Wolfram von Eschenbach
Parzival und Titurel
Wolfram von Eschenbach

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        478   »Meinen Vater Frimutel verloren
Wir früh: da ward nach ihm erkoren,
Der seiner Söhne ältester war,
Zum Vogt des Grals und seiner Schar.
5   Anfortas wars, der Bruder mein:
Ihm ziemte wohl der Krone Schein,
Obgleich wir Kinder waren.
Als mein Bruder zu den Jahren
Kam, daß ihm der Bart entsprang,
10   Solcher Jugend thut die Minne Zwang.
Sie pflegt sie allzusehr zu plagen:
Das muß man ihr zum Tadel sagen.
Als Herr des Grals nach Minne streben,
Die ihm die Schrift nicht nachgegeben,
15   Ist sträfliche Vermessenheit,
Die Seufzer bringt und Herzeleid.

»Mein Herr und Bruder wählte sich
Eine Freundin minniglich
Und hehrer Sitten, daucht es ihn

20   Wer sie war, das steh dahin.
In ihrem Dienst hielt er sich so,
Daß ihn alle Zagheit floh.
Da ward von seiner starken Hand
Zerbrochen mancher Schildesrand.
25   Zu manchem Abenteuer
Trieb ihn Liebesfeuer:
Ward Einer öfter noch bestanden
In allen ritterlichen Landen,
Solches Willens war er frei.
Amor war sein Feldgeschrei:
479   Der Feldruf ist zur Demuth
Eben auch nicht allzugut.

»Einst ritt der König allein
(Den Seinen allen schuf es Pein)

5   Aus nach Abenteuern:
Minne sollt' ihm Freude steuern,
Denn noch zwang ihn Minne sehr.
Mit einem giftigen Sper
Ward er in einer Tjost so wund,
10   Daß er nimmermehr gesund
Wird, der süße Oheim dein.
Getroffen war sein Schambein.
Ein Heide wars, der mit ihm stritt,
Wider ihn tjostierend ritt,
15   Geboren von Ethnise,
Wo aus dem Paradiese
Gefloßen kommt der Tigris.
Der Heide meinte für gewiss,
Den Gral sollt er gewonnen haben.
20   In den Sper sein Name stand gegraben.
Er suchte ferne Ritterschaft:
Einzig um des Grales Kraft
Strich er über Meer und Land.
Von seinem Streit uns Freude schwand.

25  

»Man muste wohl als tapfer preisen
Deines Oheims Kampf; des Speres Eisen
Führt' er in seinem Leib hindann.
Da der junge werthe Mann
Heimkam zu den Seinen,
Da sah man kläglich Weinen.

480   Den Heiden hat er dort erschlagen;
Den wollen wir mit Maßen klagen.

»Als der König kam, erblichen
Und alle Kraft von ihm gewichen,

5   Da griff ein Arzt ihm in die Wunde
Und fand das Eisen dort zur Stunde.
Die Spitze war von innen hohl:
Draus floß das Gift zur Wunde wohl.
Aus zog der Arzt die Splitter wieder.
10   Da fiel ich zum Gebete nieder
Und gelobte Gott aus Herzenskraft,
Daß ich aller Ritterschaft
Hinfort entsagen wollte,
Daß Gott doch helfen sollte
15   Meinem Bruder aus der Noth.
Fleisch verschwur ich, Wein und Brot,
Und was man blutger Speisen wüste,
Daß ihrer nimmer mich gelüste.
Da hub das Volk erst an zu klagen,
20   Lieber Neffe, laß dir sagen,
Daß ich des Schwerts mich abgethan.
Sie sprachen: »Wer wird fortan
Dem Gral zum Schirmer taugen?«
Da weinten lichte Augen.

25  

»Man trug den König vor den Gral,
Ob Gott ihm hülfe von der Qual.
Da den Gral der König sah,
Ein neuer Jammer ward ihm da,
Daß er nicht konnt ersterben.
Tod durft er nicht erwerben,

481   Da ich mich hatt ergeben
In dieses arme Leben,
Und des Grales Herschaft
Ruht' auf seiner schwachen Kraft.
5   Von Gift war seine Wunde naß.
Was man Arzneibücher las,
Die gaben keiner Hülfe Lohn.
Wider Aspis, Ecidemon,
Ehkontius und Lisis,
10   Jecis und Meatris,
Der argen Schlangen heißes Gift,
Was man dafür verordnet trifft,
Und andre giftge Würme,
Was ein Arzt dafür zum Schirme
15   An Kräutern weiß und Würzen
(Laß den Bericht dir kürzen),
Nichts sollte helfen können:
Gott wollt es nicht vergönnen.

»Da schickten wir zum Geon

20   Boten und zum Fison,
Zum Euphrates und Tigris,
Den vier Flüßen aus dem Paradies,
So nah ihm, daß sein Ruch so fein
Noch nicht verflogen könnte sein:
25   Ob ein Kraut geschwommen käme,
Das uns aus der Trauer nähme.
Das war verlorne Arbeit:
Erneut war unser Herzeleid.

