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Ebert in einer Wahlversammlung der Gegner

Aus der Bremer Bürger-Zeitung. 31. 5. 1893

Die Antisemiten hatten am Montag Abend eine Wählerversammlung berufen, in der ihr Kandidat, der Rechtsanwalt Dr. Müller, den bremischen Wählern präsentiert werden sollte. Eine ungeheure tausendköpfige Menschenmasse hatte sich in den Sälen und auf der Galerie zusammengedrängt. Herr Müller entwickelte in eineinhalbstündiger Rede sein Programm, wobei er denn auch notgedrungen auf die Judenfrage eingehen mußte.

Als Herr Ebert sich zum Wort meldete, wollten einige Ahlwardtjünger ihn nicht sprechen lassen, weil er noch nicht wahlberechtigt sei. Man mußte sich aber schließlich dem allgemeinen Protest der Versammlung fügen, und Herr Ebert erhielt unter stürmischem Beifall der Versammlung das Wort. Unter der größten Aufmerksamkeit der Versammlung übte er an den Thesen des Herrn Müller eine vernichtende Kritik, bei der auch die Liberalen nicht verschont wurden. Zum Schluß ging er mit der Militärvorlage und den Steuerlasten ins Gericht, er unterwarf dabei die wirtschaftlichen Verhältnisse des Kleinbürgertums und der kleinen Beamten einer Betrachtung, dahin schließend, daß diese gleich den Arbeitern ihre Stimme weder dem liberalen noch dem antisemitischen, sondern nur dem sozialdemokratischen Kandidaten geben könnten. Der donnernde Beifall, der diesen Ausführungen folgte, brachte Herrn Müller so außer Fassung, daß er seine Schwäche selbst eingestand, indem er erklärte, daß er nichts mehr zu sagen habe. Unter brausenden Hochs auf den Kandidaten der Sozialdemokratie und Absingen der Marseillaise ging die Versammlung auseinander.


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