,
Der dir und Andern über mich
Rühmliches berichtet hat.
Ihm gab die eigne Zucht den Rath

15   Mehr, als daß ichs würdig bin;
Er thats aus höfischem Sinn.
Ich bin es, den sie Artus nennen,
Und möcht es gründlich wohl erkennen,
Wie du kamst in dieses Land.
20   Hat ein Weib dich ausgesandt,
Die ist gewiss geheuer,
Da du aus Abenteuer
Dich so weithin hast verstiegen.
Bleibt ihr Lohn dir unverschwiegen,
25   Den Dienst der Fraun empfiehlt uns das:
Denn jeder Frau wohl müst in Haß
Ihr Diener wandeln seine Liebe,
Wenn dir ungelohnet bliebe.«

»Auch wird es anders wohl vernommen,«
Sprach der Heide: »hört, wie ich gekommen.

768   Ich führe solch ein mächtig Heer,
Der Trojaner Landwehr,
Und die sie einst umsaßen,
Die müsten mir die Straßen
5   Räumen, wenn sie noch lebten
Und mit mir zu kämpfen strebten:
Sie könnten nimmer uns besiegen
Und müsten schimpflich unterliegen,
Meiner Obmacht allzuschwach.
10   Ich hab in manchem Ungemach
Verdient mit ritterlicher That,
Daß nun Erbarmen mit mir hat
Die Köngin Sekundille;
Ihr Wunsch ist mein Wille.
15   Die Richtschnur gab sie meinem Leben.
Sie hieß mich mildiglich zu geben
Und guter Ritter viel zu halten;
So sollt ich ihr zu Liebe schalten.
Da that ich, wie sie mir befahl:
20   Unterm Schild von hartem Stahl
Nennt sich dienstbar meiner Hand
Manch werther Ritter auserkannt.
Ihre Minne giebt sie mir zum Lohn;
Auch führ ich ein Ecidemon
25   Im Schilde, wie sie mir gebot.
Seitdem erfuhr ich in der Noth,
Sobald ich nur an sie gedachte,
Daß ihre Minne Hülfe brachte:
So dank ich ihr des Trostes mehr
Als meinem Gotte Jupiter.«

769  

Artus sprach: »Von dem Vater dein,
Gachmuret, dem Neffen mein,
Ists die dir angestammte Art:
Im Dienst der Frauen weite Fahrt.

5   Du magst von Dienst auch Kund empfahn
Bei uns: denn größrer ward gethan
Auf Erden selten einem Weib
Um ihren wonniglichen Leib.
Ich meine hier die Herzogin:
10   Um ihrer Minne Gewinn
Ward des Waldes viel verschwendet.
Ihre Minne hat gepfändet
An Freuden manchen Ritter gut
Und ihm geraubt den hohen Muth.«

15  

Da sagt' er ihm, was Gawan
Und was die Ritter all gethan,
Die er sah zu allen Seiten;
Und von den beiden Streiten,
Die sein Bruder um den Kranz

20   Auf dem Feld gestritten bei Joflanz.
»Und wie er sonst die Welt durchfahren,
Wie er sich nirgend wollte sparen,
Das macht er dir wohl selber kund.
Er sucht einen hohen Fund,
25   Nach dem Grale ringet er.
Von euch Zwein ist mein Begehr,
Daß ihr mir nennet Land und Leute,
Die ihr im Kampf erprobt bis heute.«
Der Heide sprach: Ich nenne dir
Die ich gefangen führe hier:

770  

»König Papiris von Trogodjente
Und Graf Behantins von Kalomidente,
Herzog Farjelastis von Africke
Und König Liddamus von Agrippe,

5   König Tridanz von Tinodonte
Und König Amaspartins von Schipelpjonte,
Der Herzog Lippidins von Agremontin
Und König Milon von Nomadjentesin,
Von Aßagarzionte Graf Gabarins
10   Und von Rivigitas König Translapins,
Von Hiberbortikon Graf Filones
Und von Centrion König Killikrates,
Graf Lysander von Ipopotitikon
Und Herzog Tiridê von Elixodjon,
15   Von Orastegentesin der König Thoaris
Und von Satarchjonte Herzog Alamis,
Der König Aminkas von Sotofeititon
Und der Herzog von Duskontemedon,
Von Arabien König Zoroaster
20   Und Graf Possizonjus von Thiler,
Der Herzog Sennes von Narjoklin
Und Graf Edisson von Lanzesardin,
Von Janfuse Graf Fristines
Und von Atropfagente der Herzog Meiones,
25   Von Naurjente der Herzog Archeinor
Und von Panfatis der Graf Astor,
Die von Aßagog und Zaßamank
Und von Gampfassasch der König Jetakrank,
Der Graf Jurans von Blemunzin
Und Herzog Affinamus von Amantasin.

