Marcus Tullius Cicero
Von der Weissagung
Marcus Tullius Cicero

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880 Uebersicht des zweiten Buches.

I. Einleitung. Cicero zählt der Reihe nach seine bisher verfaßten philosophischen und rhetorischen Werke auf, gibt kurz ihren Zweck und Inhalt an, und schließt die Einleitung mit einer Aufmunterung zum Studium der Philosophie und einer Herzenserleichterung über die gegenwärtigen innern Staatsverhältnisse Roms. Cap. 1. 2.

II. Widerlegung der von Quintus im ersten Buche aufgestellten Ansicht, und Darstellung der ganzen Weissagungskunst in ihrer Nichtigkeit.

1) Auseinandersetzung des Carneadeischen Beweises gegen dieselbe, welcher die Weissagung aus dem Grunde läugnete, weil sich gar kein Gegenstand oder kein Stoff für sie nachweisen lasse. Für die sinnlichen Wahrnehmungen, sagt er, gebe es weder eine Weissagung, noch bedürfe man eine; eben so wenig für die Gegenstände der Künste und Wissenschaften oder des Staatslebens. Cap. 3. 4. Auch lasse sich nicht sagen, die Weissagung habe die zufälligen Dinge zu ihrem Gegenstande, da z. B. Winde, Krankheiten und vieles Andere zufällig sey, und doch nach den Stoikern nicht in das Gebiet der Weissagung gehöre. Nenne man aber zufällig, was sich weder durch Vernunftschlüsse, noch durch Kunst voraussetzen lasse, eben weil es auf dem Zufalle beruhe; so könne es davon kein Vorauswissen geben. Läugnen aber die Stoiker den Zufall ganz, und lassen sie Alles von Ewigkeit her vom Schicksal bestimmt seyn, so sey die Weissagung zwecklos und werthlos, Cap. 5–8; noch abgesehen davon, daß die Kenntniß künftiger Dinge für uns 881 nicht einmal gut seyn würde, sondern uns beunruhigen und das Leben verbittern müßte. Cap. 9. 10.

2) Nach diesem Vorpostengefecht, wie er es nennt, greift er nun die einzelnen Gattungen der Weissagung an, und bestreitet die dafür von Quintus im Sinn der Stoiker vorgebrachten Gründe: (Cap. 11. Recapitulation der Eintheilung:)

a) die Eingeweideschau, als gänzlich widersinnig in jeder Hinsicht, Cap. 12–16;

b) die Weissagung aus den Blitzen; sie habe ihre Quelle in der Furcht der Menschen in den Zeiten der Kindheit der Menschheit; auch wäre nicht zu begreifen, warum, wenn die Blitze überhaupt bedeutsam wären, so unzählig viele in Gegenden fielen, wo sie nicht bemerkt werden könnten. Ein Zusammentreffen eines Blitzes aber mit einem besondern Ereigniß sey reiner Zufall. Cap. 17–21;

c) Die Weissagung aus sogenannten Vorzeichen oder Wundererscheinungen; diese seyen

α) größtentheils erdichtet oder halbwahr;

β) oder man wundere sich über sie nur, weil sie selten seyen, unmöglich seyen sie aber nicht, sonst wären sie nicht geschehen;

γ) sie seyen zwecklos, wenn sie ohne Deuter nicht verstanden werden und man ihren Folgen nicht ausweichen könne;

δ) die Deutungen selbst seyen ungewiß und oft widersprechend. Cap. 22–32;

d) Die Auspicien;

α) man behalte sie im Grunde nur noch aus einer gewissen Achtung vor ihrem Alter, wegen des abergläubischen Volkes und zur Erreichung politischer Zwecke bei;

β) sie seyen selbst in Rom fast ganz außer Gebrauch gekommen, in Folge eines gewissen Gefühls ihres Unwerths;

γ) sie seyen in sich selbst inconsequent, und bei verschiedenen Völkern verschieden. Cap. 33–40;

e) Die Loose; ihr Ursprung (besonders der der Pränestinischen) sey fabelhaft; auch seyen sie jetzt selbst vom Volke ganz verachtet.Cap. 41; 882

f) Die Sterndeuterkunst der Chaldäer;

α) sie werde von den bedeutendsten Astronomen selbst verworfen.

β) der Einfluß der Gestirne auf das Menschenleben sey unbegreiflich; eher sollte man Einflüsse der Atmosphäre und des Klima's und Bodens vermuthen;

γ) bei gleicher Constellation haben Menschen ganz verschiedene Schicksale;

δ) die in demselben Augenblicke an verschiedenen Orten Geborenen sind wegen Verschiedenheit des Horizonts doch nicht unter gleicher Constellation geboren;

ε) der Einfluß der Erzeugung ist bei der Astrologie ganz übersehen. Cap. 42–47.

Hiemit wird die künstliche Weissagung für widerlegt erklärt.

3) Widerlegung der natürlichen Weissagung. Cap. 48:

a) die Weissagung der Verrückten oder Begeisterten.

α) Es ist widersinnig, daß, Wer nicht bei Sinnen ist, mehr sehen soll, als Wer bei Verstande ist;

β) die Sibyllinischen Bücher sind nicht einmal ein Werk der Begeisterung, sondern ein künstliches Machwerk;

γ) die übrigen berühmten Weissagungen sind fabelhaft; die Aussprüche der Orakel selbst entweder falsch, oder zufällig zugetroffen, oder zweideutig oder dunkel;

δ) die Orakel haben längst aufgehört, welches nicht geschehen wäre, wären sie durch göttliche Kraft entstanden gewesen. Cap. 49–57;

b) die Träume:

α) schon die Wachenden täuschen sich oft und halten Etwas mit Unrecht für wahr; um wie viel täuschender müssen Traumgesichte seyn;

β) ein zufällig eintreffender Traum beweist Nichts für die Bedeutsamkeit der Träume überhaupt;

γ) wären selbst die Träume göttlich, so würden sie wegen der Unsicherheit der Deutung keinen Werth haben. Cap. 58–71.

Zwischenein wird auch die Stoische Beweisführung, durch Beispiele statt durch Gründe siegen zu wollen, getadelt; ferner ihre 883 Abweisung des Wie und Warum, und ihre Genügsamkeit, wenn sie glauben mit dem Ob im Reinen zu seyn; ferner ihre Annahme unerwiesener Vordersätze bei'm Schließen, endlich auch der Chrysippische Beweis (I. 32.) widerlegt.

4) Schluß: Nichts soll in uns und im Staate fester wurzeln, als die Religion; Nichts mehr mit der Wurzel ausgerottet werden, als Aberglaube und Wahn. Cap. 72.


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