Wolfram von Eschenbach
Parzival und Titurel
Wolfram von Eschenbach

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        Das große Heer noch stille lag,
Dessen Poidikonjonz pflag.
Nur Ein werther junger Mann
Nahm Theil am Streit mit seinem Bann:
25   Der Herzog von Lanveronz.
Da kam Poidikonjonz;
Auch nahm der altweise Mann
Sie allzumal mit sich hindann:
Vorüber war das Vesperspiel,
Um werthe Fraun gestritten viel.

359  

Da sprach Poidikonjonz
Zum Herzogen von Lanveronz:
»Was harrt ihr mein nicht, wie's gebührt,
Wenn Ehrgeiz in den Kampf euch führt?

5   Wähnt ihr, das sei wohlgethan?
Hier ist der werthe Lahduman
Und mein Sohn Meljakanz:
Kommen die zwei in den Tanz
Und ich, so mögt ihr Streiten sehn,
10   Wenn ihr Streit könnt prüfen und verstehn.
Ich komme nicht von dieser Statt,
Ich mach euch All noch Kämpfers satt,
Es sei denn, daß sich mir mit Beben
Weib und Mann gefangen geben.«

15  

Da sprach der Herzog Astor:
»Euer Neffe, Herr, stritt vor dem Thor,
Der König, und sein Heer von Li:
Und die Euern, sollten sie
Sich inzwischen schlafen legen?

20   Wann lehrtet ihr das eure Degen?
So schlaf ich, wo man streiten soll;
Den Streit verschlafen kann ich wohl.
Doch glaubt mir, wär ich nicht gekommen,
Die Bürger hätten Preis und Frommen
25   Davon getragen bei der Fahrt:
Vor Schanden hab ich euch bewahrt.
Um Gott, besänftigt euern Zorn:
Hier ist mehr gewonnen als verlorn
Von eurer Massenie,
Wills gestehen Frau Obie.«

360  

Wohl muste Meljanz, seinen Neffen,
Poidikonjonzens Zorn noch treffen,
Doch trug der werthe junge Mann
Manche Tjost durch seinen Schild hindann.

5   Sein neuer Preis darfs nicht beklagen.
Nun höret von Obien sagen.

Die erwies nun Haß genug
Gawanen, der ihn schuldlos trug;
Sie erwürb ihm Schande gern und Hohn.

10   Sie sandte einen Garzon
Hin zu Gawan unterm Saal.
Sie sprach: »Geh hin und frag einmal,
Ob die Rosse zu verkaufen sei'n,
Und ob er wohl in Kist und Schrein
15   Führe gutes Kramgewand?
Wir Frauen kaufens allzuhand.«

Der Garzon kam gegangen:
Mit Zorn ward er empfangen.
Kaum hat ihn Gawan angeblickt,

20   Als sein Herz zusammenschrickt.
Der Garzon wurde so verzagt:
Ungefragt und ungesagt
Blieb, was sie ihn bestellen ließ.
Gawan die Rede doch nicht ließ:
25   Er sprach: »Hallunke, packe Dich,
Maulschellen fürchterlich
Sollst du haben kreuz und quer,
Kommst du noch einmal hieher.«
Der Garzon lief was er konnte;
Nun höret, was Obie begonnte.

361  

Einen Junker schickt sie wieder
Zu dem Burggrafen nieder,
Welcher Scherules hieß.
»Bitt ihn,« sprach sie, »daß er dieß

5   Thu zu meiner Ehre
Und seine Mannheit dran bewähre.
Sieben Rosse dort am Graben
Unterm Oelbaum soll er haben
Und noch andern Reichtums viel.
10   Einen Kaufmann, der uns trügen will,
Soll er des Gutes pfänden.
Ich getrau es seinen Händen,
Sie nehmens unvergolten;
Auch behält ers unbescholten.«

15  

Der Knappe ging hinab und sagte,
Worüber seine Herrin klagte.
»Gilts vor Trug uns zu bewahren,«
Sprach Scherules, »so will ich fahren.«
Da ritt er hin wo Gawan saß,

