Wolfram von Eschenbach
Parzival und Titurel
Wolfram von Eschenbach

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        15   Nun laßt den Knappen heimwärts kehren,
Da kund am Hofe sind die Mären.
Er brach am Morgen auf bei Zeit:
Der Kämmerer der Köngin beut
Ihm Barschaft, Ross und gut Gewand:
20   Mit Freuden ritt er heim zu Land,
Da er bei Artus hatt erreicht,
Wodurch Gawanens Sorge weicht.
Er kam zurück nach wenig Tagen,
Wie wengen, weiß ich nicht zu sagen,
25   Gen Schatel merveil in Klinschors Reich.
Arnive wurde freudenreich,
Da der Pförtner ihr entbot,
Mit seines Rosses großer Noth
Sei der Knappe jetzt zurücke.
Da schlich sie an die Brücke,
653   Wo der Knappe hielt, der weise,
Und frug ihn nach der Reise,
Was man zu melden ihm befohlen.
Der Knappe sprach: »Das bleibt verhohlen,
5   Frau, ich darf es euch nicht sagen:
Mich schweigt ein Eid auf solche Fragen.
Wohl wär es meinem Herren leid,
Sagt' ichs und bräche meinen Eid.
Er hielte mich gewiss für dumm:
10   Fragt ihn, Herrin, selbst darum.«
Sie triebs mit Fragen lange fort;
Der Knappe blieb bei seinem Wort.
»Frau, ihr säumt mich ohne Noth:
Ich leiste, was mein Eid gebot.«

15  

Er ging, wo er den Herren fand.
Der Türkowite Florand
Und der Herzog von Gowerzein,
Von Logrois auch die Fürstin rein
Saß mit vielen schönen Frauen.

20   Wie der Knappe sich ließ schauen,
Auf stand Herr Gawan hocherfreut.
Er nahm den Knappen gleich beiseit
Und hieß ihn willkommen sein.
Er sprach: »Sag an, Geselle mein,
25   Sei es Freude, sei es Noth,
Was man von Hofe mir entbot.

»Fandest du den König da?«
»Herr,« sprach der Knapp, »ich fand ihn, ja,
Den König und auch sein Gemahl
Und werthen Volkes große Zahl.

654   Sie entbieten Gruß und wollen kommen.
Eure Botschaft sah ich aufgenommen
So gut von allen Leuten,
Daß Reich und Arm sich freuten:
5   Denn ich that ihnen kund,
Daß ihr heil wärt und gesund.
Da war ein Heer, ein Volksspiel jetzt!
Die Tafelrunde ward besetzt
Durch eure frohe Botschaft.
10   Wenn jemals in der Ritterschaft
Muth und Kühnheit Preis erlangten,
So muß vor Allen, die da prangten,
Eur Preis die Krone tragen,
Ob allem Preise ragen.«

15  

Er sagt' ihm auch, wie es geschah,
Daß er die Köngin sprach und sah,
Und wie sie ihm getreulich rieth
Auch von dem Volk er ihn beschied,
Von Rittern und Frauen:

20   Daß er sie sollte schauen
Zu Joflanze vor der Zeit,
Die ihm bestimmt war zu dem Streit.
Da schwanden Gawans Sorgen,
Seine Freude war geborgen;
25   Statt Sorgen ward ihm Freude eigen.
Den Knappen bat ers zu verschweigen.
Sein Leid vergaß er freudiglich.
Er ging zurück und setzte sich
Und hielt hinfort hier freudig aus,
Bis Artus und sein Heer von Haus
655   Zu seiner Hülfe kam geritten.
Nun hört, wie Lieb und Leid sich stritten.

Gawan war allewege froh.
Eines Morgens kam es so,

5   Daß man aus dem reichen Saal
Sah der Fraun und Ritter große Zahl.
In einem Fenster sah der Held
Fröhlich über Strom und Feld.
Arniv ihm gegenüber saß,
10   Die zu erzählen nicht vergaß.