»Wir versuchtens noch in mancher Weise.
Da griffen wir zu jenem Reise,

482   Das Sibylle dem Aeneas bot
Wider alle Höllennoth,
Wider des Phlegetons Dunst und Rauch
Und andrer Höllenflüße auch:
5   Mit Mühn und Sorgen mancherlei
Schafften wir das Reis herbei,
Ob der grausame Sper
Vielleicht im Höllenfeuer wär
Vergiftet und gelöthet,
10   Der uns viel Freud ertödtet.

»So war es nicht mit ihm bewandt.
Ein Vogel, Pelikan genannt,
Wenn er junge Brut gewinnt,
Allzusehr die Kleinen minnt:

15   Wie ihn seiner Treu Gelust
Zwingt, durchbeißt er sich die Brust,
Läßt das Blut den Jungen in den Mund;
Er aber stirbt zur selben Stund.
Da nahmen wir des Vogels Blut,
20   Ob seine Treu uns käm zu gut,
Und strichens auf die Wunden,
So gut als wirs verstunden:

»Das half uns keine taube Nuß.
Ein Thier heißt Monicirus:

25   Das dünkt der Jungfrau Reinheit groß:
Es schlummert ein in ihrem Schooß.
Wir verschafften uns des Thieres Herz
Wider des Königs Schmerz;
Wir nahmen den Karfunkelstein
Aus des Thieres Hirnbein,
483   Der da wächst unter seinem Horn.
Wir bestrichen ihm die Wunde vorn,
Tauchten drein den Stein sogar;
Doch blieb sie giftig wie sie war.

5  

»Das that uns mit dem König weh.
Wir nahmen ein Kraut, heißt Trachonte
(Von dem Kraute hört man sagen,
Wo ein Drache werd erschlagen
Aus dem Blute wachs es auf.

10   Das Kraut hat zu der Sterne Lauf
Unerforschlichen Bezug),
Ob uns vielleicht des Drachen Flug
Noch im Kraute möchte frommen
Bei der Sterne Wiederkommen
15   Und des Mondes Wandeltag,
Der der Wunde Schmerz zu mehren pflag:
Des Krautes edle Eigenschaft
Erwies mit nichten ihre Kraft.

»Wir knieten betend vor dem Gral.

20   Da stand daran mit einem Mal
Geschrieben, daß ein Ritter käme:
Wenn dessen Frage man vernähme,
So wär das Uebel abgethan;
Hätt aber Kind, Magd oder Mann
25   Ihn gewarnt, der Frage zu gedenken,
So möge sie nicht Hülfe schenken:
Der Schade währe fort wie eh
Und brächte nur noch schärfres Weh.
Die Schrift sprach: »Habt ihr das vernommen?
Aus Warnung kann nur Schade kommen.
484   Auch frag er in der ersten Nacht;
Hernach zergeht der Frage Macht.
Hört man zur rechten Zeit ihn fragen,
Soll er des Grales Krone tragen,
5   Und sich der Kummer enden:
Die Hülfe will Gott senden.
Das mag Anfortas Heil verleihn;
Doch soll er nicht mehr König sein.«

»Also lasen wir am Gral,

10   Daß Anfortasens Qual
Damit ein Ende nähme,
Wenn uns die Frage käme.
Wir brachten an die Wunden,
Wovon wir Lindrung oft empfunden,
15   Nardensalben, Theriak,
Und was von ihm empfing den Schmack,
Nebst dem Rauch von lignum Aloe:
Ihm war doch allewege weh.
Damals zog ich hieher;
20   Ich finde wenig Freude mehr.
Der Ritter ist seitdem gekommen:
Daraus erwuchs uns wenig Frommen;
Schon hab ich dir von ihm gesagt.
Nur Unpreis hat er dort erjagt,
25   Daß er das bittre Ungemach
Ersah und zu dem Wirth nicht sprach:
»Herr, wie stehts um eure Noth?«
Da seine Einfalt ihm gebot,
Daß er solche Frage mied,
Wie großes Heil darum ihn flieht!«

485  

Sie klagten lange sich ihr Leid.
Inzwischen ward es Mittagszeit.
Der Wirth sprach: »Gehn wir Nahrung holen;
Dein Ross ist übelm Stall befohlen:

5   Ich weiß uns selber nicht zu speisen,
Will uns nicht Gott die Mittel weisen.
Meine Küche rauchet selten:
Des must du heut entgelten
Und, so lang du willst, bei mir verkehren.
10   Viel Wurzeln zwar dich kennen lehren
Wollt ich, ließ es zu der Schnee:
Gott gebe, daß er bald zergeh!
Nun brechen wir ihm Eibensproßen;
Dein Ross hat beßre Kost genoßen
15   Zu Monsalväsche oft als hie;
Gleichwohl trefft ihr beide nie
Den Wirth, ders lieber gönnte,
Wenn mans hier haben könnte.«

Sie gingen aus, der Nahrung nach.