20   Der selten hohen Muths vergaß.
Da fand er jedes Fehls Verlust,
Lichtes Antlitz, hohe Brust
Und einen Ritter wohlgethan.
Scherules blickt' ihn prüfend an,
25   Er sah den Arm, jedwede Hand,
Wie Alles ihm so adlig stand.
»Herr,« sprach er, »unser Gast seid ihr;
Nicht wohl bei Sinnen waren wir,
Daß ihr nicht Herberg längst empfingt;
Unsre große Schuld ists unbedingt.
362   Ich will nun selber Marschall sein;
Leut und Gut und was nur mein,
Das soll euch ganz zu Diensten stehn.
Keinen Wirth hat je ein Gast gesehn,
5   Der ihm so gern ist unterthan.«
»Großen Dank, Herr,« sprach Gawan.
»Nicht verdient' ich Solches noch;
Gerne folg ich euch jedoch.«
Scherules den Tadel mied,
10   Sprach, wie ihm die Treue rieth:
»Da es mir zu thun verbleiben muste,
Wohlan, ich schütz euch vor Verluste,
Es beraub euch denn das äußre Heer:
Dann steh ich mit euch wohl zu Wehr.«
15   Er sprach mit frohem Munde
Zu den Knappen in der Runde:
»Hebt auf das Rüstzeug allzumal:
Wir wollen nieder in das Thal.«

Gawan fuhr mit seinem Wirth.

20   Obie, auch hiedurch ungeirrt,
Schickt' ein Spielweib als Gesandte
Zu ihrem Vater, der sie kannte:
»Geh und sag ihm Wort für Wort:
Ein Falschmünzer reite dort
25   Und führe bei sich großes Gut.
Bitt ihn (da er doch die Flut
Von Knechten habe, deren Sold
Rosse sei'n, Gewand und Gold),
Ihnen diesen Preis zu geben:
Ihrer Sieben hätten so zu leben.«

363  

Sie ging und sagt' ihm unverhohlen,
Was seine Tochter ihr befohlen.
Wer in Fehden ist befangen,
Kann der reiche Beute fangen,

5   Die nimmt er ohne Weigern an.
Lippaut, den getreuen Mann,
Die vielen Söldner drängten ihn:
Da dacht er wohl in seinem Sinn:
»Ich muß dieß Heil gewinnen,
10   Er soll mir nicht entrinnen.«
Alsbald verfolgt' er den Degen.
Da kam ihm Scherules entgegen
Und frug ihn: »Herr, wohin so jach?«
»Einem Betrüger reit ich nach:
15   Ich höre von ihm sagen,
Falsch Geld hab er geschlagen.«

Schuldlos war Herr Gawan ganz;
Nur seinen Rossen galt der Tanz,
Seinem Gold und seinen Sachen.

20   Scherules muste lachen.
Da sprach er: »Herr, ihr seid betrogen,
Wer es euch sagte, hat gelogen,
Ob es Weib sei oder Mann.
Unschuldig ist mein Gast hieran;
25   Lernet jetzt ihn anders preisen:
Keine Münze hat er aufzuweisen.
Wollt ihr der rechten Märe lauschen,
Er kann nicht wechseln, kann nicht tauschen.
Seht ihn nur an, vernehmt sein Wort;
Er ist in meinem Hause dort.
364   Kennt ihr ritterliches Wesen,
So mögt ihr hier nur Gutes lesen:
Er war auf Falschheit niemals aus.
Wer ihn des zeihen will durchaus,
5   Wärs mein Vater, wärs mein Kind,
Alle die ihm feindgesinnt,
Mein nächster Freund, mein Bruder,
Müste des Kampfes Ruder
Wider mich ziehn: ich will ihn wehren,
10   Alle Unbill von ihm kehren,
Wenn ihr mich, Herr, nicht drum verdammt.
In einen Sack aus Schildesamt
Wollt ich mich lieber ziehen,
In eine Wüste fliehen
15   Zu unbekanntem Lande,
Eh ihr eure Schande
Solltet, Herr, an ihm begehn.
Gütlich würd euch beßer stehn
Sie zu empfangen, die da kommen,
20   Weil sie von eurer Noth vernommen,
Als daß ihr sie berauben wollt;
Das meidet, Herr, ich bin euch hold.«

Da sprach der Fürst: »Laß mich ihn sehn.
Ihm soll nichts Arges geschehn.«

25   Sie ritten, wo sie Gawan fanden:
Zwei Augen und ein Herz gestanden
(Die kamen Lippaut zugesellt),
Daß der Gast ein edler Held,
Und rechter mannlicher Sinn
Aus seinen Geberden schien.