Da sprach zur Königin Gawan.
»O liebe Herrin, hört mich an:
Wär euch die Mühe nicht verhaßt,
Und meines Fragens Ueberlast,

15   So ließ' ich mir die Mären
Dieses Schloßes gern erklären.
Daß ich noch bin, ist eure Gabe,
Und daß ich Heil und Freuden habe.
Hatt ich mannlich kühnen Sinn,
20   Den hielt die edle Herzogin
Mit Gewalt in ihrem Zwang:
Eurer Hülfe sag ichs Dank,
Daß mir gesänftet ist die Noth.
Von Minn und Wunden wär ich todt,
25   Wär mir nicht euer Trost gekommen,
Der mich den Banden hat entnommen.
Euch schuld ichs, daß ich lebend bin.
Nun erklärt mir, edle Königin,
Das Wunder, das hier war und ist:
Warum hat solche Zauberlist
656   Hier der weise Klinschor offenbart?
Denn ich starb daran, wenn ihr nicht wart.

Arnive sprach, die weise
(Mit so viel weiblichem Preise

5   Kam Jugend in das Alter nie):
»Herr, all seine Wunder hie
Sind gar kleine Wunder doch:
Viel größre Wunder schuf er noch
In fremden Landen weit und breit.
10   Wer uns darum der Lüge zeiht,
Der kann sich nur versündigen.
Seinen Brauch laßt mich verkündigen,
Der Manchem übel ward bekannt.
Terre de Labeur, so hieß sein Land;
15   Er war aus dem Geschlecht entsprungen,
Dem auch viel Wunder sind gelungen,
Virgils, des noch Neapel froh.
Seinem Neffen Klinschor ging es so:

»Hauptstadt war ihm Kapua.

20   So hohen Preis erwarb er da,
Er war um Preis wohl nicht betrogen.
Von Klinschor dem Herzogen
Sprachen Alle, Weib und Mann,
Bis er Schaden so gewann:
25   In Sicilien herscht, ein König werth,
Der war geheißen Ibert;
Aber Iblis hieß sein Weib.
Die trug den minniglichsten Leib,
Der je von Mutterbrust gekommen.
Ihr zu dienen hat er unternommen
657   Bis sie seiner Minne lohnte,
Und ihr Gemahl ihn nicht verschonte.

»Von seiner Heimlichkeit zu sagen,
Muß ich euch erst um Urlaub fragen,

5   Da sonst mir diese Märe
Nicht wohl geziemend wäre,
Wie ihm kam des Zauberns Laune.
Mit einem Schnitt zum Kapaune
Wurde Klinschor gemacht.«
10   Darüber wurde sehr gelacht
Von Gawan dem Degen hehr.
Da fuhr sie fort und sagt' ihm mehr:

»Auf Kalot Embolot
Erwarb er so der Leute Spott;

15   Man kennt die Veste weit im Land.
Ibert bei seinem Weib ihn fand:
Klinschor schlief in ihrem Arm.
Lag er da geborgen warm,
Das büßt' er doch mit theuerm Pfand:
20   Er wurde von des Königs Hand
Zwischen den Beinen schlicht gemacht.
Das sei sein Recht, hat der gedacht.
Er verschnitt ihn an dem Leibe,
Daß er keinem Weibe
25   Mehr zur Freude mochte frommen;
Das ist Manchem schlimm bekommen.

»Nicht im Land zu Persia,
In der Stadt mit Namen Persida,
Ward Zauberei zuerst erdacht.
Dort hatt ers bald dorthin gebracht,

658   Daß er wohl schaffet, was er will:
Seines Zaubers ist kein Ziel.
Durch die Schmach an seinem Leib
Ward sein Herz nicht Mann noch Weib
5   Mehr geneigt noch wohlgesinnt,
Zumal die gut und edel sind:
Kann er die in Noth versetzen,
Das ist ihm herzliches Ergetzen.

»Von ihm besorgte gleiche Noth

10   Ein König Namens Irot;
Sein Reich ist Roschsabins genannt.
Der bot ihm an von seinem Land,
So viel er nehmen wollte,
Daß er Frieden haben sollte.
15   Klinschor empfing von seinen Händen
Diesen Berg mit steilen Wänden;
Dazu acht Meilen rings herum
Gab er ihm zum Eigentum.
Klinschor schuf auf diesem Berg,
20   Was ihr hier seht, dieß schöne Werk.
Alles Reichtums, aller Pracht
Ist hier was je ein Sinn erdacht;
Droht dem Schloß Belagerung,
Zu dreißig Jahren wohl genung
25   Faßt es Speise mannigfalt.
Auch beherscht er mit Gewalt
Alle Geister, die man kennt
Zwischen Erd und Firmament,
Ob sie bös sind oder gut,
Es nehme sie denn Gott in Hut.