20   Parzival des Futters pflag;
Wurzeln grub der Wirth, der weise:
Das war ihre beste Speise.
Seiner Regel nicht vergaß
Der Wirth: wie viel er grub, er aß
25   Kein Würzlein vor der None.
Um der nächsten Stauden Krone
Hing ers und suchte mehre.
Manchen Tag zu Gottes Ehre
War er nüchtern gegangen,
Fand er nirgend Wurzeln hangen.

486  

Die zwei Gesellen nicht verdroß,
Sie gingen, wo der Brunnen floß,
Und wuschen Wurzeln rein und Kraut.
Ihr Mund war selten Lachens laut.

5   Dann wuschen sie die Hände sich.
An einem Stricke säuberlich
Trug Eibenzweige Parzival
Fürs Ross. So gingen sie zumal
Zu ihrem Sitz heim vor die Kohlen.
10   Mehr Speise konnte Niemand holen:
Da war gesotten noch gebraten;
Ihre Küche war gar unberathen.
Parzival in seinem Sinne,
Bei der herzlichen Minne,
15   Die er zu seinem Wirthe trug,
Meinte doch, es wär genug
Und so gut als einst bei Gurnemans,
Und da zu Monsalväsch im Glanz
Schöner Jungfraun Zug vorüberging
20   Und er die Kost vom Gral empfing.

Sein getreuer Wirth, der greise,
Sprach zu ihm: »Sieh diese Speise,
Lieber Neffe, nicht verschmähe:
Du triffst den Wirth nicht in der Nähe,

25   Der dirs so gerne gönnte,
Wenn er dich laben könnte.«
»Herr,« sprach Parzival dawider,
»Gott seh nie huldreich auf mich nieder,
Wenn je mich beßer hat geletzt,
Was ein Wirth mir vorgesetzt.«

487  

Die Speise, die man auftrug hier,
Wuschen sie sich nicht nach ihr,
Das schadet' ihren Augen nicht.
Wie man von fischigen Händen spricht.

5   Man könnte mit mir beizen
Ohne mich viel zu reizen
(Wenn ich Habicht oder Sperber hieße),
Daß ich auf die Beute stieße,
Hätt ich keinen vollern Kropf;
10   Der Hunger blähte mir den Schopf.

Was spott ich der Getreuen hier?
Meine alte Unart rieth es mir.
Ihr wißt doch, was den Frommen
Den Reichtum hat benommen,

15   Warum sie waren freudenarm,
Oftmals kalt und selten warm.
Aus gottgetreuem Herzen
Trugen sie die Schmerzen
In erwählter Armut Stand.
20   Von des Allerhöchsten Hand
Empfingen sie dafür den Sold;
Gott war und ward noch Beiden hold.

Zum Stall ging nach dem kargen Mal
Mit dem guten Manne Parzival,

25   Der nach dem Ross noch nicht geschaut.
Mit betrübter Stimme Laut
Der Wirth zum Ross sprach: »Mir ist leid
Deines Kummers Bitterkeit
Des Sattels wegen, der dich ziert
Und der Anfortas Wappen führt.«

488  

Da dem Ross geschehen war sein Recht,
Da hub sich erst der Jammer recht.
Parzival zum Wirth begann:
»Herr und Oheim, hört mich an.

5   Dürft ichs vor Beschämung sagen,
So wollt ich euch mein Unglück klagen.
Doch eure Güte wird verzeihn:
Zu euch muß meine Zuflucht sein.
Solche Schuld hab ich mir aufgebürdet,
10   Wenn ihr darum mich haßen würdet,
Müst ich dem Trost entsagen
In allen meinen Tagen
Unerlöst von Reue.
Ihr sollt mit Rath der Treue
15   Beklagen meine Thorheit.
Der auf Monsalväsch zu jener Zeit
Sah des Königs Ungemach
Und doch keine Frage sprach,
Das bin ich unselger Mann!
20   So hab ich Armer missgethan.«

Der Wirth sprach: »Neffe, was sagst Du?
Wir müßen alle beide zu
Herzlicher Trauer greifen,
Die Freude laßen schweifen,

25   Da dich Einfalt so ums Heil betrog.
Gab dir Gott fünf Sinne doch:
Die haben übel dich berathen.
Sprich, welchen Beistand sie dir thaten
In der entscheidenden Stunde
Dort bei Anfortasens Wunde?

489  

»Doch will ich Rath dir nicht versagen:
Auch zu tiefes Leid sollst du nicht tragen.
Du sollst in rechten Maßen
Klagen und Klage laßen.