365  

Wen jemals wahrer Liebe Drang
Zu herzlicher Minne zwang –
Herzlieb' ist wohl dafür bekannt,
Daß sie das Herz als Minnepfand

5   So versetzet und verpfändet,
Kein Mund es je vollendet
Was Minne Wunder wirken kann.
Es sei Weib oder Mann,
Sie schwächt an klugem Sinne
10   Oft herzliche Minne.
Obie und Meljanz,
Die beiden liebten sich so ganz
Und gar mit solchen Treuen,
Sein Zorn sollt euch nicht freuen,
15   Der sie verzürnt hat und entzweit.
Nun gab ihr Trauer solches Leid,
Zum Zorne stimmt' es ihre Huld.
Das büßte Gawan sonder Schuld
Und andre, die es mit ihm litten.
20   Sie fiel aus weiblichen Sitten,
Ihre Sanftmuth trübte sich mit Zorn.
Es war ihr beider Augen Dorn,
Wo sie den werthen Mann erblickte.
Ihrem Herzen, das Meljanz entzückte,
25   Sollt er durchaus der Höchste sein.
Sie dachte: »Bringt er mich in Pein,
Für ihn will ich sie tragen –
Der ganzen Welt entsagen
Für den werthen jungen süßen Mann:
Das hat das Herz mir angethan.«
366   Da oft aus Zorn die Minne spricht,
So tadelts an Obien nicht.

Nun höret ihren Vater an:
Als er den werthen Gawan

5   In seinem Land willkommen hieß,
Zu ihm begann und sprach er dieß:
»Herr, daß ihr hergekommen,
Mag uns zum Heile frommen.
Ich bin gefahren manche Fahrt,
10   Kein Antlitz hab ich je gewahrt,
Das mir solche Freude bot.
In dieser ängstlichen Noth
Soll uns eurer Ankunft Tag
Trösten, der wohl trösten mag.«
15   Er bat ihn: »Thut hier Ritterschaft.
Fehlt euch Harnisch, Schild und Schaft,
Das laß ich euch bereiten,
Herr, wollt ihr für uns streiten.«

Da sprach der werthe Gawan:

20   »Ich war dazu ein willger Mann;
Ich bin gesund und wohlgerüstet –
Doch streiten darf ich, wie mich lüstet,
Nicht vor bestimmtem Tage.
Sieg oder Niederlage
25   Wollt ich für euch erleiden;
Doch muß ich es vermeiden,
Herr, bis der Kampf geschlichtet,
Dem ich theuer bin verpflichtet,
Wo ich bei aller Werthen Gruß
Mich mit dem Schwerte lösen muß
367   (Mich führt dahin die Straße),
Wenn ich nicht das Leben laße.«

Das war Lippaut ein Herzeleid,
»Herr, bei eurer Würdigkeit,

5   Eurer höfschen Zucht und Huld,
Vernehmet meine Unschuld.
Zwei Töchter hab ich, sie sind
Mir lieb; wer liebte nicht sein Kind?
Was mir an denen Gott gegeben,
10   Damit will ich in Frieden leben.
Wohl mir, auch des Kummers wegen,
Den ich jetzt um sie muß hegen!
Den trägt jedoch die Eine
Mit mir in engerm Vereine;
15   Nur sind wir darin entzweit:
Ihr thut mein Herr mit Minnen leid
Und mir mit Unminne.
Wenn ich mich recht besinne,
So thut mein Herr Gewalt mir an,
20   Weil ich keinen Sohn gewann.
Mir sollen Töchter lieber sein;
Was thuts, erleid ich diese Pein?
Ich will sie mir zum Heile zählen.
Wer mit der Tochter einst soll wählen,
25   Ist ihr verboten gleich das Schwert,
Sie weiß schon, wie sie sonst sich wehrt:
Sie wird ihm würdiglich erwerben
Einen wackern Sohn zum künftgen Erben.
Darauf ist auch mein Sinn gestellt.«
»Das gewähr euch Gott,« so sprach der Held.

