Emil Ertl
Die Leute vom Blauen Guguckshaus
Emil Ertl

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***

Wettl und Melcher gingen miteinander in den Garten. Der Melcher hatte sichs bequem gemacht und Helm und Pallasch in dem ebenerdigen Gelasse abgelegt, wo seine Mutter wohnte. Es führten gleicher Erde viele Türen in den Hof heraus. In einer von den kleinen Wohnungen wohnte die Kaplanek, in einer anderen, die nur ein großes Zimmer war, der Salzküfel, der auch dort webte. In einer dritten, die auch nur ein Zimmer war, aber ein ganz kleines, der Werksgeselle Vincenz, der die Schlacht bei Austerlitz mitgemacht hatte und seinen Namen kurrent und latein schreiben konnte. In einer vierten die Roslini. Und dann blieben noch immer ein paar Gelasse übrig, die zu untergeordneten Arbeiten der Fabrikation verwendet wurden, und ein großes Zimmer, in dem einige Lehrbuben und Halbgesellen schlafen konnten. Die eigentliche Fabrik, die aus einem Saale für die Spulmaschinen und Schweifrahmen und aus zwei Sälen für die Webstühle bestand, lag im Stockwerk.

»Die alte, liebe Musik da!« sagte Melcher. »Wie oft hab' ich mich danach gesehnt und mir gedacht: wenn ich nur wieder einmal könnt' die Webstühl' im Guguckshaus klappern hören und die Spatzen im Gugucksgarten räsonnieren!«

»Bist du eigentlich gern dazu gegangen – zu den Soldaten, mein' ich?« fragte Wettl.

»Gern? Wie man es nimmt. Ein Zeitl hätt' ich schon noch lieber gewartet. Aber gefragt haben sie mich nicht. Freigesprochen wär' ich halt vorher noch gerne worden. Na, da hab' ich aber dann den Streich gemacht mit dem zuwidern Menschen, dem Gesellen Schnaus. Die Fräule wird sich ja noch an den großen Verdruß erinnern, den es damals gegeben hat?«

»Sag doch nicht alleweil Sie und Fräule zu mir. Wo wir alte Spielkameraden gewesen sind, bleiben wir schon einmal bei unserm freundlichen Du. Magst nicht?«

»Na, wenn die Fräule erlauben tut –«, sagte Melcher strahlend.

»Also, wie ist denn das gewesen mit dem Schnaus?«

»Ist er noch alleweil da?« fragte Melcher.

»Ja, der Herr Vater sagt, daß er ein sehr verläßlicher Arbeiter ist.«

»Ich hab' ihn halt nicht leiden können. Weil er mir aufsässig war, und weil er immer ein Gesicht gemacht hat, als ob ihm die Händeln das Brot weggegessen hätten. Also, und da hab' ich in der Nacht einmal alle Litzen aus seiner Kette herausgelöst und hab' neue Augen eingeknüpft und immer die falschen Kettfäden durch die falschen Augen an die falschen Litzen angebunden. Es ist sehr mühsam gewesen!«

»Das war aber eine rechte Bosheit!« sagte Wettl.

»Und wie also der Schnaus am andern Morgen zu weben anfängt und, ohne etwas zu denken, seine Schemel in Bewegung setzt, da haben natürlich seine Schäfte immer die falschen Fäden aufgehoben; aber der Sprung war schön und glatt, alles scheinbar in schönster Ordnung, und so schießt er halt ganz gemütlich ein und webt ruhig weiter an seinem Stück und ist ganz, zufrieden dabei. Erst wie er schon ein Endstrumm gewebt hat, ist es ihm aufgefallen, was auf einmal da für ein sonderbarer Dessin anfängt. Da war er ganz dertattert und hat nur so geschaut und hat nicht gewußt, ob er ein Manndl oder Weibel ist.«

Er konnte sich nicht mehr bemeistern und lachte heraus.

»Was der da für ein Gesicht gemacht hat, der Schnaus!« rief er, sich unbändig freuend. »Erst nach und nach ist er wieder zu sich gekommen und hat endlich doch daran glauben müssen, daß er nicht träumt, und daß da wirklich etwas nicht mit rechten Dingen zugegangen ist. No, da ist also jetzt der Sturm losgebrochen. Es war aber auch zum Verrücktwerden, wie der Stoff ausgeschaut hat! Als ob ein Tollwütiger zum Spaß einmal das Weben probiert hätte, so ein Durcheinander war darin.«

»Und da lacht er auch noch darüber!« sagte Wettl an sich haltend.

»Weil halt dieser Schnaus gar so ein Grantian gewesen ist!«

Aber Wettl war es gelungen, eine strenge Miene aufzusetzen.

»Heute wenigstens,« sagte sie verweisend, »wo er des Kaisers Rock trägt, sollt' er an einem so schlimmen Stückel keine Freud' mehr haben!«

Er bändigte schnell seine Heiterkeit.

