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1916.

Kriegssorgen und Gewissensfragen

Aus einer Reichstagsrede.
5.4.1916

Das Bild, das uns der Herr Reichskanzler von der politischen und wirtschaftlichen Lage zeichnete, gibt leider wenig Hoffnung auf einen baldigen Frieden. Die Erwartungen, daß die furchtbaren Blutopfer, die unabsehbaren wirtschaftlichen und finanziellen Folgen dieses Krieges bei allen Völkern dem Friedensgedanken zum Durchbruch verhelfen würden, sind leider nicht in Erfüllung gegangen. Auch die Friedensdebatte, die im Dezember auf unsere Veranlassung hin hier geführt worden ist, hat im feindlichen Ausland wenig Echo gefunden.

Der Herr Reichskanzler hat darauf verwiesen, daß die verantwortlichen Stellen in London, Paris und Petersburg seine Erklärung, er sei bereit, Friedensangebote zu diskutieren, die der Würde und Sicherheit des Reiches entsprechen, geradezu mit Kriegsfanfaren beantwortet haben. Es steht auch fest, daß die Pariser Konferenz der Alliierten, die kürzlich getagt hat, die Zerstörungs- und Vernichtungsforderungen der feindlichen Mächte von neuem bekräftigt hat. Bekannt ist weiter, daß bedauerlicherweise sozialistische Parteien des Auslandes, namentlich die sozialistische Partei Frankreichs, keine Friedensneigung zeigen. Aber trotzdem kann erfreulicherweise festgestellt werden, daß die Friedensneigung bei den Völkern der feindlichen Länder sich mehr und mehr bemerkbar macht. Besonders in der letzten Zeit sind, zum Teil gestützt auf unsere hier geführte Friedensdebatte, bemerkenswerte Stimmen laut geworden. Ich verweise da auf die Verhandlungen in der russischen Duma, namentlich aber auf die Verhandlungen im englischen Unterhause. Die Friedensdebatte im englischen Unterhause am 23. Februar dieses Jahres ist von einem Mitglied der »Unabhängigen Arbeiterpartei«, dem Sozialisten Snowden, eröffnet worden. Snowden hat sich dabei mehrfach auf die hier im Reichstag geführten Verhandlungen vom 9. Dezember berufen und sich auf die Stellungnahme meiner Parteifreunde gestützt. Snowden hat sich bei seiner Rede offen und entschieden für einen baldigen Frieden eingesetzt.

Die Rede Snowdens läßt keinen Zweifel, daß die Kriegswirkungen auf allen Völkern gleich schwer lasten und alle den Frieden als Erlösung betrachten würden. Wenn trotzdem die feindlichen Staatsmänner mit ihren Vernichtungsreden den Kriegswillen ihrer Völker immer wieder zu entfachen suchen, so ist das heller Wahnsinn, wenn nicht mehr. Denn nach den Erfahrungen dieses Krieges kann ernstlich niemand mehr mit einer Niederzwingung Deutschlands rechnen. Wir sind heute ebenso bereit, Frieden zu schließen, wie wir es während des ganzen Krieges gewesen sind. So lange aber die feindlichen Mächte bei ihren Zerschmetterungsplänen beharren, so lange die feindlichen Mächte keinerlei Friedensneigung zeigen, so lange werden wir mit unserem Volke zur Verteidigung unseres Landes stehen.

Uns Sozialdemokraten ist es nicht leicht geworden, mit der Verteidigung unseres Landes auch das herrschende System mit zu schützen. Wir waren höchst unzufrieden mit den wirtschaftlichen Verhältnissen und standen in schroffem Gegensatze zu den politischen Zuständen im Reiche. An unserer grundsätzlichen Stellung ist durch den Krieg nichts geändert worden. Würden aber die Zerstückelungspläne der feindlichen Mächte durchgesetzt, namentlich die auch auf der Pariser Konferenz der Alliierten scharf wieder unterstrichene Einschnürung der wirtschaftlichen Entwicklungsfreiheit Deutschlands, so würde dieser Schlag gegen unsere Industrie und gegen unseren Handel die deutsche Arbeiterschaft schwer treffen. Der Kampf der deutschen Arbeiter für ihren wirtschaftlichen und sozialen Aufstieg, der Befreiungskampf der Arbeiter würde dadurch weit zurückgeworfen werden. Deshalb schützen wir mit der Landesverteidigung die Lebensinteressen der deutschen Arbeiter, wir verteidigen uns selbst.

