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Ebert für Verständigungsfrieden und Demokratie

Auf dem Würzburger Parteitag der deutschen Sozialdemokratie im Oktober 1917 hat Ebert das Programm des neuen Deutschlands in seiner Schlußrede vor aller Welt bekanntgegeben. Er führte damals unter anderem aus: »Vor allem muß das neue Deutschland ein freies Deutschland sein! Frei von allen Klassenprivilegien, frei von allen politischen und geistigen Hemmungen und Bevormundungen. Freie Entfaltung unserer vollen Volkskraft auf allen Gebieten ist für die Arbeiterklasse und das Reich Lebensnotwendigkeit ... Rückhaltlos haben wir unsere Beziehungen zur proletarischen Internationale besprochen. Der Haß, der allenthalben in der Welt Orgien feiert, hat Zugang zu unseren Herzen nicht gefunden. Seiner Unfruchtbarkeit setzen wir die Liebe und Achtung entgegen, die allein imstande ist, aufzubauen den Bund der freien Völker, die allein imstande ist, aufzubauen die Macht, die der Welt den Frieden erkämpfen und sichern kann!«

Den freien »Völkerbund« schrieb er auf die Fahne des neuen arbeitenden Deutschlands. Schon auf der sozialistischen Stockholmer Konferenz im Juni 1917 hatte er diese Fahne aufzupflanzen gesucht. Durch die neutralen Sozialisten hoffte er sehnenden Herzens eine Verständigung der kriegführenden Völker herbeizuführen, aus der ein »Bund der freien Völker« sprießen konnte. Lebhafte Verbindungen hatte er vom Beginn des Weltkrieges mit den Sozialisten der neutralen Länder gepflegt. Von ihnen erwartete er vor allem die Initiative für einen Dauerfrieden. Doch er kannte die Stimmungen in ihren Kreisen zu gut, um nicht die Schwierigkeiten zu übersehen, die sich einer Verständigung der sich zerfleischenden Völker entgegenwarfen. Die Stockholmer Konferenz sollte im Juni 1917 einer internationalen Aussprache über das Friedensproblem dienen. Schon vor der Konferenz steckte Ebert Warnungszeichen auf, um gar zu utopistische Erwartungen, die an die Stockholmer Aussprache geknüpft waren, abzuwehren. Aus seiner Feder stammte eine ganze Reihe von Aufsätzen, die er im »Vorwärts« über die Stockholmer Konferenz veröffentlichte. In der Entente waren schon Stimmen laut geworden, die sich ganz unverhüllt für weitgesteckte Eroberungsziele und für die Zertrümmerung der Mittelmächte aussprachen.

Am 2. Juni 1917 begab sich die deutsche sozialdemokratische Delegation von Kopenhagen nach Stockholm. An ihrer Spitze stand Fritz Ebert. Die deutschen Sozialisten übergaben ein Memorandum, in dem die Grundlagen für einen in sich gefestigten Weltfrieden aufgestellt waren. In dem Memorandum hieß es unter anderem: »Die deutsche Sozialdemokratie erstrebt einen Frieden der Verständigung. Wie sie die Gewähr der politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Entwicklungsfreiheit des eigenen Volkes fordert, so verurteilt sie auch die Vergewaltigung der Lebensinteressen der anderen Völker. Nur ein solcher Friede trägt die Gewähr der Dauer in sich, nur er ermöglicht es den Völkern, die Atmosphäre feindseliger Spannungen zu überwinden und alle ihre Kräfte in den Dienst des sozialen Aufstiegs und der Förderung höchster nationaler und menschheitlicher Kultur zu stellen.«

Ebert trug in Stockholm die Bedingungen vor, unter denen die deutschen Sozialisten zu tagen versprochen hatten. Ein langer Fragebogen wurde ihnen nun unterbreitet. Ebert behielt sich die Besprechung dieses Fragebogens vor, und auf den Hinweis, daß es den Deutschen als den »Hauptangeklagten« wohl am schlimmsten ergehen werde, antwortete er, diese würden ihre Politik im Kriege zusammenhängend darstellen. Der Holländer van Kol ließ nun alle Minen gegen die deutschen Sozialisten springen. Ebert wies in würdiger Form die Angriffe des »Neutralen« gegen Deutschland und gegen die deutschen Sozialdemokraten zurück. Entgegen den ausdrücklichen Verabredungen hatte nämlich van Kol die Kriegsschuldfrage als Zankapfel in die Stockholmer Besprechung hineingeworfen.

Die Stockholmer Konferenz scheiterte. Noch über ein Jahr raste sich die Kriegsfurie aus. Ebert hatte ehrlich versucht, über die flammende Lohe der Kriegsschauplätze hinweg seinen Arbeitsbrüdern die Friedenshand zu reichen. Feindeshaß ist seiner Seele stets fremd geblieben. Schwerste und bitterste Erlebnisse konnten seine humane Gesinnung nicht erschüttern. Zwei geliebte Söhne verschlang der Blutozean des Weltkriegs, aber das Evangelium des sozialistischen Kulturpolitikers strahlte in ihm in voller Reinheit fort.

Die Stockholmer Friedensforderungen hallten nach dem bedauerlichen Ausgang der Stockholmer Konferenz mit verstärkter Kraft im Deutschen Reichstag wider. Am 22. Juni 1917 folgten Ebert und Scheidemann einer Einladung Wahnschaffes in die Reichskanzlei und faßten das Ergebnis von Stockholm in die Forderung zusammen: Klare Friedensbekenntnisse, kein Gerede, an dem sich deuteln lasse oder an dem man selbst deutele, außerdem Demokratisierung. Ende Juni 1917 wurde dann dem Reichskanzler v. Bethmann Hollweg auf seinen Wunsch eine von Dr. David und Scheidemann verfaßte Denkschrift zugestellt, die von den Vorständen der Sozialdemokratischen Partei und der sozialdemokratischen Reichstagsfraktion gedeckt war. In dieser Denkschrift heißt es warnend: »Schneller als man denkt, kann die Stunde kommen, wo die Kraft und der Widerstand versagen. Wenn die Belastung weiter steigt und nichts Durchgreifendes geschieht, dem drohenden Zusammenbruch vorzubeugen, so gehen wir der größten Gefahr entgegen. Es gibt jetzt nur einen Ausweg, um schlimmstes Unheil zu verhüten. Die Staatsumwälzung in Rußland bietet eine Anknüpfungsmöglichkeit, die nicht verpaßt werden darf. Der Arbeiter- und Soldatenrat hat die Formel aufgestellt: Friede ohne Annexionen und Kriegsentschädigungen! Die Antwort Eurer Exzellenz im Reichstag war ebensowenig genügend wie die spätere Erklärung in der »Norddeutschen Allgemeinen Zeitung«. Rußland wird in der Hand der Ententemächte bleiben, solange die deutsche Regierung sich nicht entschließt, einen allgemeinen Frieden auf Grund der Petersburger Formel zuzugestehen ... Gibt die deutsche Regierung eine jeder Deutungskunst entzogene Erklärung ihrer allgemeinen Friedensbereitschaft im Sinne des russischen Arbeiter- und Soldatenrates ab, so würde das eine mächtige Förderung aller der Kräfte bedeuten, die auf einen baldigen Frieden hinarbeiten.« Die Denkschrift stellt weiter die Forderung einer Neuordnung der staatlichen Verhältnisse des Reiches und Preußens auf. Diese Denkschrift trägt als erste Unterschriften die Namen von Fritz Ebert und Ph. Scheidemann.


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