Emil Ertl
Die Leute vom Blauen Guguckshaus
Emil Ertl

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Kebach saß mit Wettl in der großen Wohnstube am Tisch bei der elenden alten Olfunse, die immer so einen komisch rülpsenden Ton hören ließ, wenn man sie mit dem Schlüssel aufpumpte, was fast jede Viertelstunde einmal geschehen mußte. Der Guguck las in einem alten Jahrgang des »Toleranz-Boten«, den er mit ausgestreckten Armen von sich hielt, um besser zu sehen, ein Kapitel über Festungsbau und große Kanonen, und Wettl zupfte Scharpie und dachte dabei an – vieles und auch an die schönen Dinge, die sie in Schönbrunn zu Lebold gesagt hatte, und die sie jetzt immer festhalten mußte, daß sie ihr nicht davonliefen, gerade wo sie sie am notwendigsten brauchte. Und wie Vater und Tochter so friedlich nebeneinander sitzen, da hört man auf einmal: Bum–Bum–Bum... ganz in der Nachbarschaft scheinbar, daß die Fensterscheiben klirren.

Sie fuhren zusammen und wußten nicht, was los sei. Schon ein paar Abende war der Vater nicht in der »Kohlkreinzen« gewesen. Denn so glimpflich es bei seinem ersten Zusammenstoß mit den Parlezvous abgegangen war – ein zweitesmal sehnte er sich nicht, mit ihnen zusammenzustoßen, und die sonderbaren Gerüchte, die durch die Luft schwirrten, ließen es ihm nicht ratsam erscheinen, am Abend auszugehen. Es hieß, daß die Franzosen Anstalt träfen, die innere Stadt zu belagern. Und jeden Bürger der Vorstädte, wurde erzählt, dessen sie habhaft werden, zwingen sie, ihnen Schanzarbeit zu leisten. Besonders aufgeregte Köpfe behaupteten sogar, später, wenn es zum Sturm auf die Basteien käme, würde jeder Franzos einen angesehenen Bürger der Vorstädte mit gefesselten Händen vor sich hertreiben und als Schild benutzen, um sich selbst hinter seinem Leibe zu decken. So einen unfreiwilligen Panzer abzugeben, schien dem blauen Guguck nichts weniger als verlockend; darum blieb er während dieser unsicheren Zeit zu Haus und ging nicht in die »Kohlkreinzen«.

Also und jetzt, ohne daß man wußte, warum und woher, auf einmal dieses Bum–Bum–Bum, immerfort, Schlag auf Schlag, ununterbrochen, und so dumpf und schwer, daß man gleich spürte, es sind Kanonen. Zuerst hofften sie, es wären vielleicht nur Signalschüsse, die bald wieder aufhören würden. Aber das Gedonner hörte nicht mehr auf. Von Schlafengehen war natürlich gar keine Rede. Hinter dem großen Zampelstuhl Kebachs stand Wettl am Fenster und lauschte fiebernd vor Erregung in die ausgestorbene Straße hinaus, während der Guguck sich ganz hinten in der Stube auf den Sessel gesetzt hatte, der neben Wettls Bett stand. Er konnte das Dröhnen der Geschütze nicht ausstehen und hielt sich immer einmal eine Zeitlang mit beiden Händen die Ohren zu. Und dabei strömte er in abgerissenen Stoßseufzern allerhand tiefsinnige Betrachtungen aus.

»Wie nur Menschen aufeinander schießen können! ... Wie ihnen nur so was einfallen kann? ... Kruzitürken noch einmal, der Napoleon möcht' ich nicht sein! ... Lieber ein Bandmacher! ... Oder gar ein Leinenweber! ... Lieber noch als so ein blutiger Kaiser! ... Dem sein Thron steht ja auf einem Berg von toten Menschen! ... Und was hat er schließlich davon? ... Wenn er ein Land erobert hat, will er das nächste erobern ... Zufrieden ist er doch sein Leben nicht ... Wenn ich ein Stück Flandrischen oder Levantine fertig gemacht hab' so hab' ich doch meine Freud' daran ... Und es ist doch auch etwas, denn es ist schön und hat einen Zweck und einen Wert ... Aber er – nur alleweil zerstören, nur alleweil niederreißen, Leut' umbringen, Felder verheeren, Dörfer und Städte niedersengen und niederbrennen! – Hab' ich nicht recht? Was?«

Aber Wettl hörte nicht, sie hatte verstohlen einen Fensterflügel geöffnet und sich weit hinausgebeugt, um die Straße entlang zu sehen. Er bemerkte es.