5   In der Menschheit ist ein wilder Zug:
Oft wird zu früh die Jugend klug;
Will dann das Alter Thorheit üben
Und seine lautre Sitte trüben,
So wird das Weiße schwarz zumal,
10   Wird die grüne Jugend fahl,
Und weder hier noch dort gedeiht
Rechter Sinn und Würdigkeit.
Könnt ich dich noch ergrünen
Und das Herz dir so erkühnen,
15   Daß du den Preis erjagtest,
An Gott nicht mehr verzagtest,
So möcht es dir gelingen
Solche Würde zu erschwingen,
Daß es Ersatz wohl hieße.
20   Gott selbst dich nicht verließe.

»Gott will dich durch mich belehren.
Lieber Neffe, laß mich hören,
Sahst du zu Monsalväsch die Lanze?
Wenn sich der Stern Saturn im Glanze

25   An sein Ziel zurückgefunden,
Das war zu spüren an den Wunden
Und an dem späten Frühlingsschnee.
Dann that der Frost ihm grimmig weh,
Dem süßen Oheime dein.
Der Sper must in die Wund hinein,
490   Daß eine Noth der andern Noth
Half: der Sper war blutigroth.

»Einiger Sterne Rückkehrtage
Brachte Monsalväsch in Klage:

5   Wenn sie ob einander stehn,
Feindselig sich vorübergehn.
Auch bleibt die Wunde nicht verschont,
Wenn im Wechsel steht der Mond.
In der jetzt benannten Zeit
10   Faßt den König grimmes Leid:
Ihm thut der scharfe Frost so weh,
Sein Fleisch wird kälter als der Schnee.
Da man ein Gift nun, glühendheiß,
An der Sperspitze weiß,
15   So wirds den Wunden aufgelegt:
Der Frost gleich aus der Wunde schlägt
Und legt wie Glas sich um den Sper;
Das alsdann nur Niemand mehr
Von dem Eisen lösen kann.
20   Trebüschet wars, der weise Mann,
Der zwei Meßer schuf mit Silberklingen:
Mit denen läßt es sich vollbringen.
Die Kunst hatt ihn ein Spruch gelehrt
An unsres Königes Schwert.
25   Man hört wohl sagen vom Asbest,
Daß er sich nicht verbrennen läßt;
Doch fiel von jenem Glas darauf,
Gleich schlugen helle Flammen auf,
Und der Asbest verbrannte gar:
Wie ist dieß Gift so wunderbar!

491  

»Er kann nicht reiten, kann nicht gehn,
Der König, liegen nicht noch stehn,
Nicht sitzen: er muß lehnen
Mit Seufzen, unter Thränen.

5   Beim Mondeswechsel wird ihm weh.
Brumbane heißt ein naher See:
Da tragen sie ihn hin: beim Fischen
Soll ihn da milde Luft erfrischen.
Das nennt er seinen Waidetag;
10   Doch was er dort erbeuten mag
Bei so schmerzlicher Beschwer,
Er bedarf zu Hause mehr.
Davon erscholl die Märe,
Daß er ein Fischer wäre.
15   Das Märchen läßt er walten.
Er hat doch feilgehalten
Nie Salmen noch Lampreten;
Könnt er vor Schmerz sich retten!«

Da unterbrach ihn Parzival:

20   »Ich fand den König auch einmal
Ankern auf den Wellen,
Den Fischen nachzustellen
Oder zur Kurzweile.
Ich ritt manche Meile
25   Den Tag auf waldgen Straßen.
Pelrapär hatt ich verlaßen
Erst um den mitten Morgen.
Am Abend trug ich Sorgen,
Wo meine Herberg möchte sein:
Da bot sie mir mein Oheim.«

492  

»Nicht gefahrlos war die Fahrt,«
Sprach der Wirth, »denn wohlverwahrt
Von den Templeisen wird der Wald.
Weder List noch Gewalt

5   Mag da den Reisenden frommen.
Mit Schrecken hat das oft vernommen,
Wer da den Tod empfing im Streit:
Sie nehmen Niemands Sicherheit,
Sie setzen Leben gegen Leben.
10   Zur Buß ists ihnen aufgegeben.«

»Dennoch kam ich ohne Streit
Durch den Wald zu jener Zeit,
Wo ich am See,« sprach Parzival,
»Den König fand. Dessen Saal

15   Sah ich am Abend Jammers voll.
Ach wie laut der Wehruf scholl!
Ein Knapp herein zur Thüre sprang:
Von Jammer gleich der Saal erklang.
Der trug in seinen Händen
20   Einen Schaft zu den vier Wänden;
Der Sper daran war blutigroth:
Das schuf dem Volke Jammers Noth.«

Der Wirth sprach: »Heftiger als je
War dazumal des Königs Weh:

25   Denn so kündigte sein Nahn
Uns der Stern Saturnus an.
Der pflegt mit großem Frost zu kommen.
Drauf legen mochte da nicht frommen,
Wovon wir Lindrung sonst empfunden:
Man stach den Sper ihm in die Wunden.
493   Saturnus steigt so hoch empor;
Die Wund empfand den Frost zuvor:
Die Kälte kam erst hinterdrein.
Es eilte sich nicht so zu schnein;
5   Die andre Nacht erst fing es an,
Obgleich mit ihr der Lenz begann.
Groß Leid alles Volk beschwerte,
Da man so dem Frost des Königs wehrte.«