368  

Lippaut der Herzog bat ihn sehr:
»Um Gott, Herr, bittet mich nicht mehr,«
Sprach da König Lotens Sohn,
»Bei eurer Zucht, laßt ab davon,

5   Daß ich nicht Treue muß entbehren.
Eins jedoch will ich gewähren:
Es zu erwägen diese Nacht;
Dann hört ihr, wie ich mich bedacht.«

Der Fürst ihm dankt' und ging zur Hand;

10   Zu Hof er seine Tochter fand
Und des Burggrafen Töchterlein;
Die beiden schnellten Ringelein.368, 12. Das Kinderspiel »Ringleinschnellen«, in schnelle kreisende Bewegung bringen, erwähnt der Dichter auch im Willeh. 327, 8. Lippauts Frage, wannen kommst du? ist allerdings auffallend; doch mochte sich Obilot wohl zum Ausgehen geschmückt haben, und der Vater, der sie mit Klauditten spielen sah, zunächst an den andern Fall denken, daß sie von dem Ausgange schon zurück sei.
Da sprach er Obiloten zu:
»Von wannen, Tochter, kommst du?«
15   »Zur Stadt, Vater, will ich.
Er gewährt mirs sicherlich:
Ich will den fremden Ritter bitten,
Daß er mir dient nach Ritterssitten.«
»So sei dir, Töchterlein, geklagt:
20   Er hat mir zu- noch abgesagt;
Doch unterstütze meine Bitte.«
Sie lief zum Gast mit schnellem Schritte.

Da sie in seine Kammer ging,
Aufspringend Gawan sie empfing;

25   Hin zu den Süßen setzt' er sich,
Und dankt' ihr, daß sie minniglich
Ihm bei der Schwester Beistand bot.
Er sprach: »Litt je ein Ritter Noth
Um ein so kleines Fräulein,
So sollt ichs auch gesonnen sein.«

369  

Die junge süße klare Maid
Sprach da ohne Schüchternheit:
»Wie mir Gott bezeugen kann,
So seid ihr, Herr, der erste Mann,

5   Der je mein Sprechgeselle ward.
Ist meine Zucht dabei bewahrt
Und auch mein verschämter Sinn,
Das giebt mir freudigen Gewinn:
Denn meine Meisterin sprach,
10   Die Rede wär des Sinnes Dach.

»Herr, ich flehe euch und mich;
Wahrer Kummer nöthigt mich:
Ich will ihn nennen, wenn ihr wollt.
Seid mir darum nicht minder hold;

15   Ich wandle doch des Maßes Pfad,
Da ich zugleich mich selber bat:
Ihr seid in der Wahrheit Ich,
Scheiden auch die Namen sich.
Nehmet meinen Namen an,
20   So seid ihr Maid zugleich und Mann.
Drum hab ich euch und mich begehrt.
Laßt ihr mich, Herr, nun ungewährt
Und beschämt von hinnen gehn,
So muß dafür zu Rede stehn
25   Euer Preis vor eurer wahren Zucht,
Daß eine Magd umsonst gesucht
Euch zur Hülfe zu bewegen.
Ist euch, Herr, daran gelegen,
Ich will euch geben Minne
Mit Herzen und mit Sinne.