659  

»Herr, da eure grimme Noth
Euch vorbei ging ohne Tod,
So steht sein Reich in eurer Hand.
Diese Burg und dieß gemeßne Land,

5   Keinen Anspruch macht er mehr daran.
Seinen Frieden sollt ihr auch empfahn:
Denn das gelobt er offenbar
(Und was er spricht, das macht er wahr),
Wer sein Abenteur bestehen könne,
10   Daß er Burg und Land ihm gerne gönne.
Die er aus christlichem Land
Hier durch Zauber hielt gebannt,
Sei es Magd, Weib oder Mann,
Die sind euch All nun unterthan.
15   Viel Heiden auch und Heidinnen
Hielt seine Kunst gebannt hiebinnen.
Nun laßt uns Arme wieder ziehn
Zur Heimat, die wir musten fliehn.
Von Heimweh ist mein Herz gequält:
20   Der die Sterne hat gezählt,
Der mög euch Hülfe lehren,
Daß wir zu Freuden kehren.

»Eine Mutter Frucht gebar,
Die dann der Mutter Mutter war.

25   Von dem Waßer kommt das Eis:
Scheint darauf die Sonne heiß,
So kommt vom Eis auch Waßerflut.
So denk ich im bedrängten Muth,
Wie mir aus Freude Leid erblühte:
Daß Freude bald mein Leid vergüte!
660   So giebt Frucht zurück die Frucht:
O helft dazu, das wäre Zucht.

»Schon lang ists, daß mir Freud entfiel.
Schnell mit dem Segel geht der Kiel,

5   Schneller der Mann, der auf ihm geht.
Wenn ihr das Gleichniss recht versteht,
Wird euer Preis auch hoch und schnell.
Machet unsre Freude hell,
Daß wir sie heim zu Lande tragen,
10   Nach dem wir lang schon Heimweh klagen.

»Freuden hatt ich einst genug:
Ich war ein Weib, das Krone trug;
So war auch meiner Tochter Haupt
Der Königskrone Schmuck erlaubt.

15   Wir hatten beide Würdigkeit.
Herr, nie rieth ich Jemands Leid:
Alle ließ ich, Weib und Mann,
Ihr gebührend Recht empfahn.
Zu einer rechten Volkesfrauen
20   Mochte man mich auserschauen,
Die ich Niemand, will es Gott,
Mit Wißen je Unehre bot.
Doch wie getreu ein Weib auch sei,
Wohnt ihr auch Ehr und Reinheit bei,
25   Wie gut sie's guten Leuten bietet,
Sie ist nie vor solchem Leid behütet,
Daß ihr nicht leicht ein armer Knabe
Brächte reicher Freude Gabe.
So lang ich, Herr, hier weilte,
Nie zu Ross, zu Fuß noch eilte
661   Einer her, der mich erkannte
Und meine Sorge wandte.«

Da sprach zu ihr der Degen werth:
»Frau, wenn mir das Leben währt,

5   So kommt euch Freude noch und Frommen.«
Desselben Tages sollt auch kommen
Mit dem Heere Artus der Breton,
Der klagenden Arnive Sohn,
Dem Neffen zu Gefallen.
10   Viel neue Banner wallen
Sah Gawan mit freudgem Schrecken,
Das Feld die Rotten überdecken
Von Logrois die Straße her
Mit manchem farbigen Sper.
15   Gawanen that ihr Kommen wohl:
Wer fremder Hülfe harren soll,
Den läßt Verzögrung meinen,
Nie soll ihm Hülf erscheinen.
Den Zweifel nahm Artus Gawanen:
10   Avoi! wie zog er an mit Fahnen!

Gawan enthielt sich des mit Nichten,
Seine Augen, die lichten,
Musten weinen lernen:
Zu einer Cisternen

25   Taugen sie ihm beide nicht:
Denn sie sind nicht waßerdicht.
Vor Freuden must er weinen,
Da er Artus sah erscheinen.
Von Kind an hatt er ihn erzogen;
Beider Treu war ungelogen
662   So stät einander sonder Wank,
Daß Falschheit nie hindurch sich schlang.