771  

»Eins zählt' ich mir zur Schande:
Man sprach in meinem Lande,
Kein beßrer Ritter möchte sein
Als Gachmuret Anschewein,

5   So Viele je beritten waren.
Da beschloß ich auszufahren
Und zu suchen, bis daß ich ihn fände:
Da lernt' ich Kampf an manchem Ende.
Von zweien Landen auf das Meer
10   Führt' ich ein kraftvolles Heer.
Mir stand nach Ritterschaft der Muth:
Wie stark ein Land, wie schön und gut,
Ich unterwarf sie meiner Hand
Bis fern zu unbetretnem Strand.
15   Da gelobten mich zu minnen
Zwei reiche Königinnen,
Olympia und Klauditte;
Sekundill ist nun die dritte.
Um Frauen hab ich viel gethan;
20   Nun hab ich heut erst Kund empfahn,
Mein Vater Gachmuret sei todt.
Mein Bruder meld auch seine Noth.«

Da sprach der werthe Parzival:
»Seit ich geschieden bin vom Gral,

25   Hat meine Hand mit Streite
In der Näh und in der Weite
Sich oftmals ritterlich erzeigt
Und Manchem auch den Preis geneigt,
Der nicht gewohnt war an den Fall.
Die will ich euch benennen all:

772  

»Von Lirivoin König Schirniel
Und von Avendroin sein Bruder Mirabel,
Der König Serabil von Roßokarz
Und König Pibleson von Lorneparz,

5   Von Sirnegonz der König Senilgorz
Und von Villegaronz Strangedorz,
Von Mirnetall Graf Rogedal
Und von Pleyedonze Laudunal,
König Onipriß von Itolak
10   Und König Zyrolan von Semblidak,
Von Jeroplis Herzog Jerneganz
Und von Zambron Graf Plineschanz,
Von Tutelêonz Graf Longefieß
Und von Privegarz Herzog Marangließ,
15   Von Piktakon Herzog Strennolas
Und von Lampregon Graf Parfoyas,
Von Askalon König Vergulacht,
Und von Pranzile Graf Bogudacht,
Postefar von Laudondrechte
20   Und Herzog Leidebron von Redonzechte,
Von Literbe Kolleval,
Jovedast von Arl der Provenzal,
Und von Tripparon Graf Kardofyas.
In rechter Tjost begab sich das,
25   Als ich nach dem Grale ritt.
Nennt' ich sie all, die ich bestritt,
So käm ich nimmer an das Ziel,
Drum muß ich euch verschweigen viel.
Die mir mit Namen sind bekannt,
Die hab ich euch wohl meist genannt.«

773  

Von Herzen freute sonder Neiden
Seines Bruders Preis den Heiden,
Daß ihm seine Hand im Streit
Erwarb so hohe Würdigkeit:

5   Wohl dankt' er ihm dafür gar sehr;
Ihn selber ehrt' es noch viel mehr.

Da ließ Gawan des Heiden Wehr,
Als geschähs von Ohngefähr,
In des Kreißes Mitte bringen.

10   Man legt' ihm Werth bei, nicht geringen.
Die Ritter und die Frauen,
Die kamen all zu schauen
Schild, Korsett und Wappenkleid;
Nicht zu eng der Helm und nicht zu weit.
15   Alle staunten ob dem Scheine
Der theuern edeln Steine,
Die darin verlöthet lagen.
Man darf mich nach der Art nicht fragen,
Der sie angehören,
20   So die leichten als die schweren.
Beßer wohl beschied' euch des
Eraklius oder Herkules
Und der Grieche Alexander;
Oder noch ein Andrer,
25   Der weise Pythagoras,
Der die Schrift der Sterne las:
Der war so weise sonder Streit,
Daß Niemand seit Adams Zeit
Noch so weisen Sinn getragen;
Der konnte wohl von Steinen sagen.

774  

Die Frauen raunten: »Hab ein Weib
Ihm damit geziert den Leib,
Wenn er sich der nicht treu erweise,
Das schade seinem Preise.