370  

»Habt ihr mannlichen Brauch,
So weiß ich, Herr, ihr dient mir auch;
Seht, ich bin wohl Dienens werth.
Wohl hat mein Vater schon begehrt,

5   Daß ihm Freund' und Vettern Hülfe senden:
Das braucht euch doch nicht abzuwenden,
Nein, dienet uns um meinen Lohn.«
Er sprach: »Frau, eures Mundes Ton
Will mich von Treue scheiden:
10   Wollt ihr mir Treu verleiden?
Da ich Treu zum Pfande bot,
Lös ich sie nicht, so bin ich todt.
Doch setzt auch, daß ich Dienst und Sinne
Richten wollt aus eure Minne –
15   Eh ihr Minne möchtet geben,
Müstet ihr noch fünf Jahr leben;
Das ist für eure Zeit die Zahl.«
Da gedacht er doch, wie Parzival
Sich mehr auf Fraun als Gott verließ.
20   Ihm war als ob der Freund ihn hieß',
Er soll' ihr zu Gebote sein.
Er versprach dem Fräulein,
Helm und Schild für sie zu tragen.
Scherzend hörte sie ihn sagen:
25   »In eurer Hand sei mein Schwert;
So jemand Tjost von mir begehrt,
Ihr müßt den Buhurd reiten,
Für mich tjostierend streiten.
Ob mich Alle kämpfen sehn,
Doch muß der Kampf von Euch geschehn.«

371  

Sie sprach: »Des bin ich gern gewillt:
Ich bin eur Schirm, ich euer Schild,
Ich euer Herz, ich die euch tröstet,
Wie ihr vom Zweifel mich erlöstet.

5   Ich bin für alle Fälle
Eur Geleit und eur Geselle,
Wider Unglücks Sturm ein Dach,
Im Ungemach ein sanft Gemach.
Meine Minne soll euch Frieden geben,
10   Vor Sorge sichernd euch umschweben,
Daß eure Kraft nichts stört noch irrt,
Sich zu wehren trotz dem Wirth.
Ich bin Wirth und Wirthin,
Bin euch im Streit Begleiterin.
15   Bleibt ihr dessen eingedenk,
Wird Heil und Kraft euch zum Geschenk.«

Da sprach der werthe Gawan:
»Um Beides, Herrin, halt ich an.
Da ich euch soll zum Wunsche leben,

20   Ihr müßt mir Trost und Minne geben.«
Derweil lag ihre kleine Hand
In der seinen festgebannt.
Da sprach sie: »Herr, ich will nun gehn,
Was meines Amts ist, zu versehn.
25   Wie zögt ihr ohne meinen Sold?
Dazu wär ich euch allzuhold.
Meine Sorge sei, bei Zeiten
Euch mein Kleinod zu bereiten:
Wenn ihr das tragt, in keiner Weise
Weicht euer Preis dann anderm Preise.«

372  

Aufbrach die Magd und ihr Gespiel.
Sie erboten sich zu Diensten viel
Ihrem Gaste Gawan.
Dankend sprach der kühne Mann:

5   »Werdet ihr erst achtzehn alt,
Trüg dann Spere nur der Wald,
Der jetzt viel ander Holz noch hat,
Das ist euch Zwein geringe Saat.
Da so schon eure Jugend zwingt,
10   Wenn ihrs zu vollen Jahren bringt,
Eure Minne lehrt noch Rittershänden
Schild und Spere viel verschwenden.«

Mit Freuden sonder Leide
Fuhren hin die Mägdlein beide.

15   Des Burggrafen Töchterlein
Sprach: »Nun sagt mir, Herrin mein,
Womit wollt ihr ihn begaben,
Da wir nichts als Docken (Puppen) haben?
Wenn meine schöner wären,
20   Gebt die, ich wills nicht wehren
Und verschmerze sie auch balde.«
Mitten in des Berges Halde
Kam Lippaut der Fürst geritten.
Obiloten und Klauditten
25   Sah er sich entgegen gehn:
Er bat sie beide stillzustehn.
Da sprach die junge Obilot:
»Vater, mir war nie so noth
Deiner Hülfe noch; auch gieb mir Rath.
Der Ritter thut, wie ich ihn bat.«

373  

»Tochter, was dein Sinn begehrt,
Das wird dir, hab ich es, gewährt.
Heil dem Tag, der dich mir brachte:
Wie da das Glück mir freundlich lachte!«

5   »So will ich, Vater, dir es sagen,
Dir meinen Kummer heimlich klagen;
So thu an mir dann gnädiglich.«
Er hob sie auf sein Pferd zu sich.
Sie sprach: »Wo bleibt dann mein Gespiel?«
10   Der Ritter hielten bei ihm viel:
Die stritten, wer sie nehmen sollte,
Da sie ein Jeder haben wollte,
Bis endlich Einer sie gewann.
Klauditte war auch wohlgethan.