So sehr wir aber unsere Kraft für die Erhaltung der Unabhängigkeit unseres Landes und für die Sicherung unserer wirtschaftlichen Bewegungsfreiheit einsetzen, so entschieden wenden wir uns gegen alle Bestrebungen, die auf Vergewaltigung fremder Volker hinzielen. Wiederholt haben wir hier gegen törichte Eroberungspläne, die von politisch Unverantwortlichen ausgeheckt und kolportiert worden sind, scharf Verwahrung eingelegt. An diesem Standpunkt halten wir unter allen Umständen entschieden fest. Wir wenden uns nach wie vor aufs entschiedenste gegen alle Eroberungsabsichten, deshalb muß ich scharfen Protest erheben gegen die Ausführungen, die mein Herr Vorredner, der Abgeordnete Spahn, über Belgien gemacht hat. Was der Herr Reichskanzler über Flamen und Belgien gesagt hat, fällt, wenn ich ihn recht verstanden habe, selbstverständlich unter seine vorausgegangene Erklärung, daß er nicht daran denkt, andere Völker vergewaltigen zu wollen. An dieser Auffassung werden wir Sozialdemokraten entschieden festhalten, wie ich noch einmal unterstreiche. Vergewaltigungsbestrebungen werden wir entschlossen entgegentreten!

Unsere Soldaten haben überall Großes und Bewundernswertes geleistet. Unsere militärische Lage ist günstig, günstiger als je während des ganzen Krieges. Das kann auch kein klarsehender Gegner ernstlich in Frage stellen. Ich glaube deshalb, ohne Scheu vor Mißdeutungen, auch heute wieder ganz offen den Friedenswillen meiner Partei aussprechen zu können. Angesichts der furchtbaren Opfer dieses grausamsten aller Kriege ist es sittliche Pflicht aller Staatsmänner, alles zu tun, um einer Verständigung der Völker die Wege zu ebnen. Diejenigen, die diesen Gedanken abweisen, laden eine schwere Blutschuld auf sich. Wir erwarten daher von der Reichsregierung, daß sie nach wie vor zu der Friedensbereitschaft steht, die der Herr Reichskanzler im Dezember hier zum Ausdruck gebracht hat, daß sie bereit ist, dem Blutvergießen ein Ende zu machen, sobald ein Frieden möglich ist, der dem deutschen Volke die politische Unabhängigkeit, die Unversehrtheit des Reichs und die wirtschaftliche Entwicklungsfreiheit sichert. Nicht Gefühle der Schwäche drängen uns zu unserem Friedensverlangen. Unsere unerschütterliche Weltanschauung, die das Heil der Völker in ihrer friedlichen und gemeinsamen Kulturarbeit erblickt, unsere Sorge, daß dieser Krieg allen Völkern Europas unheilbare Wunden schlägt, daß er den wertvollsten Kulturbesitz Europas vernichtet, das ist es, was uns immer und immer wieder die Stimme für den Frieden erheben läßt.

