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Entwurf einer Rede

Aus dem Nachlaß.

Die kämpfende Arbeiterklasse stellt auch ihre Feste in den Dienst ihrer Sache.

Arbeiterfeste sind eine Art Heeresschau.

Sie zeigen dem Gegner, wie immer größere Massen entschlossen unseren Fahnen folgen.

Den beiseitestehenden Arbeiter sollen sie an seine Pflicht ermahnen, ihn anfeuern, sich den Kampfreihen seiner Klassengenossen anzuschließen.

Das Gefühl der Zusammengehörigkeit, die Solidarität und die Kampfesfreude sollen die Arbeiterfeste fördern.

Wohl bilden unsere Feste Ruhepunkte im Kampfe, gleichwohl dienen sie dem Kampfe, sollen jeden einzelnen mit neuer Kraft, mit frischem Mut und froher Begeisterung für unsere Sache erfüllen.

Der Kampf ist das Leben der Arbeiterbewegung! Noch nie haben Kämpfe das Proletariat mehr umtobt als heute. Noch nie wurde gegen die deutsche Arbeiterklasse eine gewissenlosere und niederträchtigere Hetze geführt als in den letzten Monaten.

Landauf, landab rüsten die Feinde der Arbeiterklasse zum Angriff. Die Reaktion kämpft einen Verzweiflungskampf!

Sie ist dabei, alle volksfeindlichen Elemente zusammenzufassen zum entscheidenden Vorstoß gegen die Sozialdemokratie und gegen die gewerkschaftlich organisierten, klassenbewußten Arbeiter.

Unter Führung der Regierungsbürokratie werden alle Rückschrittler und Dunkelmänner gesammelt zu einem Kampfblock gegen die Sozialdemokratie.

Junker, Großkapitalisten sowie alle übrigen Nutznießer der Ausbeutung und Bedrückung des Volkes sehen mit Schrecken, wie die Aufklärungsarbeit der Sozialdemokratie immer weiteren Schichten des Volkes die Augen öffnet.

Voller Angst jammern alle Volksfeinde über den wachsenden Einfluß der Sozialdemokratie in Gemeinde, Staat und Reich.

Westarp klagte kürzlich wehleidig über das »bittere Brot der Minderheit«, das die Konservativen im Reichstage genießen müßten.

In der preußischen Duma und im Herrenhause, jenem Mumienkabinett, tobten die Junker wie Deliranten, weil ihnen im Reichstage nichts mehr gelingen will.

Diese Tobsuchtsanfälle haben einen sehr metallischen Ausgangspunkt. Im Reichstag steht nämlich die Neuregelung der Handelsverträge vor der Tür.

In den 111 Sozialdemokraten im Reichstag erblicken die Junker die gefährlichsten Feinde ihrer Wucherpolitik.

Trotzdem die jetzigen Zollsätze den Junkern Millionen in den Schoß geworfen haben, wollen sie dem Volke den Hungerriemen strammer schnallen.

Ihr von langer Hand vorbereiteter neuer Raubzug auf die Taschen des Volkes ist durch die starke Sozialdemokratie im Reichstage gefährdet.

Und diese Gefahr für ihr großes Portemonnaie fälschen die beutegierigen Junker dreist und gottesfürchtig um in eine Gefahr des Vaterlandes.

Weil die Sozialdemokratie Sorge trägt, daß dem Volke das Fell nicht noch weiter über die Ohren gezogen wird, schreien die edlen und erlauchten Buschklepper: Das Vaterland, die Monarchie ist in Gefahr!

Das ist die alte Spitzbubentaktik, auf die sich unsere Junker immer vortrefflich verstanden.

Ähnlichen Motiven entspringt die Hetze gegen das Koalitionsrecht der Arbeiter.

Es ist längst festgestellt, daß das ganze Terrorismusgeschrei frecher Schwindel ist.

Trotz gewaltiger Steigerung der Mitgliederzahl, trotz naturgemäß zunehmenden Streiken, trotz dem Wetteifer, den Polizei und Gerichte entfalten.

Nirgends ist dabei mehr Zwang und Terrorismus als in den Unternehmerorganisationen. Auf wirtschaftliche Schädigung geht sie hinaus, durch Material- und Lieferantensperre, durch Kreditunterbindung bis zum Ruin und durch gesellschaftliche Ächtung. Gelber Terror herrscht in den Betrieben.

Kein Staatsanwalt schreitet ein, kein Minister entrüstet sich darüber.

In Wirklichkeit handelt es sich bei der Hetze gar nicht um Terrorismus der Arbeiter, sondern um die Profitsucht der Dividendenschlucker.

Das Erstarken, die Macht und die Erfolge der Gewerkschaften, das ist es, was die Unternehmer so in Harnisch bringt.

Der Arbeiterklasse soll ihre gewerkschaftliche Waffe aus den Händen gewunden werden.