5   So hold war Manche hier dem Heiden.
Sie würde seinen Dienst wohl leiden,
Just weil ihn ziert manch fremdes Mal.
Gramoflanz, Artus, Parzival
Und der Wirth Herr Gawan,
10   Die gehen nun allein hindann;
Den reichen Heiden vertrauen
Sie unterdessen den Frauen.

Artus berieth ein Festgelag,
Das man schon am andern Tag

15   Auf dem Feld begehen sollte,
Weil er damit empfangen wollte
Seinen Neffen, Feirefissen:
»Das zu bestellen seid beflißen
Mit euerm besten Witze,
20   Daß er mit uns sitze
An der edeln Tafelrunde.«
Sie versprachens all aus Einem Munde
Zu thun, wofern es ihm nicht leid.
Da verhieß Geselligkeit
25   Ihnen Feirefiss der Degen reich.
Nach dem Nachttrunk fuhr sogleich
Zu seiner Ruhe Jedermann.
Die Freude brach für Manchen an
Am Morgen, darf ich also sagen,
Da der süße Tag begann zu tagen.

775  

Da hielt es so Artus, der Sohn
Des Königs Utepandragon:
Bereiten ließ er, reich genug,
Der Tafelrund ein Tafeltuch

5   Aus einem Triantthasme fein.
Euch wird noch in Erinnrung sein,
Wie an des Plimizöls Gestad
Man Tafelrund gehalten hat:
Nach jenem Tuche maß man dieß,
10   Rund geschnitten, Jeder pries
Wie es reich und köstlich wär.
Abgesteckt ward rings umher
Ein Kreiß auf thauig grünem Gras,
Der wohl sieben Morgen maß
15   Vom Schausitz bis zur Tafelrunde.
War es die rechte nicht im Grunde,
Den Namen ließ sie sich nicht nehmen.
Wohl möcht ein feiger Mann sich schämen,
Wenn er hier bei den Werthen saß,
20   Und sein Mund die Kost mit Sünden aß.

Der Kreiß ward bei der schönen Nacht
Abgesteckt und wohl mit Pracht
Geziert von dem zu jenem Ziel.
Einem armen König wärs zu viel,

25   Wie man die Runde fand geschmückt,
Als der Morgen war herangerückt.
Gawan und Gramoflanz allein
Standen für die Kosten ein.
Artus war hier zu Lande Gast;
Doch trug er mancher Kosten Last.

776  

Und würde noch so schwarz die Nacht,
Doch ists von Alters hergebracht,
Die Sonne bringt den Tag zurück.
Auch heute widerfuhr dieß Glück:

5   Schon schien er lauter, süß und klar.
Mancher Ritter strich da wohl sein Haar,
Und schmückt' es schön mit Blumenkränzen.
Da sah man Frauen lieblich glänzen
Ungeschminkt mit rothem Mund,
10   Thut Kiot anders Wahrheit kund.
Man sah an Herrn und Fraun Gewand,
Nicht nach dem Schnitt in Einem Land;
Hohen, niedern Kopfputz auch,
Wie es in jedem Land Gebrauch.
15   Sie kamen her aus manchen Reichen,
Die sich in Sitt und Schnitt nicht gleichen.
Den Fraun, die keinen Ritter hatten,
Wollte man es nicht verstatten
In der Tafelrunde Kreiß zu kommen.
20   Hat sie wen in Dienst genommen,
Dem sie Lohn verhieß mit Hand und Munde,
So kam sie an die Tafelrunde.
Meiden musten sie die Andern
Und nach den Herbergen wandern.

25  

Nun Artus Messe hat vernommen,
Sieht man mit Gramoflanzen kommen
Den Herzogen von Gowerzein
Und Florand den Gesellen sein.
Die wären gern erhoben worden
In der Tafelrunde Orden:

777   Da ward nach ihrem Wunsch gethan.
Fragt euch Weib nun oder Mann,
Wer der reichste war der Recken,
Die je aus allen Länderstrecken
5   Saßen an der Tafelrunde,
Dem gebet nur getrost die Kunde,
Es war Feirefiss Anschewein:
Laßt es dabei bewendet sein.