Die feindlichen Mächte setzen ihre Hoffnung auf unsere wirtschaftliche Erschöpfung. Englands Bestreben ist es, mit allen Mitteln den Aushungerungskrieg gegen unser Volk durchzukämpfen. Gegenüber diesem Erdrosselungsversuch, der ohne Rücksicht auf das Völkerrecht und die Rechte der Neutralen betrieben wird, ist scharfe Abwehr geboten. Hier kämpfen wir um unsere Existenz. Wir haben das Recht auf unserer Seite, wenn wir die englische Hungerblockade mit dem U-Boot-Krieg beantworten. Darüber kann sich niemand beklagen. Die englische Admiralität war es, die in Friedenszeiten die Abschaffung des Seebeuterechts und eine zeitgemäße Regelung des Völkerrechts auf der See verhindert hat. England macht von dem Seebeuterecht rücksichtslosen Gebrauch. Der U-Boot-Krieg ist dagegen nur eine Maßregel der Selbstbehauptung. Verhängnisvoll wäre es aber, wenn man die Neutralen für den englischen Aushungerungskrieg verantwortlich machen wollte. Der rücksichtslosen Torpedierung würden wir mit äußerster Schärfe begegnen müssen. Es ist ganz selbstverständlich, daß bei dem U-Boot-Krieg gegen England die Rechte der neutralen Staaten auf das gewissenhafteste respektiert werden müssen. Der vorliegende Antrag, der sich mit dem U-Boot-Krieg beschäftigt, wird diesem Standpunkt gerecht, und nur unter dieser Voraussetzung haben wir Sozialdemokraten diesem Antrag zugestimmt! Der Antrag spricht von Anwendung des U-Boot-Krieges gegen die auf die Aushungerung Deutschlands berechnete Kriegführung Englands und stellt weiter fest, daß dabei die berechtigten Interessen der neutralen Staaten geachtet werden müssen. Das letztere ist der springende Punkt und für unsere Stellungnahme das Entscheidende! Es handelt sich also bei dem Antrag lediglich um ein Gebot der Notwehr. Meine politischen Freunde werden deshalb dem Antrag zustimmen.

Die beste Waffe gegen den Aushungerungskrieg ist aber wirksame Organisation unserer Volksernährung und Entschlossenheit in der Durchführung. Unerläßliche Pflicht der Reichsregierung ist es, für eine möglichst gleichmäßige, gerechte Verteilung der vorhandenen Lebensmittel zu sorgen und rücksichtslos mit dem wucherischen Treiben der Interessenten aufzuräumen. Äußerste Rücksichtslosigkeit ist hier am Platze! Die unabwendbaren Wirkungen des Krieges für die Volksernährung müssen von allen Volksgenossen gleichmäßig getragen werden. Das Privileg des Geldbeutels muß beseitigt werden. Der Zahlungsfähige darf nicht nach wie vor aus dem Vollen schöpfen, während der Minderbemittelte oft nicht das Notwendigste zu erlangen vermag. Das ist eine ernste Gefahr, die gebieterisch Abhilfe verlangt. Wir Sozialdemokraten haben seit Kriegsausbruch die Regierung fast unausgesetzt mit Vorschlägen auf diesem Gebiete bestürmt. Im Reichstag haben wir erneut in Form eines Antrags ein Programm zur Sicherstellung der Volksernährung unterbreitet, das später noch des näheren von uns zu besprechen sein wird. In unserer Kriegswirtschaft darf für das freie Spiel der Kräfte kein Raum bleiben. Leider hat die Regierung durch Mangel an Tatkraft und Voraussicht viel verschuldet. Der Preistreiberei ist viel zuviel Spielraum gelassen worden. Meist hat die Regierung erst eingegriffen, wenn die Dinge fast unerträglich geworden, vielfach erst, wenn es zu spät war. An Verordnungen hat es nicht gefehlt. Eine Verordnung jagte die andere, aber mit Papier und Druckerschwärze allein ist es nicht getan. Die besten Bestimmungen sind nutzlos, wenn die Regierung und ihre Organe sie nicht streng durchführen und rücksichtslos allen widerstrebenden Sonderinteressen zu Leibe gehen.

Wie man in Interessentenkreisen die Verordnungen des Bundesrats respektiert, das hat kürzlich der konservative Herr von Oldenburg-Januschau mit der ihm eigenen Offenheit gesagt. Als nämlich die Kartoffelbeschlagnahme angedroht wurde, sagte er in einer Versammlung der westpreußischen Landwirtschaftskammer unter Bezugnahme auf diese Bundesratsverordnung: Das Papier ist geduldig, und er sagte weiter: Die Ausführung liegt in den Händen unserer Provinzialverwaltung – na, und zu der können wir Vertrauen haben. Herr von Oldenburg hat dabei auch sehr vertrauensvoll auf den Herrn Landwirtschaftsminister hingewiesen.