Da sprach der fromme Trevrezent:

10   »Ihres Jammers war kein End,
Als den Sper die Wunde heischte,
Der ihr eigen Herz zerfleischte;
Ihrer Klage Jammerton
Glich einer neuen Passion.«

15  

Zum Wirthe sprach da Parzival:
»Fünf und zwanzig an der Zahl
Sah ich Maide vor dem König stehn,
Mit großer Zucht den Dienst begehn.«
Der Wirth sprach: »Mägdlein sollen pflegen

20   (Das Recht verlieh ihm Gottes Segen)
Des Grals, ihm dienen für und für.
Der Gral ist streng in seiner Kür:
Sein sollen Ritter hüten
Mit entsagenden Gemüthen.
25   Wenn dann die hohen Sterne kehren,
Muß Jammer all dieß Volk beschweren,
Die Jungen wie die Alten.
Gott ließ den Ingrimm walten
Allzulange wider sie:
Wird ihnen Trost und Freude nie?

494  

»Neffe, nun bericht ich dir,
Ich weiß, du zweifelst nicht an mir,
Von der Templeisen Leben.
Sie empfangen und sie geben.

5   Sie nehmen junge Kinder an
Von hoher Art und wohlgethan,
Auserwählt von Gottes Hand.
Wird dann herrenlos ein Land,
Das eines Königs begehrt
10   Aus der Schar des Grals, das wird gewährt.
Wohl wird des Volks ein Solcher pflegen:
Denn ihn begleitet Gottes Segen.

»Gott schafft die Männer heimlich fort;
Die Jungfraun giebt man offen dort.

15   Darum war kein Hinderniss,
Als der König Kastis
Herzeleidens hat begehrt:
Mit Freuden ward sie ihm gewährt.
Deine Mutter ward ihm angetraut;
20   Doch nicht genoß er seiner Braut:
Es kam der Tod und grub sein Grab.
Zuvor er deiner Mutter gab
Waleis und Norgals
Mit Kanvoleis und Kingrivals:
25   Das ward ihr öffentlich gegeben.
Der König sollt unlange leben:
Zu seiner Heimat fuhr er wieder;
Da legt' er sich zum Sterben nieder.
Die Königin und ihr Doppelland
Erwarb da Gachmuretens Hand.

495  

»Der Gral giebt Jungfraun unverstohlen,
Die Männer giebt er hin verhohlen.
Ihre Frucht dereinst nimmt er zurück,
Blüht ihren Kindern auch das Glück

5   Des Grales Schar zu mehren:
Das wird die Schrift dann lehren.

»Frauenminne muß verschwören
Wer zur Schar des Grales will gehören.
Nur dem König allein

10   Gebührt ein Weib, an Tugend rein,
Und jenen, welche Gott gesandt
Zu Herren herrenlosem Land.
Die Vorschrift ließ ich unbeachtet,
Da das Herz nach Minne mir getrachtet.
15   Mir rieth die blühnde Jugend
Und werthen Weibes Tugend,
Daß ich in ihrem Dienste ritt
Und oft in blutgem Kampfe stritt.
Mich dauchten so geheuer
20   Die wilden Abenteuer,
Daß ich nicht mehr turnierte.
Ihre Minne führte
Mir ins Herz der Freude Schein:
Da wollt ich ernsten Kampf nicht scheun.
25   Zu ferner wilder Ritterschaft
Zwang mich ihrer Minne Kraft,
Daß ich ihre Gunst erkaufte.
Der Heid und der Getaufte
Galten mir im Streite gleich:
Ich dachte, sie wär lohnesreich.

496  

»Ich trug um sie Beschwerde
In drei Theilen der Erde,
In Europa und in Asia
Und im fernen Afrika.

5   Wollt ich schöne Tjoste reiten,
So must ich vor Gaurivon streiten;
Auch hab ich manche Tjost gethan
Vor dem Berge Feimorgan.
Manch schöne Tjost ward mir verliehn
10   Vor dem Berg Agremontin.
Wer des Innern Trotz will dämpfen,
Der muß mit feurgen Männern kämpfen;
Die äußern Völker brennen nicht,
Wie Mancher dort den Sper auch bricht.
15   Als am Rohas ich im Steierland
Abenteuer sucht' und fand,
Da kamen tapfre windsche Männer
Entgegen mir als Lanzenrenner.