»Ist schon wahr, ganz recht hat die Fräule – ich sag' halt wieder Fräule, denn mit dem Dusagen wird es jetzt eh' nichts mehr sein dürfen.«

»No ja, wenn ein erwachsener Mensch in schneeweißem Reiterfrack mit schönen grasgrünen Aufschlägen sich über so ein Bubenstückl freut!« sagte Wettl ernst.

Aber indem sie sich das vertrackte Gewebe und Schnausens Verblüffung vorstellte, wandelte sie selbst ein verstohlenes Lachen an.

»Also beim Dusagen bleiben wir jetzt schon,« meinte sie wieder etwas nachsichtiger: »weil wir es doch einmal nicht anders gewöhnt sind.«

»Damals bin ich halt noch kein Kronprinzen-Kürassier gewesen,« entschuldigte sich Melcher. »Nichts als ein ganz gewöhnlicher Latzenzieherbub. Und die Straf' für meinen Übermut ist eh' nicht ausgeblieben. Denn seither hat der Herr Meister nicht mehr sonderlich viel auf mich gehalten. Und wie die Reih' an mich gekommen ist mit der Gesellenprob', da hat er seine Sach' genauer genommen als bei manchem anderen. An einem Harnischstuhl hab' ich das Geschirr einrichten sollen. Wenn ich's getroffen hätt', so hätt' er mich freigesprochen. Aber unter den hundert und hundert Lückerln, die so ein Harnisch hat, grad immer das richtige Loch herauszufinden, das ist gar nicht so leicht. Und erst die Rahmenkorden! Das Donnerwetter muß an diesem Tag in sie gefahren sein, daß sie wie verhext waren. Wie länger ich daran herumgeknüpft hab', wie krauser haben die Fäden sich vernetzt. Und schließlich hat mir der Meister eine Dachtel gegeben, aber keinen Gesellenbrief.«

»Schad' ist es,« sagte das junge Mädchen teilnehmend. »Aber der Herr Vater wird schon gewußt haben, warum er es tut.«

»Na ja,« machte Melcher trübselig. »Verdient hab' ich es schon – im ganzen. Aber gerade das eine Mal – da kann einem leicht ein Malheur passieren, wenn die Litzen und Korden und Branchen halt durchaus nicht wollen. Denn der Handzugstuhl, das ist schon die höhere Wissenschaft, das gehört schon mehr in den Hofkriegsrat als zum gewöhnlichen Dienst, den die Regimenter und Schwadronen machen. Und gerade der Harnischstuhl ist der schwerste, den hab' ich immer am wenigsten mögen. Sonst – was die andern versteh, das versteh' ich just auch noch. Denn wenn ich mich nicht – bei der Fußarbeit wenigstens – gut auskennen tät, so hätt' ich nicht dem Schnaus seine Kette falsch einknüpfen können, ohne daß dabei, wie sich das Fach gebildet hat, das geringste zu bemerken gewesen ist. Schon daraufhin allein hätt' der Meister mich freisprechen können – wenn es halt nicht so eine Spitzbüberei gewesen wär'.«

Er seufzte.

»Es ist einmal so im Leben; es wird nicht nur darauf geschaut, wie man etwas macht, es wird auch darauf geschaut, warum man es macht.«

Sie waren langsam den Kiesweg entlang gegangen, der zwischen den schon herbstlichen Gebüschen hinführte. Der Garten lag zwar etwas eingeschlossen zwischen Hinterhäusern und Feuermauern, war aber für einen Stadtgarten sonst gar nicht so klein und sah noch größer aus, als er war, weil er auf der einen Seite an den noch geräumigeren Garten des Hauses »Zur munteren Tyrolerin« grenzte und dahinter noch mehrere andere Hausgärten sich anschlossen, bis zum Turm der Laurenzikirche hinüber. Von dem nachbarlichen »Tyrolergarten«, wie er kurzweg genannt wurde, trennte ihn zwar eine ansehnlich hohe Gartenmauer, aber die Bäume ließen es sich nicht nehmen, einander über die Mauer hinweg die Hände zu reichen, und die Düfte der Rosen und Linden schwebten zur Sommerszeit, wann eben die Rosen und die Linden blühen und duften, herüber und hinüber, auf den Flügeln des Abendwindes. Jetzt waren die Tage des Sommers dahin und die süßen Düfte verweht, und der wilde Wein, der an der Stelle, wo die Gartenmauer aufhörte und die Feuermauer anfing, an einem hohen Lattengitter rankte, hatte gelbe und rote Blätter.

Wettl zupfte eines von den Blättern ab und freute sich über das herrliche Gold, das der Schöpfer hier zwischen den unscheinbaren Mauern wachsen ließ.

»Die Nüsse sind aber arg zurückgeblieben, heuer?« sagte Melcher. »Der große Baum hängt noch voll davon. Sonst haben wir um diese Zeit längst geboßt.«

»Wir haben das Nußboßen dasmal ein bisset lang hinausgeschoben,« sagte Wettl. »Jetzt ist es eh' recht, jetzt kannst du dann mithelfen. Ich hätt' den Herrn Vater längst daran erinnern sollen. Aber es ist mir nicht viel darum, ich hab' keine Freud' dazu.«

Melcher wunderte sich.