»Um Gotteswillen!« rief er, »daß am End' eine Kugel hereinfliegt! Wirst du gleich zumachen?«

Schnell kam die Wettl wieder herein, voll Entsetzen und fast weinend.

»Schauen Sie, Herr Vater! Da drüben ist der Himmel rot wie Feuer! Es muß die ganze Stadt brennen!«

Er war schon außer sich, halb verrückt durch Angst und Sorge und durch das ewig gleichmäßige Gebrumm der Kanonen.

»Geh, laß mich,« sagte er, »ich mag nichts sehen! Wenn mir die Schufte mein Gewehr nicht weggenommen hätten, so wär' ich jetzt auch auf der Bastei. Kreuz Laudon noch einmal, eine Hetz' tät' es mir machen, wenn ich mitten unter diese Halunken hineinpfeffern könnt'!«

Er rückte seinen Stuhl ans Fenster, wo Wettls Kavilierstock stand, und fing an, die Rohseidensträhne zu kavilieren, die darauf hingen.

Wettl konnte es nicht aushalten vor Unruhe und Neugierde. Leise schlich sie hinaus und rasch die Treppe hinunter. Irgendwen würde sie wohl finden im Haus, der mehr wüßte als sie. Einen Augenblick lauschte sie zum Großvater hinein, der schlief unbehelligt durch das Brummen der Geschütze den Schlaf des Gerechten; leise zog Wettl die Tür wieder ins Schloß. Als sie über den Hof huschte, sah sie, daß auch hinter den Bäumen des Gartens der Himmel purpurrot glühte. Ein Schauer lief ihr über den Rücken. Das Haustor stand halb offen, ein paar Gestalten lauschten in die Nacht hinaus. Es war die Kaplanek, ein Lehrbub und ein Halbgeselle, die Magd Katl und die Roslini, die sich unter Seufzern und Vermutungen leise miteinander unterhielten. Am Spittelberg, wußte die Kaplanek zu erzählen, stünden französische Haubitzen, die würfen Granaten in die Stadt hinein, und von den Basteien schössen sie mit schwerem Geschütz zurück. Das sei doch eine wahre Sünd', die eigenen Vorstädte zu bombardieren! In Mariahilf habe eine durch das Dach hereinfallende Kanonenkugel einen Schneidermeister, der schon neben seiner Frau im Bette lag, zerschmettert.

»Die Türken haben es nicht ärger getrieben,« sagte sie, »als wie jetzt die Unsrigen! Hui, da tut's grad' wieder himlitzen! Na, ich red' jetzt überhaupt nichts mehr; herentgegen soll mir aber auch niemand abstreiten, daß ich es schon längst gesagt hab', es gibt ein Unglück!«

Atemlos rannte Wettl wieder zurück und überbrachte dem Vater die Neuigkeiten, die sie aufgefangen hatte. Sie war bewegt und beklagte die schönen alten Häuser und die stolzen, hochragenden Türme, die dabei zugrunde gehen würden, der Menschen gar nicht zu gedenken.

»Leicht, daß sich eine Kugel bis ins Guguckshaus verirrt!« meinte sie.

Aber der Vater antwortete ihr nicht. Er saß und kavilierte Seidensträhne. Es war, als ob er sie gar nicht gehört hätte.

»Hol dein Spulrad!« befahl er ruhig.

Sie tat es schweigend. Still machten sie sich an die Arbeit und begannen schöne, farbige Tramseide abzuhaspeln und zu spulen. Emsig und aufmerksam verrichteten sie alle Handgriffe, und der zarte, metallisch schimmernde Faden drehte sich von der Haspel und wickelte sich auf die Spulen, und unausgesetzt lag über dem leisen Schnurren und Summen ihrer friedlichen Arbeit das Getöse der Kanonen und das Klirren und Scheppern der durch das Beben des Bodens erschütterten Fensterscheiben. Und ohne ein Wort miteinander zu reden, arbeiteten sie die ganze Nacht durch, während draußen in regelmäßigen Zwischenräumen die Geschütze zu donnern fortfuhren, die milde Maiennacht mit ihren Schrecken erfüllend.