Die Arbeiterklasse soll wehrlos mit gebundenen Händen dem profitlüsternen Unternehmertum ausgeliefert werden. Das ist das Ziel jener jesuitischen Scharfmacherhetze!

Buck und andere haben es ganz offen ausgesprochen: Nicht um Unterdrückung etwaiger Auswüchse und Mißbräuche des Koalitionsrechts, sondern um die Unterdrückung des Koalitionsrechts selbst handelt es sich.

Wer Knecht ist, soll Knecht bleiben! Das ist nicht nur das Leitmotiv der klerikalen Sozialpolitik, sondern auch das Ideal der Scharfmacher.

Diese Scharfmacher haben die brutale Auffassung, daß die Arbeiter Ausbeutungsobjekte seien. Unbeschränkte Ausbeutungsfreiheit verlangen sie. Sie pochen auf Herrenrechte und erstreben einen Stillstand der Sozialpolitik.

Die Verlegenheit der ganzen Scharfmacherhetze wird am besten illustriert durch die ungeheure Besitzsteigerung im letzten Jahrzehnt. Allein in Preußen beträgt diese nach der Statistik jährlich 2700 Millionen, im ganzen Reich sogar 4 Milliarden. 300 Kapitalkönige beherrschen das wirtschaftliche Leben der Welt.

Die riesige Besitzsteigerung ist in erster Linie der Arbeiterklasse zu danken. Sie ist die in Gold umgemünzte Tüchtigkeit, der Fleiß und Schweiß der Arbeiter, die man nicht genug schmähen kann.

Die kolossale Reichtumsanhäufung beweist schlagend, daß das Koalitionsrecht nicht beschränkt, sondern ausgebaut, gesichert werden muß.

Die Regierung ist aber völlig zum Vollzugsorgan der Scharfmacher herabgesunken. Seit Bestehen des Reiches war die Reichsregierung nie so willenlos im Schlepptau der Scharfmacher wie in der Aera Bethmann–Delbrück.

Nachdem den Arbeitern die Selbstverwaltung geraubt, soll mit der Sozialpolitik Schluß gemacht werden.

Wollte der Reichstag, gedrängt von der Sozialdemokratie, einen Schritt vorwärts, dann widersetzte sich die Regierung mit ihrem provokatorischen »Unannehmbar«, vor dem die bürgerlichen Parteien allemal zurückwichen.

Den Wünschen der Scharfmacher dagegen wurde im weitesten Maße Rechnung getragen. Kann man die Beseitigung des Koalitionsrechtes nicht von vorn erlangen, und zwar auf dem Wege der Gesetzgebung, so versucht man es von hintenherum auf dem Wege der Polizeiverordnungen.

Durch die Politischerklärung der Gewerkschaften sollen 2½ Millionen Arbeiter außerhalb des Rechts gestellt werden. Dabei leisten die Gewerkschaften selbst nach dem Urteil bürgerlicher Volkswirte eine Kulturarbeit ersten Ranges. Dennoch stehen sie rechtlich schlechter als ein Skat- oder Kegelklub.

Jugendlichen Arbeitern will man den Zutritt zu den Arbeiterorganisationen versperren. Bürgerliche Jugendvereine – Juristen, Verwaltungsbeamte, Generäle – rühmen demonstrativ ihre politische Betätigung. In Zöglingsanstalten herrschen Säbelpolitiker, Rüstungstreiber und Kriegshetzer; sie werden aus öffentlichen Mitteln gezüchtet, während die Arbeiterjugend wie Freiwild gehetzt wird.

Ihr seid fast alle im Arbeiterelend aufgewachsen. Was an Verbesserungen erreicht worden ist, hat die Arbeiterbewegung erkämpft, die Eure Väter, Eure Mütter, Eure Kameraden mit vieler Mühe und riesigen Opfern aufgebaut haben. Lernt diese Macht zu mehren und zu gebrauchen! Gedenkt immer der Worte:

Nur der verdient die Freiheit und das Leben,
der täglich sie erkämpfen muß!

Mit all diesen Gesetzesverhöhnungen und Vergewaltigungen begnügt man sich nicht.

In den letzten Monaten ist auf der ganzen Strecke die Justiz gegen uns mobil gemacht worden.

Die konservative Presse sowie das ihr nahestehende Geschmeiß gebärdet sich wie eine Denunziantenmeute. Ringsum im Lande bemühen sich die Staatsanwälte im Schweiße ihres Angesichts. Offenbar soll die berüchtigte Streikjustiz übertrumpft werden.

Besonders dem Militarismus sollen mit Hilfe der Juristerei Beine geschaffen werden. In Zabern hat der Militarismus Recht und Gesetz niedergetrampelt. Als dort der Staatsanwalt und Richter einen blutjungen Leutnant zum Gesetz verwiesen, da wurden sie beim Kragen gepackt und in den Pandurenkeller gesteckt. Nun aber attackiert Falkenhayn die Sozialdemokratie mit Strafanträgen.