Des Weinens ward Arnive innen:
»Ihr solltet freudig nun beginnen

5   Und ließet Freude schallen,
Herr, das wär ein Trost uns Allen,
Dem Kummer leistet tapfre Wehr.
Hier kommt der Herzogin Heer:
Das sollt euch freuen, dünket mich.«
10   Paniere, Zelte wunderlich
Sah Arnive mit Gawan
Zahlreich führen aus den Plan.
Darunter war ein einzger Schild:
Der hatt ein solches Wappenbild,
15   Daß ihn Arnive wollt erkennen
Und Isages den Ritter nennen,
Marschall bei Utepandragon.
Doch wars ein anderer Breton,
Der schöngeschenkelte Maurin,
20   Marschall jetzt der Königin.
Utepandragon und Isages,
Arnive nicht versah sich des,
Sie waren längst gestorben;
Maurin hatt erworben
25   Seines Vaters Amt kraft alten Rechts.662, 25. Auffallend ähnlich. ist Thors Waten durch Wimur D. 60. (S. Edda, 6. Aufl. 304.)
Auf den Anger des Gefechts
Ritt das große Heergesinde.
Die Frauen, Kämmerer und Kinde
Nahmen Herberg auf der Wiese,
Die jede Frau wohl priese,
663   Bei einem Bächlein schnell und klar,
Wo eilends aufgeschlagen war
Manches herliche Gezelt.
Dem König abseits auf dem Feld
5   Ward mancher weite Kreiß genommen
Und den Rittern, die mit ihm gekommen,
Sie hinterließen, wo sie fuhren,
Von ihrer Reise breite Spuren.

Gawan durch Bene gleich entbot

10   Seinem Wirth Plippalinot,
Daß er Kähn und Schalte
Angeschloßen halte,
Damit sie diesen Tag bewahrt
Wären vor des Heeres Ueberfahrt.
15   Zugleich als erste Gabe nahm
Sie aus Gawanens reichem Kram
Die Schwalbe, noch in Engelland
Als theure Harfe wohlbekannt.

Bene eilte froh hindann.

20   Verschließen ließ da Herr Gawan
Die Thore vor Belagerung.
Willig hörten Alt und Jung,
Wessen er sie freundlich bat:
»Auf jener Seiten ans Gestad
25   Legt sich ein großes Heer:
Nicht zu Land noch auf dem Meer
Sah ich je Rotten fahren
Mit so zahlreichen Scharen:
Ist auf uns das abgesehn,
Helft mir, wir wollen sie bestehn.«

664  

Das versprachen Alle gleich.
Man frug die Herzogin reich,
Ob dieß Heer das ihre wäre?
»Glaubt mir,« sprach die Hehre,

5   »Ich kenne weder Schild noch Mann.
Der oft mir Schaden hat gethan,
Ist etwa in mein Land geritten
Und hat vor Logrois gestritten.
Das stand ihm wohl nicht schlecht zur Wehr:
10   Gewachsen sind sie, solch ein Heer
Vor Thor und Zingeln zu empfahn
Hat da Ritterschaft gethan
Der zornge König Gramoflanz,
So wollt er rächen seinen Kranz;
15   Oder wer sie sei'n, wohl manchen Sper
Brach mit ihnen dort mein Heer.«

Gelogen hatte nicht ihr Mund.
Artusen wurde Schaden kund,
Bevor er kam gen Logrois:

20   Da muste mancher Bretanois
In rechter Tjost den Sattel räumen.
Artus vergalt auch ohne Säumen
In dem Handel, den man dort ihm bot:
Sie kamen beiderseits in Noth.

25  

Man sah die Streitmüden kommen,
Von denen man so oft vernommen,
Daß sie gern der Haut sich wehrten,
Wie sie's in manchem Streit bewährten:
Sie hatten Schaden hier wie dort.
Garel und Gaherjet sofort,

665   Dann Goi Meljanz de Barbigöl,
Zuletzt auch Jofreit fils Idöl,
Wurden in die Stadt gefangen,
Eh das Kampfspiel war zergangen,
5   Die Britten fingen von Logrois
Dük Friam de Vermendois
Und Graf Ritschart de Navers.
Der bedurfte stäts nur eines Spers;
Doch wider wen er den erhob,
10   Der lag am Boden sonder Lob.
Artus fing mit eigner Hand
Diesen Helden auserkannt.
Da wurden unverdrossen
Die Rotten so geschloßen,
15   Einen Sperwald mocht es kosten;
Von ungezählten Tiosten
Die Splitter niederregneten.
Die Britten auch begegneten
Mit mannlich unerschrocknem Sinn
20   Dem tapfern Heer der Herzogin.
Da must Artus zum Streiten
Die Nachhut selbst bereiten.
Man reizte sie den ganzen Tag,
Bis eine Flut des Heers erlag.

