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Arbeitslosenfürsorge und Massenstreik

Aus einer Parteitagsrede.
Jena 1913

Wenn wir auf unsere Verhandlungen zurückblicken, so können wir mit vollem Recht sagen, der Parteitag habe fleißige und gute Arbeit geleistet. Der Parteitag hat der Tätigkeit der Parteileitung und Reichstagsfraktion zugestimmt, und beiden Körperschaften sind für ihre künftige Tätigkeit wichtige Anregungen gegeben worden, die sicher weitestgehende Berücksichtigung finden und nach Möglichkeit in die Tat umgesetzt werden.

Mit der Behandlung der Arbeitslosenfürsorge hat der Parteitag Stellung genommen zu einer Frage, die zur Zeit die Lebensinteressen Hunderttausender von Arbeiterfamilien aufs engste berührt. Die mit der planlosen kapitalistischen Produktionsweise untrennbar verbundene Arbeitslosigkeit hat bereits ein Massenelend in großem Umfange hervorgerufen. Die Wintermonate werden sicher noch eine enorme Steigerung des Elends bringen. Im ganzen Reiche muß deshalb unverzüglich eine gewaltige Massenbewegung eingeleitet werden zur Propagierung und Durchsetzung der in unserer Resolution festgelegten Forderungen. In den hinter uns liegenden Jahren glänzender wirtschaftlicher Prosperität, in denen der Kapitalismus ungeheure Reichtümer einheimste, waren die herrschenden Klassen zu wirksamen Maßnahmen gegen die Arbeitslosigkeit nicht zu bewegen. Jetzt gilt es einen Massensturm zu entfachen, der mit unwiderstehlicher Wucht die Herrschenden zur Abhilfe zwingt.

Erneut hat sich der Parteitag mit dem politischen Massenstreik beschäftigt. Wie auf den früheren Parteitagen, so sind auch hier über die Art des Kampfmittels und seine Propagierung die Meinungen auseinandergegangen. Volle Einigkeit herrschte aber über das Ziel, zu dessen Erkämpfung, wenn andere Mittel versagen, eventuell der Massenstreik in Anwendung gebracht werden soll. Die Dreiklassenschande in Preußen muß beseitigt werden, koste es, was es wolle! Unser Beschluß ist klar und unzweideutig, nicht nur für die Partei, sondern auch für die, die sich in kurzsichtiger Verblendung der Beseitigung der Dreiklassenschmach widersetzen. Wenn es sein muß, werden wir zum äußersten Mittel greifen. Es ist so, wie ein Redner sagte: entweder werden wir das freie Wahlrecht in Preußen haben oder wir haben den Massenstreik.

Für unsere Gegner war unsere Tagung eine recht bittere Enttäuschung. Sie setzen ihre einzige Hoffnung auf die Selbstzerfleischung der Partei, und gerade an diesen Parteitag haben unsere Feinde in dieser Hinsicht besondere Erwartungen geknüpft. Mit Freuden können wir demgegenüber feststellen, daß bei aller sachlichen Schärfe, mit der wir unseren Meinungsstreit geführt haben, unsere Verhandlungen getragen waren von gutem kameradschaftlichen Geist. Ich übertreibe sicher nicht, wenn ich sage, die innere Festigkeit der Partei, der entschiedene Wille zur Einheit und Geschlossenheit der Partei sind wohl selten auf einem Parteitag stärker zum Ausdruck gekommen als auf diesem. Es ist auf diesem Parteitag von neuem die Erkenntnis gefestigt worden: Die Zusammenfassung aller Kräfte in der Partei zu einheitlicher Arbeit ist die Wurzel unserer Kraft und unserer Erfolge.

Wenn wir uns nun anschicken, auf unsere heimatlichen Posten zurückzukehren, so tun wir das mit dem aufrichtigen Gelöbnis, in alter Treue unser Bestes, unser Alles einzusetzen für die Partei, für die Befreiung des Proletariats aus wirtschaftlicher und politischer Unterdrückung. In all unserem Tun und Handeln, in allen unseren Kämpfen wollen wir uns leiten lassen von dem glänzenden Beispiel, das uns unser großer, unvergleichlicher Meister August Bebel gegeben hat.

So trennen wir uns frohen Mutes mit unserem alten Schlachtruf: Die deutsche, die internationale Sozialdemokratie, sie lebe hoch!


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