Die Äußerung des Herrn von Oldenburg kennzeichnet meines Erachtens recht treffend die schwache Seite unserer Lebensmittelversorgung: sie ist sehr bezeichnend für das Verhalten weiter Interessentenkreise; sie zeigt aber auch aufs neue, daß selbst bei der Regelung der Lebensmittelversorgung Preußen den Hemmschuh bildet. Wäre bei der Durchführung der Maßnahmen überall scharf durchgegriffen worden, hätte man nicht vielfach zu sehr Rücksicht auf das Spekulationsinteresse genommen, dann hätten die Schwierigkeiten nicht ein so hohes Maß erreicht, wie es leider vielfach geschah. Die Tatsache, daß weite Interessentenkreise die Kriegswirkungen auf dem Lebensmittelmarkte zu wüster Spekulation ausbeuteten und ausbeuten konnten, brandmarkt für alle Zeiten die kapitalistische Profitsucht. Auf der Reichsregierung liegt eine außerordentlich schwere Verantwortung, wenn sie hier nicht unverzüglich und rücksichtslos durchgreift und der berechtigten Erregung weiter Volkskreise endlich Rechnung trägt.

Auf dem Gebiete der Sozialpolitik harren wichtige Aufgaben dringender Erledigung. Wegen der Ausgestaltung der Fürsorge für die verwundeten Kriegsteilnehmer und für die Hinterbliebenen der Gefallenen ist zwischen Regierung und Reichstag eine grundsätzliche Verständigung herbeigeführt. Die Durchführung soll nach dem Kriege mit rückwirkender Kraft erfolgen. Wir halten aber schon jetzt die gesetzliche Festlegung einer Frist für unveränderte Fortgewährung der festgesetzten Bezüge für dringend geboten, damit nicht durch häufige Kürzungsversuche unnötige Unruhe in die Reihen unserer Kriegsverletzten hineingetragen und deren Wiedereinführung in das Erwerbsleben gehemmt wird. Bei der Unterstützung der Kriegerfamilien ist nach der fortgesetzt steigenden Teuerung eine abermalige Erhöhung der Unterstützungssätze unabweisbar geworden.

Sehr dringlich ist noch während des Krieges die gesetzliche Regelung der Arbeitsvermittlung in Verbindung mit einer Arbeitslosenunterstützung durch das Reich. Es muß unter allen Umständen verhindert werden, daß unsere nach Friedensschluß aus dem Felde zurückströmenden Volksgenossen der Not ausgesetzt sind. Hier müssen rechtzeitig vorbeugende Maßregeln getroffen werden. Das kann nur durch eine zweckentsprechende Organisation unserer Arbeitsvermittlung durch das ganze Reich und Einführung einer reichsgesetzlichen Arbeitslosenunterstützung geschehen.

Dann muß ich auf das früher von der Reichsregierung schon in Aussicht gestellte dauernde Verbot der Nachtarbeit in Bäckereien hinweisen. Eine Vorlage der Regierung liegt darüber bedauerlicherweise heute noch nicht vor.

Schließlich verweise ich auf die dem Reichstag zugegangene Eingabe sozialdemokratischer Frauen und der gewerkschaftlich organisierten Arbeiterinnen, die Maßnahmen zum Schutze der weiblichen und jugendlichen Arbeitskräfte während des Krieges verlangen. Unsere Frauen und die Jugend füllen tatkräftig die Lücken in unserem Wirtschaftsleben aus. Das kann unseres Erachtens nicht hoch genug anerkannt werden. Bei der langen Dauer des Krieges wird aber die Anwendung der schutzgesetzlichen Bestimmungen immer bedenklicher. Hier muß schnellstens wieder zu einer Beschränkung der täglichen Arbeitszeit geschritten werden, wenn unsere Volksgesundheit, die ohnedies schwer bedroht ist, nicht noch schlimmeren Schaden erleiden soll.