»Sonst hast du doch immer die längste Stang' erwischt und von allen am lustigsten dreingeplescht?«

»Ich weiß nicht – dieses Dreinhauen auf die Nüsse macht mir halt keine Freud' mehr. Man schlägt immer eine Menge Laub zugleich mit herunter. Es heißt zwar, daß es den Bäumen nichts macht, aber wer kann es wissen? Mir ist doch immer, als tät' es ihnen weh. Zum Schluß ist dann ein großer Korb Nüsse da, aber auf dem Boden liegt alles voll von zerschlagenen Blättern, als ob der Feind da gehaust hätte, und der Baum schaut aus, als wär' er mit dem Vincenz bei Austerlitz gewesen. Nein, das Nußboßen find' ich nicht lustig.«

»Sonst haben wir uns immer gut dabei unterhalten ...« sagte Melcher fast enttäuscht, dem nach Art der Heimgekehrten das »Sonst« und »Einst« die Gegenwart verdrängte.

»In dem Punkt bin ich halt ein bissel anders geworden,« sagte Wettl.

Sie schwiegen. Das Rasseln des Webergeschirrs und das Klappern der Tritte klang aus den Häusern herüber, immer gleich, immer bedächtig und stetig, und im wilden Wein an der Feuermauer zwitscherten die Sperlinge. Das junge Mädchen hob ihre Augen und schaute in den Himmel hinauf, der zwischen den von der Abendsonne angeglühten Dächern ganz tiefblau erschien wie der Himmel ferner, südlicher Länder, wo es ganz andere Menschen gab und ganz andere Bäume und Vögel und ein weites, unbegrenztes Meer ...

»Wir werden immer und immer ein bissel anders,« sagte Melcher schonend. »In jeder Woche schon beinah', und jetzt erst in einem Jahr und gar in zwei und in drei Jahren!« ...

Sie gingen weiter und kamen an der Bank vorüber, wo der Großvater und Tollrian am Feierabend manchmal zu sitzen pflegten, während der guten Jahreszeit.

»Sitzen sie noch alleweil da?« fragte Melcher.

»Freilich, genau so wie in der Zeit, wo der Schackerl noch – gelebt hat, hätt' ich beinah' gesagt. Genau so wie in der Zeit, wo der Schackerl noch da war.«

»Und vom Schackerl hat man nie mehr etwas gehört?«

»Nie mehr, nicht ein Wort!«

»Das müssen jetzt auch schon« – er sann nach; »gegen drei Jahre sein?«

»Beinah' so viel,« sagte Wettl. »Ich mein' immer, er ist mit den Franzosen davon.«

In Melcher woben die Erinnerungen. »Weißt du noch, wie er uns angelernt hat, Revolution spielen? Das Salettl das waren die Tuilerien. ... Ja richtig, das Salettl! Ist es denn auch noch da?«

Sie führte ihn hin. Die Büsche waren groß geworden und versteckten es fast. Es war ein bescheidenes hölzernes Lusthäuschen, mit Birkenrinde verkleidet, das im ganzen Guguckshaus nicht anders als das Salettl genannt wurde.

Sie traten ein und setzten sich auf die Bank.

»Hier hast du immer deine Docke gehabt – weißt noch? Wie die Mutter noch gelebt hat ... Nicht größer als so,« er zeigte es mit der Hand, »bist du damals gewesen. Die Docke hat Franzl geheißen und war eigentlich ein Stiefelknecht. Aber das hat nichts gemacht. Dafür war sie schön eingefatscht wie ein richtiges Wickelkind, und gerade weil das arme Hascherl nur ein alter, armseliger Stiefelknecht gewesen ist, so hat es Mutterlieb' und Muttertreu' doppelt notwendig gebraucht. Dort im Winkel hab' ich dir immer müssen eine Grube in den Sand graben, das war die Wiege. Die ist dann mit abgerissenem Gras und Tausendschön ausgepolstert worden, und dann hast du den Franzl hineingelegt, vorsichtig und leise, damit er nicht aufwacht.«

Wettl lachte.

»Wie schön du das alles zu erzählen weißt!« ...

Sie erinnerte sich jetzt dunkel an all diese kleinen Begebenheiten, die wie aus weiter Ferne zu ihr herübergrüßten. Es kam ihr wie eine endlose Zeit vor, daß sie den Melcher kannte. Eigentlich kannte sie ihn, solange sie denken konnte ...

Und er war ja auch wie sie im Hause aufgewachsen und schon Lehrbub und Latzenzieher im »Blauen Guguck« gewesen um die Zeit, da dem Meister Kebach seine Ehefrau noch lebte und die Wettl noch keine drei Käse hoch war und ihr Haar, das damals hell wie Rohseide war, noch von der Stirn bis in den Nacken glatt gescheitelt und in zwei kurze, dicke Schwänzchen geflochten trug.