Mit festlichem Gepränge

10   Ritt man zu des Kreißes Enge.
Manche Frau kam in Gefahr,
Wenn ihr Ross nicht wohl gegürtet war,
Sie wär gewiss gefallen.
Mit reicher Banner Wallen
15   Kamen sie von allen Seiten.
Da sah man sie den Buhurd reiten
Rings um den abgesteckten Kreiß.
Es war höfisch und weis,
Daß Keiner in den Schranken ritt:
20   Der weite Raum da draußen litt,
Daß sie die Rosse wohl ersprengten,
Die Haufen sich im Anlauf mengten;
Auch mochten sie so künstlich reiten,
Daß sichs die Fraun zu schauen freuten.

25  

Als die Zeit des Mals gekommen,
Ward an der Tafel Platz genommen.
Truchseß, Kämmerer und Schenken
Hatten Manches zu bedenken,
Daß mans mit Zucht zur Stelle trug.
Wohl gab man Jeglichem genug.

778   Die Frauen ehrt' es, die man da
An des Freundes Seite sah;
Für Manche hatt auch kühne That
Vollbracht verliebten Herzens Rath.
5   Feirefiss und Parzival
Musterten mit süßer Qual
Bald eine bald die andre Frau.
Auf Acker oder Wiesenau
Sah man noch zu keiner Stunde
10   So lichte Haut bei rötherm Munde
Als an dieser Tafel Ringe:
Da ward der Heide guter Dinge.

Heil der nahenden Stunde!
Willkommen sei die süße Kunde,

15   Die von der Jungfrau wird vernommen.
Denn eine Jungfrau sah man kommen
In theuern Kleidern, wohl geschnitten,
Kostbar nach Franzosensitten;
Ein reicher Samt ihr Oberkleid,
20   Schwärzer noch als ein Geneit.
Manch Turteltäubchen schien da hold,
Gewoben aus Arabiens Gold,
Das Wappenbild des Grales.
Sie ward desselben Males
25   Bestaunt von allen Leuten.
Laßt sie zur Stelle reiten.
Die Kopfzier trug sie hoch und blank;
Mit manchem dichten Ueberhang
War ihr Angesicht bedeckt
Und vor jedem Blick versteckt.

779  

Sacht und doch in Zelterschritten
Kam sie über Feld geritten.
Ihr Zaum, ihr Sattel und ihr Pferd
Unstreitig hatten hohen Werth.

5   In den Kreiß ließ man sie gern
Zu den Frauen und den Herrn.
Nicht die Thörichte, die Weise
Ritt da rings umher im Kreise.
Man zeigt' ihr an, wo Artus saß,
10   Den sie zu grüßen nicht vergaß.
Französisch hub sie an zu sprechen
Und flehte, nicht an ihr zu rächen,
Wie sie gescholten einst den Helden,
Dem sie nun Frohes wolle melden.
15   Den König und die Königin
Bat sie, daß die ihr Beistand liehn.

Von diesen wandte sie sich da
Zu Parzivalen, den sie nah
Bei Artusen sitzend fand.

20   Sie schwang sich eilends, unverwandt,
Von dem Pferd auf das Gras.
Mit aller Zucht, die sie besaß,
Fiel sie Parzival zu Füßen
Und bat ihn weinend um sein Grüßen,
25   Daß er ihr die Schuld verzeihe
Und ohne Kuss die Huld ihr leihe.
Für sie zu bitten befliß
Da Artus sich und Feirefiss.
Noch hegte Parzival ihr Haß,
Den er getreulich doch vergaß
780   Und ihr der Freunde halb verzieh.
Die Werthe, schön wohl war sie nie,
Schnell wieder auf die Füße sprang,
Und sagte Beiden großen Dank,
5   Die ihr wiederum zu Huld
Verholfen nach so großer Schuld.

Herab nun riß sie so geschwinde
Ihres Hauptes Schmuck und Binde,
Daß die Haube wie die Schnur

10   Vor ihr auf die Erde fuhr.
Kondrie la Sorziere
Ward da erkannt im Heere,
Und des Grales Wappen, das sie trug,
Besah, bestaunte man genug.
15   Sie war auch noch so wohlgethan
Wie ehmals, da sie Weib und Mann
An den Plimizöl sah kommen;
Wie schön sie war, ihr habts vernommen.
Ihre Augen hatten noch dieselbe
20   Topasenähnliche Gelbe;
Die Zähne lang, der Mundes Schein
Glich einem blauen Veigelein.
Sie trug ihn wohl aus eitelm Muth:
Was sollt ihr sonst der theure Hut
25   An des Plimizöls Gestaden?
Die Sonne würd ihr doch nicht schaden:
Ihre Stralen konnten nimmerdar
Die Haut ihr schwärzen durch das Haar.