Gegen drei Uhr morgens mochte es gehen, als plötzlich lautlose Stille eintrat. Kebach horchte auf und wartete. Alles blieb ruhig. Da stand er auf, küßte seine Tochter auf die Stirn und begab sich in seine Schlafkammer.

Am andern Tag in der Früh rennt der Kupka am blauen Guguckshaus vorüber und ruft fast triumphierend herauf, gerade wie die Wettl ihr Staubtuch über seinem Kopf ausbeutelt:

»Hat sich schon übergeben!«

»Wer?«

»Der weiße Fahn' wachelt von alle Türm'.«

»Pfui Teufel!« sagt die Wettl.

»Geben Sie Obacht, Jungfer Wetti, ist Hochverrat!«

»Meinetwegen! Bleibt doch pfui Teufel!«

Bald verbreitete sich die Nachricht durch alle Gassen: die Franzosen hätten die Stadt in riesigem Bogen umfaßt und seien vom Lusthaus im Prater mit Übermacht gegen die Jägerzeile vorgedrungen, so daß dem jungen Erzherzog Maximilian nichts übrig blieb, als seine Truppen über die Donau gegen Spitz zurückzuziehen, wollte er verhindern, daß sie von der Hauptarmee abgeschnitten würden. Mit verhaltener Wut nahm die Bürgerschaft die vollzogene Kapitulation zur Kenntnis.

Eben hatte Wettl dem Vater, der noch im Speisezimmer beim Frühstück saß, mit fliegendem Atem berichtet, was der Kupka Schlimmes zu melden wußte, als sie vom Hof herauf ihren Namen rufen hörte. Ans Fenster tretend, sah sie zu ihrem größten Erstaunen Fany unten stehen, ohne Hut, mit noch ungeordnetem Haar, als ob sie, wie sie ging und stand, aus dem Hause auf die Gasse gelaufen wäre. Sie war kreidebleich und rang nach Worten. Wettl erschrak heftig: ob im Lordhaus etwas geschehen wär'? fragte sie bebend. Sie dachte nicht anders, als daß in der Nacht eine Granate ins Haus »Zum englischen Lord« eingeschlagen und jemanden von der Familie getötet hätte.

»Der alte Tollrian ... der alte Tollrian ...« stammelte Fany fassungslos.

Was es denn gebe? fragte der Guguck erschrocken, der gleichfalls ans Fenster getreten war. Der alte Tollrian, stieß Fany mühsam hervor, habe sich ein Leid angetan. In seinem Schlafzimmer hänge er am Fensterkreuz, man möge nur rasch kommen, vielleicht sei noch Leben in ihm.

Der Guguck lief, was er laufen konnte, durchs Magazin in den Arbeitssaal, nahm ein paar Weber mit und eilte mit ihnen die Gesellentreppe herab und ins Haus »Zum ewigen Leben« hinüber. Die Kaplanek kam in den Hof gestürzt, vergewisserte sich bei Fany, daß es richtig wahr sei, und rüstete sich, um in den Pfarrhof zu »springen«, wie sie sagte, und die »Wegzehrung« zu holen. Durch ihr Jammern aufgescheucht, kam der alte Salzküfel aus seinem Gelaß, sie rief ihm die Schreckensbotschaft zu, er bekreuzte sich, winkte seinem Hund und ging mit gesenktem Kopf und bekümmerter Miene aus dem Haus, wie man zu einem Leichenbegängnis geht. Roslini und Wettl hatten Fany ins Wohnzimmer hinaufgeführt und labten sie, denn sie war wie erschöpft durch alles, was sie seit gestern nachmittag erlebt hatte. Als sie anfing, sich zu erholen, erzählte sie, daß sie des Morgens, eben als sie sich angekleidet hatte, ein Geräusch in Tollrians Zimmer vernommen habe, wie wenn ein Stuhl umgefallen wäre. Darauf habe sie an die Tür gepocht, aber keine Antwort erhalten und nur ein schreckliches Röcheln gehört, und als sie dann die Tür geöffnet, da habe sie ihn hängen sehen ...