25  

Billig hätt es wohl Gawan
Der Herzogin erst kund gethan,
Daß jene, Hülf ihm zu gewähren,
In ihr Land gezogen wären:
So hätten sie sich schon vertragen.
Doch wollt ers ihr noch sonst wem sagen,

666   Bis sie es selbst erkunde.
Er schickte sich zur Stunde
Auch nun selber an zu reisen
Zu Artus, dem Bretaneisen,
5   Mit kostbaren Zelten.
Niemand sollt es entgelten,
War er ihm auch unbekannt:
Gawan begann mit milder Hand
So reichlich Jeglichem zu geben,
10   Als gedächt er länger nicht zu leben.
Knappen, Ritter so wie Fraun
Ließ er seine Güte schaun
Und beschenkte sie so reich,
Daß sie sprachen alle gleich,
15   Ihnen sei der Hülfe Tag erschienen.
Da ward auch Freude kund an ihnen.

Er ließ den Rittern Wehr und Waffen,
Den Frauen schöne Pferde schaffen
Und manches Saumross stark und gut.

20   Der Knappen eine ganze Flut
Sah man auch im Eisenkleid.
Vier werthe Ritter beiseit
Nahm darauf mein Herr Gawan.
Also ordnet' er es an,
25   Daß der Eine Kämmerer
Und der Andre Schenke wär,
Der dritte Truchsäße,
Und der vierte nicht vergäße
Des Marschallamts. So stund sein Sinn;
Die Vier willfahrten ihm darin.

667  

Nun seht Artusen drüben liegen:
Dem blieb heut Gawans Gruß verschwiegen;
Doch unterdrückt' er ihn mit Müh.
Mit Schall brach auf des Morgens früh

5   Gen Joflanz Artusens Heer.
Eine Nachhut ordnet' er zur Wehr;
Doch als nirgends sie ein Feind bestand,
Folgte sie ihm unverwandt.

Nun zog aufs Neue bei Seite

10   Gawan die Amtleute.
Er wollt es länger nicht verziehn
Und befahl dem Marschall, daß er hin
Aus den Plan vor Joflanz möge traben.
»Gesondert Lager muß ich haben;
15   Schon liegt davor ein großes Heer.
Ich berg es länger nicht mehr,
Ihren Namen muß ich nennen,
Daß ihr sie mögt erkennen:
Artus mein Ohm ists ungelogen,
20   Der mich von Kind an hat erzogen
An seinem Hof, in seinem Haus.
Nun rüstet mir so stattlich aus
Meine Reise und so prächtig auch,
Daß man es nenne reichen Brauch.
25   Nur laßts hier oben unvernommen,
Daß Artus meinthalb ist gekommen.«

Da leisteten sie sein Gebot.
Der Fährmann Plippalinot
Hatte da vollauf zu thun.
Müßig durften nimmer ruhn

668   Die Nachen und die Schnecken,
Da mit den Rotten, den quecken,
So zu Ross wie zu Fuß
Der Marschall über führen muß
5   Die Knappen und Garzonen.
Sie folgten dem Bretonen,
Das Heer unweit von ihnen fuhr,
Mit dem Marschall Gawans auf der Spur.

Sie führten, hört ich für gewiss,

10   Auch jenes Zelt, das Iblis
Aus Minne Klinschorn einst gesandt,
Und das zuerst als Liebespfand
Verrieth der beiden Heimlichkeit;
Gar groß war ihre Zärtlichkeit.
15   Nichts war gespart an seiner Pracht,
Nur eins ward schöner noch gemacht:
Das Zelt, das Eisenhart besaß.
Nun ward dieß Zelt auf grünem Gras
Neben Artus aufgeschlagen.
20   Manch Gezelt, so hört ich sagen,
Schlug man umher in weitem Ring;
Der Reichtum dauchte nicht gering.