»Später dann ... wie die Mutter gestorben war« – wollte er sagen; aber er unterdrückte es. »Später dann,« sagte er, »hast du nicht mehr mit Docken gespielt. Da warst du immer mit uns Buben. Eine rechte Plag' hab' ich mit dir gehabt! Weil ich nämlich immer hätt' sollen auf dich achtgeben.«

Dem Melcher war es aufs Herz gebunden gewesen, auf die Wettl zu passen. Aber sie anerkannte ihn nur als Latzenzieher, nicht als Kinderfrau, überhaupt, auf die Wettl passen – das wäre damals schon ein hartes Stück Arbeit gewesen. Die Rädelsführerin war sie, die Wildeste und Ausgelassenste, die kühnste Baumkraxlerin, die flinkste Läuferin, beim Versteckenspielen die erfindungsreichste Entdeckerin verborgener Schlupfwinkel und beim Räuberspielen der Hauptmann. Übermäßig zimper war es nicht zugegangen unter der Kinderschar, die im blauen Gugucksgarten spielte, und die Schutzengel hatten alle Hände voll zu tun. In einer Ecke an der Mauer hatte ein Haufen Kieselsteine gelegen, der von der Pflasterung des Rinnsals übrig geblieben war. Eine besondere Nummer war es, sich gegenseitig damit zu bombardieren. Das flog nur so, und blaue Flecken und mächtige Beulen gab es genug, aber was tat's weiter? Die Köpfe waren hart, die Gemüter nicht wehleidig, und Flennen galt für eine Schande. Zum Glück nahmen die Schutzengel ihr Amt nicht auf die leichte Achsel ...

»Ein recht wildes Bubenmädel muß ich einmal gewesen sein ...« sagte Wettl halb beschämt. »Aber die Fany war vielleicht noch ärger, wiewohl daß sie um vierthalb Jahr' älter ist als ich.«

»Keck war die!« sagte Melcher streng. »Und wenn man sich dann gewehrt hat, hat sie geheult, oder gar gepetzt.«

»Ihr Bengels seid aber auch manchmal recht grob gewesen. Der Schackerl, das war vielleicht der einzige, der nie grob war.«

»Aber sonst ein Hauptsozius!« rief Melcher in Erinnerungen schwelgend. »Weißt du noch, wie er die Revolution gemacht hat? Der Woitech-Pepi, der hat der König sein dürfen, der hat geglaubt, weiß Gott, wer er ist. Da auf der Bank ist er gesessen, das war sein Thron, und das Salettl, das waren die Tuilerien. Und noch einer, ich weiß nicht mehr wer, der dicke Wendelin, scheint's mir, der war seine Schweizergard'. Und wir andern, also der Schackerl und du und ich und der Lebold aus dem Schrollhaus und die Fany und die Mali aus dem Tyrolergarten und noch ein paar, wir sind hinters Gebüsch und haben beschlossen, daß wir die Jakobiner sind, und haben uns mit Gartengeschirren und Blumenstaberln bewaffnet. Und dann mit einem Mordsgeheul hervor und mit den Stöcken auf die Töpfe geschlagen und halt die Tuilerien gestürmt. Der Woitech-Pepi« – er brach in ein fröhliches Lachen aus – »der hat wirklich gerert, wie wir ihn guillotiniert haben. Und mit aufgehobenen Händen hat er um Schonung gebeten. – No ja,« schloß er, »der Schackerl hat aber auch das Verhör und das alles viel zu natürlich gemacht.«

»Ja, und Reden hat er geführt, sogar gegen unsern Kaiser und so wie einer von den richtigen Jakobinern, die sich um die Zeit oder noch früher ja auch in Wien herumgetrieben haben sollen. Ich kann mich noch erinnern, wie dann der Lebold sich ins Mittel gelegt und gesagt hat: Weißt, das war ein Spiel und nicht ein Ernst. Und wer im Ernst gegen einen König oder gar gegen unsern Kaiser etwas sagt, der beleidigt Gott! Und darauf hat der Schackerl gesagt: Ihr wißt es nicht, weil ihr überhaupt nichts wißt, aber es gibt gar keinen Gott!«

»Ja, so war es,« sagte Melcher sich entsinnend; »und darauf hat die Revolution gerade so ein End' genommen wie in der Wirklichkeit, daß die Revolutionsmänner selbst über einander hergefallen sind. Denn der Lebold hat dann den Schakerl gepackt und hat ihn ordentlich gehaut, wiewohl daß er der Zartere und Schwächere gewesen ist. – Wie geht es denn dein Lebold eigentlich? Seht ihr euch öfter?«

Wettl hielt noch immer das wilde Weinblatt in der Hand und begann jetzt mit den Fingern das zarte, seidenweiche Gold zwischen den Blattrippen herauszuschälen.