In der Handhabung des Belagerungszustandes und der Pressezensur ist eine Besserung leider nicht eingetreten, obgleich bei der letzten Tagung alle Parteien die vielen Mißgriffe und Übergriffe auf diesem Gebiete scharf verurteilt haben. Die Zustände werden hier immer schlimmer und fordern zur schärfsten Kritik heraus.

Ich will jetzt auf Einzelheiten nicht eingehen; das wird von unserer Seite bei einer anderen Gelegenheit geschehen. Wir müssen aber schon jetzt entschieden Verwahrung einlegen gegen die in letzter Zeit fast überall im Reiche erfolgten, durchaus unberechtigten Eingriffe in das Versammlungsrecht. So hat man vielfach Versammlungen, die sich mit den Steuerplänen der Regierung beschäftigen wollten, unterbunden. Das geschah, trotzdem die Reichsregierung bei unserer letzten Tagung dem Reichstag erklären ließ, daß solche Versammlungen nicht behindert werden sollen. Ich gebe gern zu, daß die Reichsleitung in Beschwerdefällen vermittelnd und auch erfolgreich zum Teil eingegriffen hat. Aber in welch entwürdigende Rolle wird die Reichsregierung gebracht, wenn die Militärs ihre Erklärungen im Parlament so wenig beachten oder geradezu durchkreuzen! Diese einseitigen Eingriffe in die innere Politik sind nicht Sache des Militärs und müssen endlich unmöglich gemacht werden. Mit Recht empfindet unsere Bevölkerung diese fortgesetzten Übergriffe als sinnlose Schikane; sie erreichen das Gegenteil von dem, was beabsichtigt ist, sie tragen zur Erbitterung unserer Bevölkerung in hohem Maße bei. Meine Parteifreunde werden selbstverständlich auch bei dieser Tagung wieder die Aufhebung des Belagerungszustandes beantragen.

Der Herr Reichskanzler sagte: Nur der Mann gilt, und zwar einer gleich dem anderen. Ich glaube, annehmen zu dürfen, daß bis zu einem gewissen Grade diesem Gedanken in der letzten Thronrede in Preußen mit dem Versprechen einer Wahlreform nähergetreten ist. Allerdings in einer für das Maß der Gleichheit recht unbestimmten Form. Aber nichtsdestoweniger hat Herr von Heydebrand diese sehr vorsichtige Zusage einer Wahlreform als ganz unverantwortlich bezeichnet und das Dreiklassenwahlrecht als Ideal gefeiert. Wir haben hier wiederholt erklärt: Wir verlangen für die Dienste, die wir in den schweren Kriegsmonaten unserem Lande geleistet haben, keine Gegengabe. Unsere Stellung zur Landesverteidigung darf nicht Objekt eines politischen Schachergeschäftes sein. Aber wer glaubt, die Lehren dieses Krieges unbekümmert beiseite schieben zu können, der wird furchtbare Enttäuschungen erleben! In der Thronrede steht unter anderem auch der Satz: »In dem ungeheuren Erleben dieses Krieges wird ein neues Geschlecht groß.« Ich will den Sinn dieses Satzes dahingestellt sein lassen; ich bin aber der festen Überzeugung: Die Massen, die von den Schützengräben heimkehren, werden getragen sein von starkem Selbstbewußtsein; sie werden erfüllt sein von dem festen Willen, daß der Staat, für den sie ihr Leben in die Schanze geschlagen haben, nicht die Verwaltungsmaschine einer kleinen bevorrechteten Klasse sein darf. Dieses neue Schützengrabengeschlecht, das in langen Monaten in Kampf und Gefahr gemeinsam dem Tode ins Auge geschaut hat, dem Tode, der keine Klassen und keine Ausnahmen kannte, – dieses neue Schützengrabengeschlecht läßt sein politisches Leben nicht wieder in die Drahtverhaue des Dreiklassensystems hineinzwingen.

Meine Herren – und damit möchte ich zum Schlusse kommen – das neue Geschlecht verlangt Freiheit und staatsbürgerliche Gleichberechtigung, und es wird, wenn es sein muß, sie zu erkämpfen wissen. Deshalb muß die Friedensstunde die Stunde der staatsbürgerlichen Gleichberechtigung sein.


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