Sie verfiel in einen Weinkrampf, Wettl und Roslini hatten genug mit ihr zu tun. Beide wunderten sie sich im stillen, wieso Fany in Tollrians Wohnung gekommen sei, und konnten sich's nicht zusammenreimen. Aber sie fragten nicht und faßten sich in Geduld, bis Fany es aus eigenem Antrieb erklären würde. Diese fand sich endlich wieder und hatte selbst das Bedürfnis zu sprechen. Sie erzählte, wie Thomas das Haus verlassen habe, um auf den Basteien zu kämpfen, und wie Schackerl plötzlich vor ihr aufgetaucht sei. Jetzt nahm sie sich kein Blatt mehr vor den Mund und gestand Wettl offen ihre Jugendliebe zu Schackerl, die noch immer in einem verborgenen Winkel ihres Herzens, ihr selbst fast unbewußt, geblüht habe, bis er sie gestern durch seine Soldatenroheit ausgejätet. Und sie berichtete, wie sie vor ihm aus ihrer Wohnung geflüchtet sei und beim alten Tollrian Schutz gesucht, und wie der sich über Schackerl gekränkt und wahrscheinlich deshalb Hand an sich gelegt habe. Empört über den einstigen Jugendfreund und traurig, daß seine Rückkehr von so häßlichen Umständen begleitet war, hörte Wettl ihr zu.

Roslini, die inzwischen hinübergegangen war, um zu sehen, wie es um den alten Tollrian stehe, kehrte zurück. Man habe ihn herabgenommen, wisse aber nicht, ob er noch lebe; eben erst sei der Doktor mit den zwei Uhren angekommen. Für den Salzküfel habe Tollrian ein Blatt mit letztwilligen Anordnungen auf dem Tische liegen lassen, worin er seinen Leichnam der Anatomie vermache, in einer Nachschrift aber verfüge, daß man ihm Seelenmessen bei St. Laurenz lese, da es schließlich doch nichts schaden könne, wenn es schon nichts nütze. Wettl seufzte.

»Mir hat der arme alte Mann immer schrecklich leid getan. Für unsereins ist es leicht, einen tröstlichen Glauben zu haben. Wenn aber einer so viel studiert und so viele verschiedene Meinungen kennt, da muß es schon schwer sein, den richtigen Pfad durch das Gestrüpp zu finden.«

Fany wollte nach Haus, sie verzehrte sich in Ungeduld um Nachricht über Thomas. Wettl lieh ihr Hut und Tuch und begleitete sie mit Roslini durch den Hof, da trat der Guguck mit dem Salzküfel und mit Pater Bonifaz, dem Pfarrer von St. Laurenz, durch die Torfahrt ein. Der Guguck redete lebhaft und sah ganz aufgeräumt aus. Sie erfuhren, daß man den alten Tollrian wieder zu sich gebracht habe, daß ihm weiter nichts fehle, und daß seine Schafferin ihn jetzt betreue. Ob er sehr traurig sei? fragte Wettl. Er weine immer wie ein Kind, sagte der Salzküfel, aber er glaube fast, es erleichtere ihn. Kebach wollte von Fany erfahren, wie sie eigentlich zum Tollrian gekommen sei, er verstehe die ganze Geschichte noch immer nicht, sie müsse ihm den Zusammenhang aufklären.

»Später! Später, Herr Onkel! Ein andermal, wenn Sie erlauben?« vertröstete ihn Fany und enteilte.

»Wir wollen ihn nicht richten,« sagte Pater Bonifaz, das frühere Gespräch abschließend. »Danken wir Gott, daß er ihm noch eine Frist gegeben hat, ihn zu erkennen.«

»Ja,« meinte der Guguck, »jetzt ist es ein Glück, daß der Tollrian einer von denen ist, die nur eine Menge wissen, aber nie etwas zusammenbringen in ihrem Leben. Jetzt können wir noch froh sein, daß er es nicht einmal zusammenbringt, sich umzubringen.«

»Nein, nein, Herr Sohn, daß er gar nichts zusammenbringt, kann man doch nicht sagen,« meinte der Salzküfel mild. »Aber er ist halt ein Philosoph. Ich versteh' nicht, wie die es eigentlich machen – aber sie machen halt alles, was wir mit der Hand machen, mit dem Kopf.«

»Ja, und darum ist auch der Kopf danach,« sagte Kebach. »So wie die Andreherinnen einen ganz schiefen und dünnen Daumen und Zeigefinger kriegen, so ähnlich wird bei denen der Kopf.«