15  

Unterwegs ihr Vater sprach zu ihr:
»Obilot, nun sage mir,
Was hast du für große Noth?«
Sie sprach: »Ich hab ein Kleinod
Dem fremden Ritter angelobt.

20   Da hab ich, fürcht ich jetzt, getobt.
Hab ich ihm nichts zu geben,
Was soll mir dann das Leben,
Da er mir zu dienen sich erbot?
Scham und Schande färbt mich roth,
25   Wenn ich ihm nichts geben kann;
Einer Magd war nie so lieb ein Mann.«

Da sprach er: »Tochter, zähl auf mich:
Des nicht darben laß ich dich.
Da du Dienst von ihm begehrst,
So sorg ich, daß du ihm gewährst,

374   Deine Mutter müst es denn verdrießen.
Möcht uns Heil daraus entsprießen!
O der stolze, werthe Mann.
Wie zieht er Herz und Sinn mir an!
5   Gesprochen hatt ich nie ihn noch;
Da sah ich heut im Schlaf ihn doch.«
Lippaut ging zur Herzogin,
Obiloten führt' er zu ihr hin.
Da sprach er: »Herrin, helft uns zwein.
10   Laut vor Freude möcht ich schrein,
Daß Gott mich dieser Magd berieth.
Die mich von Sorg und Unmuth schied.«
Die alte Herzogin begann:
»Was heischt ihr meines Gutes dann?«
15   »Frau, da ihr uns willfährig seid,
Obilot begehrt ein beßer Kleid.
Sie meint auch wohl, sie wär es werth,
Da ein Solcher ihrer Minne gehrt;
Da er ihr zu dienen denkt
20   Und das Kleinod will, das sie ihm schenkt.«
Da hob des Mägdleins Mutter an:
»Der gute, herliche Mann!
Ich weiß, ihr meint den fremden Gast;
Er glänzt wie Maiensonnenglast.«

25  

Sammet von Ethneise
Trug da herbei die weise;
Man bracht' auch andre Zeuge mit:
Pfellel von Tabronit
Aus dem Land Tribalibot.
Das Gold vom Kaukasas ist roth,

375   Daraus die Heiden schön Gewand
Wirken; mit Kunstverstand
Legen sie das Gold in Seiden.
Da muste man das Kleid ihr schneiden
5   Nach des Herzogs Gebot.
Er misste gern für Obilot
Das beste wie geringste Tuch.
Einen Goldstoff fest genug
Schnitt man an das Fräulein.
10   Ihr must ein Arm entblößet sein:
Ein Aermel ward davon genommen,
Den sollte Gawan bekommen.

Das war ihr Kleinod, ihr Präsent,
Pfellel von Naurient,

15   Fern aus der Heidenschaft geführt.
Ihren rechten Arm hatt er berührt;
Doch noch dem Rock nicht angenäht:
Nie ein Faden ward dazu gedreht.
Klauditte bracht ihn alsobald
20   Gawan dem Degen wohlgestalt:
Da ward er aller Sorgen frei.
Seiner Schilde waren drei:
Auf einen schlug er ihn zuhand.375, 23. Vgl. zu 32, 14.
All sein Kummer verschwand;
25   Auch entbot ihr großen Dank der Degen.
Heil erfleht' er Weg und Stegen,
Wo die Jungfraue ging,
Die ihn so gütlich empfing
Und sein wahrnahm minniglich,
Daß aller Kummer von ihm wich.