Nun stand sie höfisch da und sprach:
Für hohe Märe galts hernach,

781   Was sie zur selben Stunde
Kund that aus fahlem Munde:
»O wohl dir, Sohn von Gachmuret,
An dem Gott Gnade nun begeht,
5   Du der von Herzeleiden erbte;
Feirefiss der buntgefärbte
Soll mir auch willkommen sein.
Sekundille war die Herrin mein;
Auch erwarb sich hohe Würdigkeit
10   Von Jugend auf dein Preis im Streit.«

Zu Parzivalen sprach sie so:
»Nun sei demüthgen Sinnes froh
Des dir beschiednen Theiles,
Der Krone menschlichen Heiles!

15   Die Inschrift wurde gelesen:
Du bist zum Herrn des Grals erlesen.
Kondwiramur, die Gattin dein,
Und dein Sohn Loherangrein
Sind mit dir dazu benannt.
20   Seit du Brobarz geräumt, das Land,
Gebar zwei Söhne dir ihr Schooß;
Das Reich, das Kardeiß bleibt, ist groß.
Und wär kein ander Heil dir kund,
Als daß dein wahrhafter Mund
25   Den unseligen, den süßen
Mit froher Botschaft soll begrüßen:
Den König Anfortas erlöst
Die Frage deines Munds und flößt
Ihm Freud ins Herz, dem Jammerreichen:
Wer mag an Seligkeit dir gleichen!«

782  

Sieben Sterne jetzt benannte
Sie arabisch. Ihre Namen kannte
Feirefiss der Heide reich;
Der saß da schwarz und weiß zugleich.

5   Sie sprach: »Ermiß nun, Parzival,
Der höchste Planete Zwal
Und der schnelle Almustri,
Almaret und der lichte Samsi
Erweisen Seligung an dir.
10   Der fünfte heißt Alligafir
Und der sechste Alkiter
Und uns der nächste Alkamer.782, 1–12. Aus den hier vorkommenden arabischen Namen der sieben Planeten, mit Einrechnung des Monds und der Sonne, folgert Görres mit Unrecht den arabischen Ursprung unserer Sage, da die Kenntniss dieser Namen wohl ohne sie nach Nordspanien, ihrer angeblichen Heimat, gelangen konnte. Arabisch und heidnisch waren damals zusammenfallende Begriffe, und so schien es zum Kostüm zu gehören, der aus Indien stammenden Heidin arabische Worte in den Mund zu legen.
Ich sag es nicht aus einem Traum:
Sie sind des Firmamentes Zaum,
15   Die seine Schnelligkeit zu hemmen
Kämpfend sich entgegenstemmen.
An dir hat Sorge nicht mehr Theil.
Was des Planetenlaufes Eil
Umkreißt, ihr Schimmer überdeckt,
20   So weit ist dir das Ziel gesteckt,
Da sollst du Macht erwerben.
Dein Kummer muß verderben.
Unenthaltsamkeit allein
Soll dir nicht gestattet sein;
25   So wehrt dir auch des Grales Kraft
Der Sündigen Genoßenschaft.
Du hattest junge Sorg erzogen:
Nun dir Freude naht, ist sie betrogen.
Du hast der Seele Ruh erworben,
Dir Freud erharrt im Drang der Sorgen.«

783  

Die Mär verdrießt den Degen nicht;
Vor Freud aus seinen Augen bricht
Waßer aus des Herzens Bronnen.
Da sprach er: »Herrin, hohe Wonnen

5   Hat mir euer Mund genannt.
Bin ich so vor Gott ernannt,
Daß ich sündiger Mann,
Und wenn ich Weib und Kind gewann,
Sie Alle mit mir Gnad empfahn,
10   So hat Gott wohl an mir gethan.
Daß ihr mich gern entschädgen mögt,
Das zeigt mir, daß ihr Treue hegt.
Doch hatt ich sicherlich gefehlt,
Sonst blieb mir euer Zorn verhehlt;
15   Ich wandelte noch nicht im Heil.
Des gebt ihr jetzt mir solchen Theil,
Daß sich endet all mein Leid.
Für die Wahrheit bürgt mir euer Kleid:
Da ich zu Monsalväsche saß
20   Bei dem traurgen Anfortas,
Alle Schilde, die ich hangen fand,
Waren gemalt wie eur Gewand:
Viel Turteltauben tragt ihr dran.
Nun sagt mir, Herrin, wie und wann
25   Ich soll zu meinen Freuden fahren,
Und laßt mich das nicht lange sparen.«
Da sprach sie: »Lieber Herre mein,
Ein Mann soll dein Geselle sein,
Den wähle. Ich geleite dich;
Daß du ihm helfest, spute dich.«