»Ich fuhr von Sevilla

20   Auf dem Meere gen Sicilia,
Durch Friaul bis gen Aglei.496, 21. Aglei ist Aquileja. »Die meisten andern hier genannten Oertlichkeiten wißen wir nicht nachzuweisen; Friaul, Steier und die Drau sind bekannt, aber weder der Rohas noch die Greian. Einige sind auch fabelhaft, wie die Berge zu Agremontin und Famorgan. Mit einem feurigen Ritter 496, 12 hat auch Feirefiss gekämpft 812, 20.« So schrieb ich zur ersten Auflage. Seitdem hat M. Haupt (Berichte 1846, S. 133, 1853 26. Febr.) den Rohas als den Rohitscher Berg im steirischen Saangau, die weiterhin erwähnte Greian, die in die Drau fällt, als den Grajenabach, der bei Pettau mündet, nachgewiesen; selbst die weite Stadt Gandein (die wîten Gandîne 498, 25) in der Drauebene bei Pettau. Der Dichter selber erinnert bei ihrem Namen an Gachmurets Vater Gandin. Die Beziehungen zwischen Steiermark und dem Königsgeschlecht von Anjou werden dadurch bedeutungsvoller, daß Gandin nach 101, 7 den schwarzen Panther im Wappen führte, während ein weißer im grünen Felde das steirische Wappen bildete. Vgl. oben S. 339. Das Natürlichste schiene nun, daß unser Dichter und nicht schon sein vorgeblicher Gewährsmann Kiot diese Anklänge in das Gedicht gebracht hätte. Diese Vermuthung erklärt aber M. Haupt für ganz unerlaubt. »Dieß widerspräche der Treue, mit der er (Wolfram) sonst sichtlich dem folgt, was ihm Guiots Gedicht überliefert hatte, und wo er in Anspielungen, die nicht in die Fabel eingreifen, deutscher Gegenden erwähnt, da reicht seine Ortskenntniß niemals räumlich so weit. (Vgl. §. 6 am Schluß.) Wir werden also was von der Steiermark gesagt ist, zu den andern Räthseln des Parzival stellen müßen, zu den deutschen Namen Fridebrant, Isenhart, Herlint, Hernant, Schiltung, Heuteger und zu dem norwegischen Groenlandsfylki. Es ist ein wohlfeiler aber haltloser Einfall, daß von allem diesem in Guiots Gedicht nicht gestanden, daß Wolfram das alles hinzugethan habe.« Sollen alle jene deutschen Namen in dem französischen Gedichte gestanden haben? Wie würden sie französisch gelautet haben? Wären nicht Schiltung und Heuteger, vielleicht auch Fridebrant bis zur Unerkennbarkeit entstellt worden? Und sollten wir unserm Dichter so viel Einsicht in die Lautverhältnisse zutrauen, daß er die entsprechenden deutschen Formen herausfand? Kiot hätte diese verbundenen deutschen Namen nur aus deutscher Quelle schöpfen können: die näher liegende Ansicht, daß sie aus dieser unmittelbar in Wolframs Gedicht gelangten, wird durch ihre Wohlfeilheit eher empfohlen als verleidet, so lange die entgegengesetzte noch kein Halt stützt. Desto dankenswerter sind die Aufschlüße über die steiermärkischen Oertlichkeiten; sie liegen aber von unseres Dichters Heimat nicht zu weit ab. Wie das Lechfeld, wie Köln und Mastricht, der Hafen zu Witsand 761, 28, so konnten ihm, aber schwerlich dem Kiot, auch der Name der Stadt Gandin und das steiermärkische Wappen bekannt sein, wenn er auch dieses öfter von ihm genannte Land nie betreten hatte. Der romanisch klingende Name Gandin mochte ihm gelegen kommen, wenn er zu den alliterierenden Gachmuret und Galoes den dritten suchte. Vgl. oben S. 522[?]. Oder will man zu den andern Räthseln im Parzival auch das noch stellen, wie der Provenzale Kiot dazu kommen sollte, Gesetze zu beobachten, die nur in Deutschland bei der Namengebung walteten? In unserm Gedichte ist ihre Anwendung zu häufig, als daß an Zufall zu denken wäre. Ich erinnere nur an Hernant und Herlinde, an Kingraun und Klamide, Kiot von Katelangen, Kanvoleis und Kingrivals, Klauditte von Kanedig, an Iblis und Ibert, Jofreit Fils Idöl, Obie und Obilot, an Thasme und Thabronit 739, 24. 25, an Patrigalt und Portugal, Poitewin von Prienlaskros, Garschiloie von Grünland, Galogandres und Gippones (205, 9, 10) u. s. w. Vielleicht gehören selbst Orgeluse und Anfortas, Eisenhart von Assagog, Kailet und Killirjakak, Meljanz und Meljakanz hieher. Am stärksten tritt die Absichtlichkeit bei Gurnemans de Graharz hervor. Diesen Namen selber hat zwar Wolfram schwerlich erfunden: er fand ihn wohl schon in Hartmanns Ereck 1631 und mit andern Namen, die er benutzt zu haben scheint, in Chrestiens gleichnamigem Gedicht; aber er hat den Anlaut durch Gurnemans ganzes Geschlecht bis ins dritte Glied festgehalten. Gurnemans Sohn ist Gurzgri, dessen Sohn Gandilus 429, 20. Vermutlich ist auch der andere Sohn Gurzgris, der junge Delfin von Graswaldane, Schionatulander, so wie sein Oheim Schenteflur mit anlautendem G zu lesen, und wirklich finden wir im Ereck 1690 Ganatulander geschrieben, obgleich die Identität der Person hier so wenig feststeht als bei Gandilus, den gleichfalls schon Hartmann und Chrestien im Ereck nennen. Ob Titurel, Ither von Gahevieß, Galogandres und Galoes, Marlivliot (Manfilot) von Katelange u. A., die sich bei Chrestien so wenig wiederfinden als Ganatulander, mit diesen erst aus Wolframs Gedicht in die späte Handschrift von Hartmanns Ereck gerathen sind, oder dem deutschen Dichter eine andere Recension des französischen Gedichts vorlag als uns, steht dahin. Jedenfalls ergiebt sich, daß Wolfram diese Namen nicht von Kiot zu borgen brauchte.
Weh, o weh und heia hei!
Daß ich jemals deinen Vater sah!
Denn ich fand und sah ihn da.
25   Zu Sevilla zog ich ein,
Als der werthe Anschewein
Eben Herberg genommen.
Seine Fahrt macht mir das Herz beklommen,
Die er that gen Baldag,
Wo er in einer Tjost erlag,
497   Wie ich dich selber hörte sagen.
Ewig muß ich ihn beklagen.