»Nicht gar oft,« sagte sie. »Auf Assamblees komm' ich noch nicht viel, auf Tänz' schon gar nicht, na, und Räuber und Versteckerl spielen können wir doch nicht mehr miteinander. Hie und da, daß man sich zufällig begegnet ... Er ist mehr ernst und still geworden, der Lebold ...«

»Ich will ihn nachher heimsuchen,« sagte Melcher.

»Da wird er sich sicher freuen,« meinte sie.

Sie warf die freigelegten Blattrippen fort, es tat ihr leid, sie ihrer Schönheit entkleidet zu haben.

»Dem Schackerl ist damals recht geschehen,« sagte sie ablenkend. »Sonst wär' gut mit ihm auszukommen gewesen. Aber der Herr Tollrian hat ihn halt verzogen, sagt der Herr Vater immer. Schad' ist es um ihn.«

»Wie hat denn eigentlich der Herr Göd es ertragen?« fragte Melcher. »Nimmt er sich 's stark zu Herzen?«

Wettl sprang auf, klatschte in die Hände und machte: »Gsch, gsch! Gsch, gsch!«

Melcher sprang auch auf und half ihr. Wenn er in die Hände klatschte, so gab es schon mehr aus.

»Gsch, gsch! Gsch, gsch!« machten sie gemeinsam.

Der Erfolg war ein befriedigender. Sie konnten sich wieder auf die Bank setzen.

»Ist noch alleweil die alte Katzenhetz'?« fragte Melcher.

»Halt dem armen Großvater zulieb,« sagte Wettl, »sonst, wenn's auf mich ankäm' – am liebsten hätt' ich selber ein Katzerl.«

»Warum kann er denn eigentlich die Katzen nicht leiden?«

»Das hat mehrere Gründe. Erstens, weil er sie überhaupt nicht leiden kann.«

»Ist das auch ein Grund?« fragte Melcher.

»Freilich! Es gibt Menschen, die die Katzen halt einmal nicht vertragen.«

»Das kann ich mir ganz gut vorstellen,« sagte Melcher. »So wie ich halt den Gesellen Schnaus nicht ausstehen kann. Und zweitens?«

»Zweitens – aber das ist ein Geheimnis, das darfst du nicht weitersagen!«

Melcher beteuerte verschwiegen zu sein wie das Grab.

»Also! Früher, wie der Großvater noch bei der Leinenweberei gewesen ist, da hat er für das große Leinengeschäft ›Zur Katz‹ gearbeitet. Da hat nun in jedes Stückl eine Katz' eingewebt werden müssen, immer ganz zum Schluß, im Eck neben dem Salband; aber eine Katz' weben, das ist nicht so leicht, das geht nicht so geschwind wie der glatte Schuß! Und immer, wenn also der Großvater geglaubt hat, er ist jetzt endlich fertig mit dem langen, langen Stück, da ist ihm auf einmal eingefallen: Richtig! Jetzt kommt erst noch das allerschlimmste, die verflixte Katz'! – Das hat er mir schon oft erzählt, wie er da immer erschrocken ist.«

»Das muß auch unangenehm sein,« meinte Melcher. »Schon deswegen möcht' ich kein Leinenweber sein.«

»Ja, das sagt er auch. – No, und so ist er halt jedesmal fuchtig geworden über die Katz', und schließlich hat er eine wahre Wut auf alle Katzen gekriegt. Wie er aber dann zur Seidenbranche gekommen ist, da hat er es nicht mehr notwendig gehabt, eine Wut auf die Katzen zu haben, weil es bei der Seide keine Katzen gibt; und seither tut er sie halt nur mehr verachten, hat er gesagt. Das war also der zweite Grund.«

»Und der dritte?« fragte Melcher.

»Der dritte ist der Diwrisl. Der kann natürlich auch die Katzen nicht leiden, und wenn er eine sieht, bellt er. Das macht dem Großvater auch eine Freud', aber nur, wenn die Katz' recht weit weg ist. Denn der Diwrisl ist schon ein bissel altersschwach, und wenn es einmal darauf ankäm', meint der Großvater, so ging's dem Diwrisl schlecht; denn dem Kampf mit einem starken Kater wär' der Diwrisl halt doch nicht mehr gewachsen. Und da fürcht' sich der Großvater immer, es könnt' dem Diwrisl einmal etwas geschehen. No, und deswegen scheuchen wir halt lieber die Katzen, wenn wir eine sehen, damit der arme Großvater sich nicht zu ängstigen braucht.«

»Das ist schon recht,« sagte Melcher. »Warum soll der alte Großvater sich ängstigen? Es gibt Mäus' genug in den Nachbarshäusern. Was brauchen sie auf unsere Spatzen zu gehn!«

Von den Dingen, die man fragen kann, hatte er nun schon viele erfragt. Und was er am liebsten gewußt hätte, konnte er doch nicht fragen. Eine Zeitlang fiel ihm nichts Wissenswertes mehr ein. Verstohlen betrachtete er Wettl von der Seite ... Aber wenn einer fast drei Jahre von dem Hause weggewesen ist, in dem er sonst sein ganzes Leben verbracht hat, so findet sich doch noch immer etwas Neues zum Fragen.

