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1893.

Militarismus und Afterpatriotismus

Aus der Bremer Bürger-Zeitung. 27. 5. 1893

Eine vieltausendköpfige Menge füllte den großen Saal, wo Herr Frese, der Kandidat der vereinigten Liberalen, seine Wahlrede hielt. Wer aber bisher noch glaubte, daß die liberale Kandidatur hier in Bremen Aussicht auf Sieg haben könne, der wird sich nach dem Verlauf dieser Versammlung überzeugt haben, daß der bremische Reichstagswahlkreis für immer der Sozialdemokratie gehört. Die weit überwiegende Zahl der Versammlungsbesucher war nicht sehr erbaut von dem Programm des Herrn Frese, das dieser entwickelte.

Er fand keinen Anklang bei der Versammlung, deren Stimmung zu wahrer Begeisterung anschwoll, als nun Herr Ebert in etwa halbstündiger, wirkungsvoller Rede mit dem herrschenden Militarismus, seinem kulturfeindlichen Wirken und dem Afterpatriotismus seiner Lobredner ins Gericht ging. Mit treffenden Worten schilderte Herr Ebert das Verhalten der Gegner, die mit dem Ausposaunen einer (jeder Begründung entbehrenden) Kriegsfurcht nur das nachmachen, was uns die Bismarcksche Ära 1887 brachte. Er verwies auf den Dreibund, der doch erst die Annäherungsversuche zwischen Frankreich und Rußland veranlaßte, und nun sollte der Dreibund gar nichts mehr taugen und Deutschland allein in die Lage versetzt werden müssen, den Krieg gegen zwei Fronten führen zu können? Mit scharfen Worten wies der Redner dann zurück, daß sich die Verfechter des Militarismus als die einzigen wahren Patrioten hinstellten, während in Wirklichkeit ihr Patriotismus nur bis an den Geldbeutel ginge. Der stürmische, nicht endenwollende Beifall bewies, wie sehr Genosse Ebert der Majorität der Versammlung aus der Seele gesprochen hatte.


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