»Mein Bruder ist ein reicher Mann.
Er sah die Kosten nicht an,

5   Wenn er mich heimlich von sich sandte.
Wenn ich von Monsalväsch mich wandte,
Sein Insiegel nahm ich da
Und führt' es gegen Karkobra:
Da fällt ins Meer der Plimizöl
10   In dem Bistum Barbigöl.
Auf seinen Siegelring berieth
Mich da der Burggraf, eh ich schied,
Mit Gefolg, und was ich nöthig fand
Zu einem Zug ins Heidenland
15   Oder anderm Abenteuer;
Da war ihm nichts zu theuer.
Ich kam allein gen Karkobra;
Bei der Heimkehr ließ ich wieder da
Das Gesind und alle andern Stücke
20   Und ritt gen Monsalväsch zurücke.

»Nun höre, lieber Neffe mein:
Da der werthe Vater dein
Zuerst mich in Sevilla sah,
Ansprach er mich als Bruder da

25   Seines Weibes Herzeleid,
Und hatte doch zu keiner Zeit
Mein Angesicht zuvor gesehn.
Auch war ich, muste man gestehn,
Schön, wie kein Mann gesehn noch ward;
Noch hatt ich damals keinen Bart.
498   Als er in meine Herberg fuhr,
Da verneint ich es und schwur
Manchen ungestabten Eid.
Er hielt sich drauf mit Sicherheit;
5   Zuletzt gestand ichs insgeheim.
Mit großen Freuden fuhr er heim.

»Sein Kleinod verehrt' er mir;
Was ich gab, nahm er mit Begier.
Da sahest meine Kapsel hie;

10   Grüner als der Klee ist sie:
Ich ließ sie aus dem Steine
Bilden, den mir gab der Reine.
Zum Knappen ließ er mir Itheren:
Das Herz gab seinem Neffen Lehren,
15   Daß aller Falsch an ihm verschwand,
Dem König von Kukumerland.
Wir durften Fahrt nicht länger meiden
Und musten von einander scheiden.
Da zog er in des Baruchs Land;
20   Zum Rahos fuhr ich selbst zuhand.

Von Cilli kam ich hingeritten.
Drei Wochen hatt ich dort gestritten,
Da schien es mir genug gethan.
Zunächst von Rohas ritt ich dann

25   In die weite Stadt Gandein:
Sie ists, nach der der Ahnherr dein
Einst Gandein ward genannt.
Da machte sich Ither bekannt.
Diese Stadt liegt dort genau,
Wo die Greian in die Drau,
499   Ein goldreich Waßer, rinnet.
Da ward Ither geminnet,
Als er deine Muhme fand.
Sie beherschte dieses Land;
5   Ihr Vater, Gandein von Anschau,
Gab sie diesem Land zur Frau.
Lammire wurde sie genannt;499, 7. Ithers Gemahlin Lamire scheint also Gachmurets Schwester. Eine andere Schwester, Fleurdamur, ist oben 420, 6 als Gemahlin Kingrisins und Mutter Vergulachts und Antikoniens erwähnt. Denn schwerlich ist Kingrisin ein jüngerer Bruder Gachmurets, da von Kingrisins Sohn Vergulacht 420, 10 gesagt wird, Gachmuret und Galoes seien seine oeheime gewesen, was nur Mutterbrüder bedeuten kann, da Vaterbrüder veter hießen.
Aber Steier heißt das Land.
Durchstreifen muß der Lande viel,
10   Wer Schildesamt verwalten will.