»Ja richtig, die Fany!« fiel es ihm ein. »Auf die hab' ich ganz vergessen! Wie geht's denn der? Sie hat ja geheiratet, hör' ich?«

»Ja, schon vor anderthalb Jahren. O, es geht ihr gut. Ein bissel gar elegant ist sie geworden.«

»Hat sie reich geheiratet?«

»Sehr reich. Sie hat ja selbst auch ziemlich was gehabt. Der Herr Vater war ihr Vormund – du weißt ja, ihr Vater und mein Herr Vater sind Geschwisterkind gewesen. Also, mein Herr Vater, der ihr Vormund war, hat ihre Sach' gut verwaltet – obzwar sie ihm's nie recht gedankt hat, denn er war streng, und sie hätt' lieber das Radel laufen lassen. No, und so hat sich ihr Vermögen vermehrt, und sie hat ihrem Mann schon etwas zugebracht. Aber die Pimperischen, die haben schon noch viel mehr, man sagt sogar, daß sie Millionäre sind. Der Pimper nämlich, vom Haus »Zum englischen Lord« in der Schottenfelder Kirchengasse, das ist ihr Mann; das heißt, der junge Pimper natürlich.«

»So gibt es also auch einen Alten?«

»Ja, den Pimperonkel – wir sagen halt Onkel – sonst heißt man ihn den englischen Lord. Aussehn tut er zwar nicht so wie man sich einen englischen Lord vorstellt. Ein dicker, lebenslustiger, gemütlicher alter Herr ist er, ich hab' ihn recht gern. Und der Herr Vater hätt' ihn auch gern, aber mit seinen Geschäften ist er nicht immer ganz zufrieden.«

»Und warum denn nicht?« fragte Melcher.

»Der Pimperonkel ist nämlich auch Fabrikant,« erklärte Wettl, »er macht die feinen, mit Gold- und Silberblumen durchwirkten Seidenflore und Brokatelle und die reichen, fassonierten Westenstoffe. Und da sagt halt der Herr Vater, mit dem Fabrizieren allein hätt' er sich das Geld, das er hat, nicht machen können.«

»Aber woher hätt' er's denn sonst genommen? Geschnipst wird er es doch nicht haben!«

»Das schon nicht,« meinte Wettl; »aber der Herr Vater sagt, er negoziert.«

»Er negoziert?« fragte Melcher; »und was ist denn das?«

»Das ist halt, was ein Negoziant macht.«

»Und was macht denn also ein Negoziant?«

»Ein Negoziant tut negozieren,« lachte Wettl.

Sie suchte nach Worten.

»Ich versteh' es ja auch nicht so recht. Aber der Herr Vater sagt, wenn einer negozieren tut, das ist, wenn einer halt so Geldgeschäfte macht, daß er heut' auf einmal zehntausend Gulden gewinnt und morgen auf einmal wieder zwanzigtausend Gulden verliert. Das nennt man einen Negozierer. Und der Herr Vater sagt, wenn ein Fabrikant ein Negozierer ist, so sieht man, daß er keine rechte Treu' und kein rechtes Vertrauen zu seinen Webstühlen hat und schneller reich werden will, als sein Gewerbe es ihm gibt; und das wär' grad so, wie wenn ein Zeugmachergesell in der Lotterie spielen tät', sagt der Herr Vater, und den tät' er davonjagen.«

»Also, das nennt man einen Negozierer!« sagte Melcher, der wieder etwas gelernt hatte. »Und ist der junge Pimper, der Fany ihr Mann, auch so einer, der in der Lotterie spielt?«

»Ich glaube, der ist mehr im Geschäft,« meinte Wettl. »Aber seine größte Freud', kommt mir vor, ist sein Pferd.«

»Da sind wir Kollegen,« sagte Melcher. »Denn mir ist auch mein Pferd das liebste auf der Welt – außer der Mutter natürlich, und außer ... dem Herrn Meister, und außer ... noch ein paar anderen Menschen.«

Er schwieg verwirrt.

»Und mir ist das liebste der Herr Vater und der Großvater – und dann die Roslini hab' ich recht gern ...«

»Geh! die Roslini?« fragte Melcher erstaunt.

»Ja, die Roslini. Weil die immer einhergeht, als ob sie eine leise Musik hört. No, und dann meinen Kavilierstock hab' ich auch recht gern.«

»Wie kann man denn einen Kavilierstock gern haben!« rief Melcher.