Bei König Artus ward vernommen,
Gawanens Marschall wär gekommen

25   Das Heer zu bergen auf dem Plan;
Und der werthe Gawan
Kam noch am selben Tage:
So war gemeine Sage
Bei all dem Ingesinde.
Da hob Gawan geschwinde
669   Mit den Rotten sich von Haus.
Seine Reise ziert' er also aus,
Man mochte Wunder sagen.
Manch Saumross muste tragen
5   Kirchenschmuck und Hausgewand;
Harnisch und Schienen allerhand
Wurden aufgesäumt gefunden,
Die Helme drauf gebunden
Zu manchem Schilde wohlgethan.
10   Manches schöne Kastilian
Sah man bei dem Zaume ziehn,
Schöne Fraun und Ritter kühn
Gesellig reiten hinterdrein.
Meilenlang wohl möchte sein
15   Der Zug, würd er gemeßen.
Gawan hatte nicht vergeßen:
Jeder schönen Frau zur Seiten
Must ein tapfrer Ritter reiten.
Die wären nicht bei Sinne,
20   Sprächen sie nicht von Minne.
Der Türkowite Florand
Ward zum Gesellen auserkannt
Sangiven von Norwegen.
Bei Lischois dem nimmer trägen
25   Ritt die süße Kondriê,
Seine Schwester Itonjê
Sah man bei Gawanen reiten;
Arniven zu denselben Zeiten
Mit der schönen Herzogin
Geselliglich die Straße ziehn.

670  

Zu Gawans Zeltbering zu kommen
Hatten sie den Weg genommen
Durch Artusens Heer in langem Zug.
Zu schauen gab es da genug!

5   Doch eh sie ganz hindurch geritten,
Gedachte Gawan höfscher Sitten:
Dem Ohm zu Ehren ließ der Held
Außen von Artusens Zelt
Die erste von den Frauen halten;
10   Der Marschall, seines Amts zu walten,
Hieß dann die zweite zu ihr reiten,
Darauf die dritte zu der zweiten,
Bis sie hielten all im Kreise,
Hier die junge, dort die greise,
15   Ein Ritter jeder an der Hand,
Der willig ihr zu Diensten stand.
Artusens Zeltbering, den weiten,
Sah man da nach allen Seiten
Von Frauen ganz umfangen.
20   Da ward Gawan empfangen,
Der freudenreiche, dünket mich,
Von König Artus freudiglich.

Gawan stieg ab, nicht minder
Arniv, Sangio und ihre Kinder,

25   Von Logrois auch die Herzogin,
Der Herzog von Gowerzin
Und der Türkowite Florand.
Diesen Fürsten auserkannt
Ging entgegen Artus aus dem Zelt:
Freundlich empfing sie all der Held,
671   So auch die Köngin, sein Gemahl.
Die empfing Gawanen und zumal
Alle, die mit ihm gekommen,
Und hieß sie herzlich willkommen.
5   Da wurde mancher Kuss gethan
Von vielen Frauen wohlgethan.

Artus sprach zu dem Neffen sein:
»Wer sind sie, die Gesellen dein?«
Gawan versetzte: »Küssen

10   Wird sie die Königin müßen:
Das unterbliebe wider Recht:
Zu hoch ist beider Geschlecht.«
Der Türkowite Florand
Wurde da geküsst zuhand
15   Und der Herzog von Gowerzin
Von Ginover der Königin.

Sie gingen mit ihr ins Gezelt
(Manchen dauchte, daß das weite Feld
Voll der schönen Frauen wäre).

20   Nicht so Artus. Bei seiner Schwere
Sprang er auf ein Kastilian:
Zu all den Frauen wohlgethan
Und den Rittern neben ihnen
Ritt er im Kreiß mit heitern Mienen.
25   Willkommen hieß zur Stunde
Sie Artus mit höfschem Munde,
Es war Gawanens Wille,
Daß sie draußen stille
Hielten, bis er weiter ritte:
So wollt es höfische Sitte.

672  

Artus stieg ab und ging hinein:
Zu dem Neffen setzt' er sich allein
Und bat, ihm Kunde zu gewähren,
Wer die fünf Frauen wären.