»Nun dauert mich mein Knappe roth,
Um den sie mir viel Ehre bot.
Ither war dir nah verwandt;
Vergaß der Sippe deine Hand,

15   Gott hat ihrer nicht vergeßen;
Er kann sie wohl nach Gliedern meßen.
Willst du mit Gott in Frieden leben,
Sollst du dafür ihm Buße geben.
Ich muß dir jammernd künden:
20   Du trägst zwei Todsünden.
Ithern hast du erschlagen;
Auch deine Mutter sollst du klagen,
Der ihre große Treue rieth,
Daß sie aus diesem Leben schied,
25   Da du von ihr geschieden.
Nun folge mir, hienieden
Büße deine Missethat,
Daß wenn einst dein Ende naht,
Irdsche Drangsal dir erwirbt,
Daß dort die Seele nicht verdirbt.«

500  

Weiter ohne Zornes Hast
Frug der Wirth seinen Gast:
»Noch hab ich, Neffe, nicht vernommen:
Wie bist du an dieß Ross gekommen?«

5   »Herr, dieß Ross hab ich erstritten,
Da ich von Sigunen kam geritten,
Die ich vor ihrer Klause sprach.
Einen Ritter flüglings stach
Ich dann herab und zogs hindann;
10   Von Monsalväsche war der Mann.«
Der Wirth sprach: »Blieb er denn am Leben,
Dem es Anfortas hat gegeben?«
»Herr, ich sah ihn heil entgehn
Und fand dieß Ross mir nahe stehn.«
15   »Des Grales Volk berauben
.Und dabei doch glauben
Seine Freundschaft zu gewinnen,
Das ist thöricht Beginnen.«
»Herr, ich nahms in offnem Streit.
20   Wer deshalb mich der Sünde zeiht,
Der prüf erst näher, wie es kam:
Er erschlug das meine, dem ichs nahm.«

Wieder sprach da Parzival:
»Wer war die Jungfrau, die den Gral

25   Trug? Den Mantel lieh sie mir.«
Der Wirth sprach: »Neffe war er ihr
(Sie ist auch deine Muhme).
Sie lieh ihn nicht zu eitelm Ruhme:
Du solltest dort Gebieter sein
Des Grals und ihr, nicht minder mein.
501   Dein Oheim gab dir auch ein Schwert,
Das dir mit Sünden nun gehört,
Da leider keine Frage kund
That dein wohlberedter Mund.
5   Laß die Sünde bei den andern stehn;
Zeit ists, daß wir zur Ruhe gehn.«
Nicht Bett noch Kissen ward gebracht:
Sie lagen auf dem Stein zu Nacht;
Ihrem herlichen Geschlecht
10   War solch ein Lager nicht gerecht.

So blieb er bei ihm vierzehn Tage.
Sein pflag der Wirth, wie ich euch sage,
Kraut und Wurzeln allein
Musten ihre Speise sein.

15   Der Held trug die Beschwerde,
Daß sein süßer Trost ihm werde,
Da ihn der Wirth von Sünde schied,
Mit gutem Rath ihn wohl berieth.

»Wer wars,« so frug einst Parzival,

20   »Der in der Kammer lag beim Gral,
Grau von Haar, von Antlitz hell?«
Der Wirth sprach: »Das war Titurel.
Der ist deiner Mutter Ahne:
Zuerst ward des Grales Fahne
25   Zum Schutz befohlen seiner Hand.
Ein Siechtum, Podagra genannt,
Hält ihn gelähmt ans Bett gebunden.
Seine Farb ist nimmer doch geschwunden.
Den Gral erblickt sein Angesicht;
Drum mag er auch ersterben nicht.
502   Der Greis giebt ihnen guten Rath.
In seiner Jugend manchen Pfad
Ritt er zu tiostieren.
Willst du dein Leben zieren
5   Und immer würdiglich gebahren,
Die Frauen zu haßen must du sparen.
Fraun und Pfaffen, wie bekannt,
Unbewehrt ist beider Hand;
Doch schirmt die Pfaffen Gottes Segen.
10   Dein Dienst soll ihrer treulich pflegen,
So wird dereinst dein Ende gut.
Der Pfaffheit zeige holden Muth:
Was auf Erden sieht dein Angesicht,
Das vergleicht sich doch dem Priester nicht.
15   Sein Mund verkündet uns das Wort,
Das unser Heil ist, unser Hort;
Auch greift er mit geweihter Hand
An das allerhöchste Pfand,
Das je für Schuld verliehen ward.
20   Ein Priester, der sich so bewahrt,
Daß er sich ganz ihm hat ergeben,
Wer könnte heiliger leben?«

Das war der Beiden Scheidetag.
Ihn küsste Trevrezent und sprach:

25   »Deine Sünden laß mir hier:
Gottes Huld erfleh ich dir.
Leiste, was ich dir gesagt,
Und halt fest dran unverzagt!«
Von einander schieden sie;
Ihr mögt euch selber denken wie.

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