376  

Der Tag war hin, nun kam die Nacht.
Beiderseits stand große Macht,
Manch wohlbewehrter Ritter gut.
Wär des äußern Heers nicht solche Flut,

5   Die Innern hätten Wehr genug.
Sie steckten ihrer Letzen376, 6. Letzen = Vorposten, äußerste Schutzwehr. Zug
Ab bei lichtem Mondenschein.
Sie mochten wohl erledigt sein
Aller Furcht und Zagheit.
10   Da hatten sie vor Tag bereit
Der Zingeln zwölf von großer Weite;
Die schützten Gräben vor dem Streite.
Jede Zingel muste haben
Drei Barbigan,376, 14. Bollwerk der Belagerten außerhalb der Mauer zum Schutz der Oeffnungen in den Zingeln. Vgl. 385, 24. hinauszutraben.

15  

Kardefablets von Jamore
Marschall nahm da vier Thore,
Wo man am Morgen sah sein Heer
Kämpfen mit entschloßner Wehr.
Der Herzog erprobte sich

20   Selber auch gar ritterlich;
Die Wirthin war seine Schwester.
Er war entschloßener und fester
Als mancher streitbare Mann,
Der sich im Streit wohl tummeln kann.
25   Drum litt er gern im Streiten Pein.
Sein Heer zog über Nacht herein.
Er kam aus fernem Land gefahren:
Denn selten pflegt' er sich zu sparen,
Wo es Kampfgetümmel galt.
Vier Thore wehrt' er mit Gewalt.

377  

Was der Brücke jenseits lag,
Die Scharen zogen sich vor Tag
Zu Beaurosch in die Stadt,
Wie Lippaut der Fürst sie bat,

5   Wogegen Die von Jamor
Ueber die Brücke ritten vor.
Die Pforten wurden so bemannt,
Stark genug zum Widerstand
Sah man sie beim Morgenscheine.
10   Scherules erkor sich eine:
Mit Gawan dem Degen gut
Ließ er die nicht aus der Hut.

Man hörte da von Gästen
(Das waren traun die Besten)

15   Beschwerde, daß schon Kampf geschehn
Wär, von dem sie nichts gesehn,
Da man das Vesperspiel gefochten,
Eh sie mit tjostieren mochten.
Gar überflüßig war die Klage:
20   Ungezählt am selben Tage
Bot man es Allen, die Gelüsten
Trugen, sich zum Kampf zu rüsten.

In den Gaßen sah man groß Gewühl:
Flatternder Paniere viel

25   Zogen allenthalben ein,
Immer noch bei Mondenschein;
Auch mancher Helm, kostbar verziert
(Am Morgen ward damit tjostiert)
Und mancher Sper von lichtem Stahl.
Ein Regensburger Zindal
378   Würde nicht sehr gepriesen
Vor Beaurosch auf den Wiesen:
Da sah man Wappenröcke tragen,
Deren Kaufpreis hatte mehr betragen.

5  

Die Nacht hielt ihren alten Brauch:
Dem Tage wich sie endlich auch.
Man erkannt' ihn nicht am Lerchensang;
Dröhnend scholl hier andrer Klang;
Das kam vom Kampfgetümmel:

10   Spergekrach, als ob am Himmel
Eine Wolk am Platzen wär.
Da war von Li das junge Heer
Im Kampf mit Denen von Lirivoin
Und mit dem König von Avendroin.
15   Da erscholl so manche laute Tjost,
Als würfe man auf glühnden Rost
Kastanien, daß sie sprängen.
Avoi, wie sie sich mengen!
Wie von den Gästen ward geritten
20   Und von den Bürgern gestritten!

Der Burggraf und Gawan,
Der Seele Heil zu empfahn,
Eh sie zum Kampfe gingen,
Ließen eine Messe singen;

25   Die sang ein Pfaffe Gott und ihnen:
Da mochten sie wohl Preis verdienen;
Denn sie hielten ihr Gesetze.
Sie ritten hinter ihre Letze:
Die Zingeln nahmen wohl in Hut
Viel der werthen Ritter gut.
379   Das waren Scherules Leute;
Wacker stritten die heute.

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