5   Da hub mein Herr Gawan
Mit den ältesten an;
So sprach er zu dem Breton:
»Kanntet ihr Utepandragon?
So ist Arnive dieß, sein Weib;
10   Euch selbst geboren hat ihr Leib,
Dann seht ihr Norwegs Köngin hier:
Daß ich das Licht sah, dank ich ihr;
Meine Schwestern seht in diesen Maiden:
Wie sie schmuck sind, die beiden!«

15  

Da hob ein neues Küssen an.
Rührung und Freude sahn
All, die es wollten sehn;
Ihnen war viel Liebes geschehn.
Lachen und Weinen

20   Konnt ihr Mund vereinen:
Von Freude kam der Thränenguß.
Da sprach zu Gawan Artus:
»Neffe, gieb mir noch Bericht:
Die schöne Fünfte kenn ich nicht.«

25  

Da versetzte Gawan le kurtois:
»Die Herzogin ists von Logrois;
In ihren Gnaden bin ich hie.
Heimgesucht habt ihr sie:
Was dabei sich zugetragen,
Wollt davon uns Kunde sagen.

673   Der Wittwe schaden ziemt' euch nicht.«
»Deiner Muhme Sohn,« gab er Bericht,
»Gaherjeten fing sie dort
Und Garel, der immerfort
5   Sich kühn bewährt im Streite.
Mir ward von der Seite
Der Unerschrockene genommen.
Unsrer Haufen einer war gekommen
Im Lauf bis dicht vor ihr Thor;
10   Hei! wie schlug sich schön davor
Der werthe Meljanz von Li!
Ein weißes Banner führten sie,
Die uns den Kühnen abgefangen:
Als Wappenzeichen sah man prangen
15   Darauf ein blutendes Herz,
Als zuckt' es im Todesschmerz,
Von einem schwarzen Sper durchbohrt.
Lirivoin war ihr Losungswort,
Die unter diesem Banner ritten
20   Und der Stadt den Sieg erstritten.
Auch meinen Neffen Jofreit
Fingen sie: das ist mir leid,
Gestern war die Nachhut mein:
Da widerfuhr mir solche Pein.«

25  

Der König klagte Ungewinn;
Lächelnd sprach die Herzogin:
»Herr, es bringt euch keine Schmach;
Ich griff nicht an an jenem Tag:
Der Schaden, den ihr mir gethan,
Ich hatte keine Schuld daran.

674   Vergütet nun, was ihr mir nahmt,
Da ihr mich heimzusuchen kamt.
Dem ihr zu Hülfe kommt geritten,
Als der hat mit mir gestritten,
5   Da ward ich wehrlos erkannt,
Bei der bloßen Seite angerannt.
Wenn er noch weitern Kampf begehrt,
Wir kämpfen ihn wohl ohne Schwert.«

Zu Artus sprach da Gawan:

10   »Sollen wir diesen Plan
Noch mehr mit Rittern füllen?
Es steht in unserm Willen:
Die euern läßt wohl ledig ziehn
Mir zu lieb die Herzogin
15   Und befiehlt, daß ihre Ritter her
Bringen manchen neuen Sper.«
Artus sprach: »Das rath ich, ja.«
Nach den Werthen sandte da
Die Fürstin Boten in ihr Land.
20   Schönere Versammlung fand
Selten wohl auf Erden Statt.
Da Gawan nun um Urlaub bat
Zu seiner Herberg einzukehren,
Der König must es ihm gewähren.
25   Die mit ihm gekommen waren,
Sah man alle mit ihm fahren.
Seiner Herberge Zelt
Fanden sie so wohl bestellt,
Daß es köstlich war und hehr
Und von aller Armut leer.

675  

Zu den Herbergen eilen
Sah man da Manchen, dem sein Weilen
Schon zum Verdruß gewesen.
Herr Kei war nun genesen

5   Von jener Tjost am Plimizol.
Er sah Gawanens Aufzug wohl
Und sprach: »Artusens Schwager Lot
Schuf uns selben solche Noth
Gleicher Pracht und eignen Ringes.«
10   Dazu verdroß ihn noch des Dinges,
Daß ihn Herr Gawan nicht gerochen,
Als sein rechter Arm ihm war zerbrochen.
»Gott mit den Leuten Wunder thut:
Wer gab Gawan die Frauenbrut?«
15   Sprach Herr Kei in seinem Eifer;
Dem Freund missgünstig war sein Geifer.