In Moabit ist man kürzlich sehr kleinlaut geworden. Man bot ein Regiment Zeugen auf, um vor aller Öffentlichkeit Zeugnis abzulegen für die feigen Brutalitäten hinter Kasernenmauern, doch da zog sich der starke Mann wenig rühmlich in die Dunkelkammer seiner Kriegsgerichte zurück. Fast die ganze bürgerliche Presse hat einen Reinfall erlitten. Gelüstet ihm nach mehr solcher Erfolge?

Der Streik ist noch erlaubt, sonst hört der freie Arbeitervertrag auf. Umfang und Zweck des Streiks bestimmen die Streikenden.

Wenn der Streik als Widerstand gegen die Staatsgewalt gilt, hört alle Juristerei auf. Den Arbeitern wird der letzte Rest Vertrauen zur Justiz mit Gewalt ausgetrieben. Wollen Herrschende den Gerichtssaal zur politischen Arena machen, dann wohlan – wir werden ihnen aufspielen, daß ihnen die Lust zum Tanzen vergeht!

Auf die Theaterentrüstung wegen unseres Sitzenbleibens beim Kaiserhoch will ich nicht näher eingehen.

Wir haben uns immer als Republikaner bekannt, auch im Reichstag!

Gerade deshalb glaubt ja auch jeder Schmierfink, das Recht zu haben, uns besudeln zu können.

Eben ist man dabei, unsere Parteigenossen aus den Verwaltungen der Krankenkassen zu entfernen.

Jeden Beamten bis herunter zum letzten Dorfnachtwächter jagt man aus dem Amte, wenn er der sozialistischen Gesinnung verdächtig ist.

Für die Mehrheit des Reichstags und für die Regierung ist ein Sozialdemokrat im Präsidentensessel eine Schmach und Schande für das Reich.

Und immer weist man dabei auf unsere republikanische Gesinnung hin.

Nun skandaliert man, weil wir »Elenden«, wir »vaterlandslosen Gesellen« nicht mitgehocht haben.

Wir können es machen, wie wir es wollen, unseren Gegnern machen wir es nie recht.

Als wir hinausgingen, hat man uns verhöhnt, nun wir drin blieben, beschimpft man uns.

Amüsant ist, daß die alldeutschen Hanswurste, die bei der Marokkoaffäre den Kaiser geradezu beschimpften, sich nun als die lautesten Monarchenbeschützer gebärden.

Ich glaube gezeigt zu haben, daß wir in der Tat schweren Kämpfen entgegengehen. Feinde ringsum! Das ist die Situation, in der wir uns befinden.

Aber sie ist nicht neu.

Wir sind bisher, unbeirrt durch das Geheul und die Drohungen unserer Feinde, rüstig nur vorwärtsgeschritten.

In Kämpfen und Stürmen sind wir groß geworden!

Wir haben das Sozialistengesetz überstanden und sind mit einem Bismarck fertiggeworden. Wir werden auch mit Bethmann und seinen junkerlichen und scharfmacherischen Hintermännern fertig.

Das Resultat aller Verfolgungen und Kämpfe gegen uns war letzten Endes immer der Triumph der Sozialdemokratie.

Die kommenden Kämpfe – dessen können die Junker und Scharfmacher versichert sein – werden zeigen, daß es Stärkeres gibt als sinnlose brutale Gewalt: die stählerne Solidarität und äußerste Entschlossenheit der deutschen Arbeiterklasse.

Der Sammlung der Volksfeinde setzen wir die Sammlung des ausgebeuteten und entrechteten Volkes entgegen.

Die rote Woche hat gezeigt, daß noch Tausende und Abertausende als Mitglieder und Abonnenten für die Sozialdemokratie zu gewinnen sind. Wir dürfen nicht rasten, bis wir die große Masse des arbeitenden Volkes für unsere Sache gewonnen haben.

So groß auch heute noch die Macht der Herrschenden erscheint, unüberwindlich ist sie nicht.

Wenn wir zurückblicken auf den Weg, den die Partei in einem halben Jahrhundert zurückgelegt hat, dann zeigen sich am besten die gewaltigen Hindernisse, die wir überwunden, und die glänzenden Erfolge, die wir erkämpft.

Wenn Mann und Frau, wenn alt und jung in Treue und Entschlossenheit zum Sturmbanner ihrer Klasse stehen, dann wird allen Gewalten zum Trotz der Tag kommen, an dem die politische Macht in die Hände des schaffenden Volkes fällt. Dann wird der Tag kommen, an dem wir siegreich unser Ziel begrüßen: Beseitigung jeglicher Ausbeutung und Unterdrückung, Verbrüderung aller Menschen und Zusammenwirken zur höchsten Wohlfahrt und zur höchsten Kultur.

Darum vorwärts: Mit uns das Volk, mit uns der Sieg!


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