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Feldpostbrief an seinen Sohn

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Berlin-Treptow, 1.5.1917

Mein lieber Georg!

Wir erwarten täglich mit großer Spannung Deine Mitteilungen. Du hast es nicht gut getroffen, daß Du gleich in das Gebiet der heftigen Kämpfe gekommen bist. Wir wissen zwar nicht, wo Du stehst, wir vermuten nur, daß Du in Nordfrankreich bist. Kannst Du uns nicht nähere Mitteilungen machen, wo ungefähr Deine Stellung ist?

Jedenfalls freuen wir uns, daß Du gesund und bei guter Stimmung bist. Hoffentlich sehen die Engländer und Franzosen bald ein, daß ihr Ansturm gegen unsere neuen Stellungen aussichtslos und alle weiteren Blutopfer Wahnsinn sind. Bei der Wucht des Ansturms sind sicher auch unsere Opfer groß. Unsere Truppen müssen dort Übermenschliches leisten und verdienen sich unauslöschlichen heißen Dank und Bewunderung unseres ganzen Volkes. Daran ändern auch nichts die sinnlosen Streiks, die wir vor vierzehn Tagen in Berlin hatten. Sie sind wahrlich nicht übermäßig ernst zu nehmen. Der eigentliche Anlaß war die Kürzung unserer Brotration. Gewiß, eine tiefeinschneidende Maßnahme, die vermieden werden konnte, wenn durch schärferen Zugriff das Getreide mehr vor dem Verfüttern geschützt worden wäre. Gewissenlose Demagogen versuchten diesen Vorgang zu politischen Zwecken auszunutzen. Damit sind sie aber elend abgefallen. Nach einigen Tagen ist die Geschichte ohne Zusammenstoß und scharfes Eingreifen an dem gesunden Sinn der Arbeiter gescheitert. Freilich will alles den baldigen Frieden. Solche Narrenstreiche dienen aber nicht dem Frieden. Sie gefährden Euch draußen an der Front und steigern die Kampflust der Feinde. Aber wie gesagt, der Streich ist elend gescheitert.

Dem Frieden gehen wir sicher entgegen. Das russische Heer wird mehr und mehr desorganisiert, das russische Volk will den Frieden. Wir tun alles, um eine Verständigung mit den russischen Sozialisten herbeizuführen. Ich hoffe, daß uns das bald gelingt. Die Franzosen und Engländer werden dann auch folgen müssen.

Bei uns ist alles wohl. Fritz geht es gut. Auch an seiner Front wollen die Russen nicht mehr kämpfen.

Dir, mein lieber Junge, wünschen wir Glück, Gesundheit und baldiges Wiedersehen.

Herzlichste Grüße von uns allen
Dein Vater.

Tabak geht morgen ab.


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