784  

Da wards im ganzen Kreiß vernommen:
»Kondrie la Sorzier ist kommen,«
Und was ihre Botschaft meinte.
Vor Freuden Orgeluse weinte,

5   Daß des Anfortas lange Qual,
Wenn ihn früge Parzival,
Bald ein Ende sollt empfahn.
Artus, der weitgepriesne Mann,
Zu Kondrien höfisch sprach:
10   »Frau, gedenkt auf eur Gemach:
Laßt euch pflegen, lehrt uns wie.«
Da sprach sie: »Ist Arnive hie?
Welch Gemach mir die verleiht,
Damit genügt mir diese Zeit,
15   Bis mein Herr von hinnen fährt.
Ist sie ihrer Haft erwehrt,
So erlaubt mir sie zu schauen
Und all die andern Frauen,
Die manches Jahr in strenger Haft
20   Klinschor hielt durch Zauberkraft.«
Zwei Ritter hoben sie zu Pferd:
Zu Arniven ritt die Jungfrau werth.

Schier zu Ende ging das Mal.
Bei dem Bruder saß noch Parzival:

25   Da bat er den um sein Geleit.
Feirefiss war gern bereit
Mit gen Monsalväsch zu fahren.
Da sie nun gesättigt waren,
Sie standen auf vom Tafelringe.
Der Heide dachte hoher Dinge:
785   Er bat den König Gramoflanz,
Ob nicht die Liebe voll und ganz
Zwischen ihm und seiner Nichten,
»Laßt mirs die That berichten.
5   Ihr und Freund Gawan helfet mir,
Daß alle Könige und Fürsten hier,
Barone, Ritter und so fort,
Ihrer Keiner laße diesen Ort,
Eh sie mein Geschenk ersehn.
10   Mir wäre hier ein Schimpf geschehn,
Blieb' Einer meiner Gabe frei.
So viel auch fahrenden Volks hier sei,
Die müßen meine Gab empfangen.
Herr Artus, such es zu erlangen,
15   Daß die Hohen sich nicht schämen,
Gab aus meiner Hand zu nehmen.
Nimm für sie den Schimpf auf dich:
Der Reichste bin ich sicherlich;
Und gieb mir Boten an das Meer:
20   Die holen die Geschenke her.«

Da gelobten sie dem Heiden,
Sie wollten sich nicht scheiden
Von dem Felde vor vier Tagen:
Da ward er froh, so hört ich sagen.

25   Artus gab kluge Boten her,
Die er sollte senden an das Meer.
Feirefiss, Gachmuretens Kind,
Nahm Dint und Pergament geschwind.
Sie ließen seine Schrift wohl gelten;
So viel erwarb ein Brief noch selten.

786  

Die Boten fuhren bald hindann.
Parzival derweil begann:
Französisch sagt' er Allen laut,
Was einst ihm Trevrezent vertraut,

5   Daß den Gral zu keinen Zeiten
Jemand möcht ihm erstreiten,
Den nicht Gott dazu ernannt.
Da ward es kund in allem Land,
Kampf mög ihn nicht erzwingen.
10   Die ihn gedacht zu erringen,
Ließen es von dieser Frist,
Daher er noch verborgen ist.

Von Feirefiss und Parzival
Kam da den Frauen neue Qual.

15   Den Urlaub wollten sie nicht laßen:
Sie ritten durch des Lagers Gaßen
Und grüßten scheidend Jedermann.
Mit Freuden schieden sie hindann,
In Stahl gewappnet wohl zur Wehr.
20   Am dritten Tag kam von dem Heer
Des Heiden solche Habe,
Nie vernahm man größre Gabe.
Auf ewig halfs des Königs Land,
Der Gab empfing aus seiner Hand.
25   Nach Standsgebühr ward Jedem da,
Daß er nie reichre Gabe sah,
Den Frauen all ein reich Präsent
Von Triant und Naurient.
Weiß nicht, wie sich das Heer geschieden;
Kondrie, die Zwei, ziehn hin in Frieden.

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