»Wenn du einmal Gesell bist und deinen eigenen Webstuhl hast, so wirst ihn auch gern haben.«

»Ja, das glaub' ich schon, aber ein Webstuhl ist doch etwas Lebendiges und bewegt sich und ist gescheit wie ein kluges Tier und fast wie ein Mensch, Aber ein Kavilierstock ist ein richtiger Stock. Der steht da und streckt nur immer seine zwei hölzernen, glattpolierten Arme von sich und denkt sich gar nichts dabei.«

»Aber selbst kann man sich Verschiedenes dabei denken, während man die Seide kaviliert,« meinte Wettl, »und so gewinnt man nach und nach auch den Stock lieb. Und wenn ich so an meinem Kavilierstock sitze und arbeite, so hab' ich doch das Gefühl, daß ich auch etwas Nützliches tue. Es ist ja keine große Kunst dabei, an jedem Strähnchen Anfang und Ende suchen und festbinden und dann die Strähnchen zu Docken zu drehen und die Docken zu Buschen zu vereinigen und die Buschen dann abzuwiegen, eh' daß sie zum Färber kommen. Aber gemacht will es doch auch sein, und man kann es schlecht machen, folglich kann man es auch gut machen. Und wenn man etwas, das doch auch zum Ganzen gehört, gut macht, so hat man halt eine Freud' daran. Die Fany lacht mich immer aus und sagt, das könnt' auch ein Lehrbub machen. Als ob man bloß arbeiten tät', um einen Lehrbuben zu ersparen!«

»Hat die Fany eigentlich ihren Mann gern?« fragte Welcher scheinbar unvermittelt.

»Ich glaub' schon, so nach ihrer Art. Schön ist er grad nicht, aber ein guter Mensch, kommt mir vor.«

»Ein guter Mensch?« rief Melcher. »O je! Da wird ihn die Fany schön um den Daumen drehn!«

Sie hörten jetzt Schritte über den Gartenkies ...

Es bewährte sich wieder einmal, daß Sprichwort Wahrwort ist, und daß der Wolf gerennt kommt, wenn man ihn nennt. Eine auffallend gekleidete junge Frau bog um die Gebüsche und näherte sich rasch dem Salettl. Es war Fany, von der sie soeben gesprochen hatten. Melcher erkannte sie nicht sogleich.

Sie aber hatte schon im Hofe gehört, daß Melcher da sei und sich mit Wettl im Garten befinde. Heiter und mit kameradschaftlicher Gemütlichkeit begrüßte sie ihn und war so liebenswürdig, das altgewohnte Du beizubehalten, obgleich sie ja nicht wie Wettl mit Melcher im Guguckshause aufgewachsen, sondern nur zum Spielen herübergekommen war.

Aber Melcher fühlte sich doch etwas beengt, weil er eben noch über sie gesprochen hatte, und noch dazu in nicht ganz einwandfreier Weise; und auch ihre großartige Toilette, die gegen das einfache helle Musselinkleid und die schlichte Haartracht Wettls ganz königlich abstach, machte ihn befangen. Sie trug über ihrem prachtvollen schwarzen Haar einen Kopfputz in türkischem Geschmack, eine Art Turban aus roter Seide, der an der Seite mit einem weißen Reiher, einem sogenannten Esprit, geschmückt war. Vom Kinn bis an die Knöchel war sie in eine schwere Wildschur von Goldbär gehüllt, so daß man sie fast für eine reizende Kamtschadalin halten mochte. Als sie sich setzte und den Pelz fallen ließ, zeigte sich, daß sie mit einem tiefausgeschnittenen und ärmellosen sackartigen Gewande aus weicher, hellgelber Seide bekleidet war. Und dieses Kleid, unter dem ihre zierlichen Füße in roten Gamaschenschuhen aus feinstem Narbenleder hervorlugten, saß so knapp und gleichsam wie angegossen auf dem schlanken, vollen Körper, daß sich, wenn es hoch kam, allenfalls noch ein dünnes Batisthemdchen, aber außerdem gewiß nichts weiter dahinter befinden konnte.

»Nein, wie entzückend du aussiehst! Wieder allerneueste Mode?« rief Wettl in aufrichtiger weiblicher Bewunderung und ein ganz klein wenig auch mit nicht minder aufrichtigem weiblichen Neid.

»Gefall' ich dir?« lachte sie fröhlich und lehnte sich behaglich in ihren Pelz zurück.

Ihr offenes und freimütiges Wesen nahm sogleich für sie ein. Sie gab sich nicht die geringste Mühe, die Freude zu verbergen, die sie über Wettls Bewunderung zu empfinden schien.

»Das Neueste aus Paris!« sagte sie, ihre Wildschur streichelnd. Dann hob sie mit zwei Fingern das Kleid hoch, daß der vorgestreckte niedliche rote Fuß frei sichtbar wurde, und zeigte das gestreifte gelbe Seidenzeug, auf dem immer ein glattes Streifchen mit einem broschierten Streifchen abwechselte. »Und das hier heißt Epingle und ist auch aus Paris. So, nun wissen es die Herrschaften,« sagte sie mit einem vergnügten Lachen.