Der Freunde Glück macht Edle froh;
Zeter schreit und Mordio
Der Ungetreue, wenn er sieht,

20   Daß seinem Freunde wohl geschieht.
Gawan war glücklich und geehrt;
Wenn noch Einer mehr begehrt,
Wo will der mit Gedanken hin?
Darob ist ihm nur kranker Sinn
25   Des Haßes und des Neides voll.
Den Tugendhaften thut es wohl,
Wenn bei dem Freunde Preis verweilt
Und Schande flüchtig von ihm eilt.
Da Gawan ohne Falsch und Haß
Mannlicher Treue nie vergaß,

676  

So geschieht Unbilde nicht daran,
Daß er nun Heil und Glück gewann.

Wie der von Norwegen
Seines Volks mit Speise konnte pflegen,

5   Die Ritter und die Frauen?
Da mochten Reichtum schauen
Artus und sein Gesinde
Von König Lotens Kinde.
Nun laßt sie schlafen nach dem Mal,
10   Ihre Ruhe bringt uns keine Qual.
Vor Sonnenaufgang kam geritten
Volk mit wehrlichen Sitten,
Orgelusens Ritterschar.
Ihrer Helmzierden wahr
15   Bei des Mondes Scheinen
Nahm Artus mit den Seinen:
Denn sie zogen zwischen her,
Wo jenseits Gawan und sein Heer
In weitem Zeltberinge lag.
20   Wer solche Hülf entbieten mag
Mit seiner machtvollen Hand,
Dem wird billig Ehre zuerkannt.
Seinen Marschall bat Gawan:
Weis' ihnen Raum zur Herberg an.
25   Doch rieth der Fürstin Marschall,
Daß von Logrois die Ritter all
Eigne Zeltberinge zierten.
Eh sie die all logierten
War es schon hoch am Morgen.
Nun nahen neue Sorgen.

677  

Seine Boten sandte
Artus der Auserkannte
Gen Roschsabins in die Stadt.
Den König Gramoflanz er bat:

5   Da er nicht anders wolle,
Als daß der Kampf geschehen solle
»Zwischen ihm und meinem Neffen,
So mög er den im Kampfe treffen.
Bittet ihn alsbald zu kommen,
10   Denn er hat sich vorgenommen,
Daß ers nicht vermeiden will.
Einem andern Manne wärs zu viel.«
Die Boten fuhren hindann.
Floranden nahm da Gawan
15   Und Lischois an seine Seite,
Daß sie ihm aus Näh und Weite
Kund die Ritter thaten,
Die als Minnesoldaten
Der Herzogin um hohen Sold
20   Waren dienstbereit und hold.
Dann ritt er und empfing sie so,
Daß sie alle sprachen froh,
Fürwahr, der werthe Gawan
War ein höfischer Mann.

25  

Von ihnen kehrt' er wieder heim
Und that das Weitere geheim.
Zu seinem Zeltgemach er schlich,
In volle Rüstung setzt' er sich,
Den Helm aufs Haupt gebunden
Daß er säh, ob seine Wunden

678   So vollkommen heil nun sein,
Daß ihm keine Schramme schüfe Pein.
Zu üben dacht er seinen Leib,
Da doch Alle, Mann und Weib,
5   Seinen Kampf sollten sehn,
Daß die Kenner möchten spähn,
Ob seiner unverzagten Hand
Der Preis heut würde zuerkannt.
Einen Knappen hatt er schon gebeten,
10   Daß er ihm brächte Gringuljeten.
Den ließ er galoppieren,
Denn er wollte sich movieren,
Daß er wär und das Ross bereit.
Nie ward mir seine Fahrt so leid.
15   Alleine ritt mein Herr Gawan
Fern von dem Heer auf den Plan.

Mag das Glück sein walten!
Einen Ritter sah er halten,
Wo sich des Sabins Fluten wälzen,

20   Ihn, den wir wohl hießen Felsen
Aller mannlichen Kraft.
Er Wettersturm der Ritterschaft,
Dem Falschheit nie im Herzen lag!
Er war in seiner Kraft so schwach,
25   Was man da nennt Verzagen,
Das konnt er nimmer tragen
Weder halben Zoll noch Spanne.
Von demselben werthen Mann
Habt ihr wohl früher schon vernommen:
Die Mär ist an den Stamm gekommen.

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