Wolfram von Eschenbach
Parzival und Titurel
Wolfram von Eschenbach

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§. 8. Wolfram und Gottfried.

Wolfram von Eschenbach stand bei seinen Zeitgenossen und den folgenden Geschlechtern im höchsten Ansehen. Wirnt von Grafenberg, der Dichter des Wigalois, der sich den Hartmann von Aue, den feinsten aller höfischen Dichter zum Vorbilde gewählt hatte, vom Parzival aber auch nur wenige Abschnitte kannte, ertheilt ihm das Lob, daß nie eines Laien Mund beßer gesprochen habe, ein Wort, das noch lange wiederhallte. Auch hält er sich von seinem Einfluße nun eben so wenig frei als früher von Hartmanns. Der jüngere Titurel, das wunderbare Gedicht vom Wartburgkriege, und der darauf gebaute Lohengrin, sind Nachklänge seiner Werke, ja im Wartburgkriege, wo ihm und Klinschor, dem Gebilde seiner Phantasie, die ersten Rollen zugetheilt sind, ist er selbst zur Sage, zur mythischen Person geworden, und eine Art Heiligenschein verklärt sein Haupt. Diesen übereinstimmenden, zum Theil thatsächlichen Zeugnissen steht allein Gottfried von Straßburg gegenüber, der ohne Wolfram zu nennen, doch einen Tadel auf ihn zu münzen scheint, der selbst nicht allzu verständlich den ihm unerfreulichen Ernst und schwerverständlichen Ausdruck seines Nebenbuhlers rügt, der mit dem Stocke Schatten geben wolle, statt mit dem grünen Lindenblatte, der Dolmetscher mit seiner Märe umherschicken müße, indem wir selbst nicht Muße hätten, die Glosse in den schwarzen Büchern aufzusuchen.

Indes erklärt sich dieser Tadel aus der entgegengesetzten Richtung beider Männer, von welchen der Eine alle Kraft seines Geistes an die Darstellung der höchsten sittlichen Ideen setzte, während der Andere die Poesie der Liebe und des sinnlichen Lebensgenusses mit einem Glanz der Sprache und einer gemüthlichen Tiefe ausstattete, die wir bewundern müßen, wenn auch nicht durchaus billigen dürfen.


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