»Hui je, aus Paris?« machte Wettl enttäuscht. »Das ist aber auch unnötig! Ob es solche Viecher« – sie meinte den Goldbären – »bei uns gibt, das weiß ich zwar nicht. Aber eine solche Levantine hättest im Guguckshaus auch kriegen können.«

»Aber die Fasson, kleines Mädchen, die Fasson!« rief Fany. »Also nimm mir's nicht übel, in dieser höheren Wissenschaft bist du nicht gerade eine Kapazität. Aber wenn ein Mädchen nur versteht hübsch zu sein, das ist die Hauptsache; und das verstehst du, parole d'honneur, auch im Hauskleid, ohne es gelernt zu haben.«

Sie packte Wettls Kopf mit beiden Händen, die in zartgenetzten, bis über die Ellenbogen reichenden weißen Seidenhandschuhen staken, und küßte sie zärtlich.

»Sag einmal aufrichtig, möchtest du nicht auch einmal so fein aussehen und so schöne Sachen haben und so ein weiches Kleid anziehen und so einen hübschen modernen Aufsatz ins Haar kriegen?«

»Du weißt doch,« sagte Wettl halb betrübt, »daß der Herr Vater keine Seide erlaubt.«

»Der Herr Vatter erlaubt keine Seide!« wiederholte Fany, das reine A und die zwei T nachspottend, die auch Wettl dem Wort »Vater« gab, wenn sie die unbedingte väterliche Autorität recht deutlich ausdrücken wollte. »Immer der Herr Vatter, der Herr Vatter! Wo er selbst so viel Seide fabriziert!«

»Und dann,« meinte Wettl, – das Kleid ist ja wunderschön, aber so, mit dem tiefen Ausschnitt und dem allen; ... für die jetzige Jahreszeit wär' mir so ein Kleid doch vielleicht etwas zu kühl.«

»Nützt nichts,« rief Fany, »wir müssen jetzt Griechinnen sein. So will es einmal das Schicksal, und sollten wir dabei erfrieren, übrigens ist ja der Goldbär auch noch da.«

»Der Pelz,« meinte Wettl, »der ist auch prachtvoll. Aber'– der wär' mir für jetzt fast ein bissel zu heiß, glaub' ich.«

Melcher dachte, daß die Anwesenheit eines Kürassiers vom k. k. Kronprinzenregiment bei diesem mehr weiblichen Gespräche nicht gerade unbedingt erforderlich sein möchte, und da er noch im Schrollhaus einen Besuch zu machen gedachte, erhob er sich und sagte, er wolle jetzt einmal versuchen, den Lebold zu treffen, es würde bald Feierabend sein, und wenn er später käme, fänd' er ihn vielleicht nicht mehr.

»Aber ich muß dich noch sehen, Melcher,« rief Fany, »ich bin ja noch gar nicht dazugekommen zu fragen, wie es dir eigentlich geht. Nun, die Hauptsachen hat mir schon die Frau Kaplanek im Hof erzählt. Ein Glück, daß ich überhaupt vorbeigekommen bin, sonst hätt' ich den Melcher am Ende gar nicht zu sehen gekriegt. Ich war gerade auf dem Weg, in eine Gesellschaft zu fahren, da denk' ich mir: springst einen Augenblick zur Wettl hinein und machst ein kleines Tratscherl – und lasse den Wagen halten. Muß doch eine Art Ahnung gewesen sein, daß ein seltener Besuch da ist! Also, damit wir zu einem End' kommen: Was für einen Tag haben wir heute? Samstag? Richtig! Folglich dürfte morgen Sonntag sein, wenn mich nicht alles trügt. Also kommt doch einmal alle morgen nachmittag zu uns zur Jause, wie? Die Alten sollen dann ihren Tarok dreschen, und wir Jungen plauschen von allem Möglichen, besonders aber von der Zeit, wo wir noch ein gut Stück jünger und außerdem auch noch kleinwinzig gewesen sind. Ich will schauen, wen ich sonst noch erwische, damit wir einmal alle wieder beisammen sind, wir alten Kriegskameraden aus dem »Blauen Guguck«. Die Stützen der Revolutionspartei werd' ich freilich nicht mehr alle einladen können bis morgen, wenigstens den Schackerl nicht, der wird sich mir zulieb nicht auf einmal finden lassen. Aber deswegen wollen wir doch vergnügt sein – also abgemacht! Und wenn du schon ins Schrollhaus gehst, Melcher, so könntest so freundlich sein, gleich dem Lebold meine Einladung zu bestellen, gelt? Gut! Au revoir!«

Melcher empfahl sich und ging. Im Hof trat er noch einen Augenblick bei der Mutter ein, fiel auf einmal über sie her, daß sie aufkreischte, und küßte sie und herzte sie und war selig, daß er Urlaub hatte und wieder daheim war. Und dann setzte er wieder seinen funkelnden Kürassierhelm auf, schnallte den Säbel um, der eigentlich ein Pallasch war, und machte sich auf den Weg nach der Kaiserstraße.


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