»Aber schwer muß es schon sein,« meinte der Salzküfel, »alles mit dem Kopf machen statt mit der Hand!«

»Ah belei!« behauptete Kebach. »Eins ist nicht schwerer als das andere, es kommt nur auf die Übung an. Ich hätt' vielleicht geradesogut ein Philosoph werden können wie ein Zeugmacher, wenn ich's gelernt hätt' – warum denn nicht? Aber g'freut hätt' es mich nicht. Wenn ich etwas mach', nachher will ich auch sehen, daß ich etwas gemacht hab'. Oft denk' ich mir's beim Weben, wenn der Kettenbaum immer magerer wird und dafür der Warenbaum immer dicker: das ist doch eine Freud', und ich weiß, warum ich mich plag'. Aber so beim Denken allein – vorher ist nichts und nachher ist nichts, alles nur in der Einbildung! Nein, das wär' nichts für mich!«

Der Pfarrer hatte inzwischen ein paar Worte mit Roslini gewechselt. Sie standen einander gegenüber und blickten sich tief in die Augen.

»Was macht denn die Musik, Jungfer Enzfelder? Wissen Sie, die gewisse, die niemand sonst hört?«

»Es klingt noch immer,« sagte sie lächelnd, »und ich bin froh dabei. Und Sie, Hochwürden, spielen Sie noch manchmal die Orgel?«

»Selten, und nur wenn die Kirchentüren geschlossen sind. Ja, so wird man alt, und das Leben geht dahin, und man hat ja schließlich viele schöne Melodien gehört, aber die schönsten doch nur in der Einbildung – so als ob sie von drüben herüberklängen.«

Die Kaplanek fegte zum Tore herein, einen dicken Bund ellenlanger Wachskerzen im Arm und in den Händen ein beinernes Kruzifix und einen ganzen Haufen Bruderschaftsbilder und Bruderschaftsgürtel, künstliche Rosen, geweihte Skapuliere und ähnliche Dinge, die nach ihrer Meinung zum Sterben gehörten.

»Ist es wahr? Lebt er wirklich?«

Der Herr Pfarrer winkte ab.

»Aber das Lorettohäuberl werd' ich ihm doch wenigstens aufsetzen dürfen?«

»Er lebt und ist klar bei Sinnen. Ich wünsche nicht,« sagte er streng, »daß ihm etwas aufgedrungen wird, wonach ihn nicht verlangt.«

Er reichte Roslini dir Hand, grüßte freundlich nach allen Seiten und entfernte sich. Auch die andern gingen jetzt jedes zu seiner Beschäftigung. Fast ein wenig enttäuscht zog die Kaplanek mit ihren Kerzen und Heiligtümern wieder ab.

Inzwischen war Fany mit pochendem Herzen nach Hause geeilt.

Ob man vom Herrn etwas gehört habe? fragte sie zitternd die Magd, die ihr die Tür öffnete. Nein, sagte diese, nichts habe sie mehr von ihm gehört, gar nichts!

»Gleich darauf, wie die gnä' Frau gestern abend weggegangen war, ist er auch davongeloffen, und der Bursch hat auch den Koffer gleich wieder fortgetragen. Und seither hat der Herr sich nicht wieder sehen lassen.«

»Wer? Von wem redet sie eigentlich?« fragte Fany verwirrt.

»Na, von wem werd' ich denn reden? Von dem feschen Herrn Offizier halt, der gestern abend hier gewesen ist.«

»Was geht der mich an?« rief Fany ungeduldig. »Ich frage doch nach unserm Herrn, nach meinem Mann!«

»Ja so, der!« meinte die Magd; »der ist vor einer Stunde heimgekommen, drinnen im Zimmer ist er. Ich hab' ihm schon ein Frühstück gekocht, weil er ja die ganze Nacht auf der Bastei gewesen ist.«

Als Fany eintrat, saß Thomas an seinem Schreibkasten und las den verspäteten Liebesbrief, den sie gestern an ihn geschrieben, aber schließlich liegen gelassen hatte, da keine Möglichkeit gewesen war, ihn zu bestellen. Er stand auf und trat ihr entgegen, Tränen in den Augen, leuchtend vor Glück über das ganze Gesicht. Sie flog ihm an die Brust.

»Thomas! Thomas! Hab' ich dich wieder? Du guter, böser, ungläubiger Thomas!«


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