Marcus Tullius Cicero
Von der Weissagung
Marcus Tullius Cicero

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791 Einleitung.

Dieses Werk schließt sich unmittelbar mit seinen Untersuchungen an die drei Bücher vom Wesen der Götter an, und das, leider verstümmelte, Buch vom Schicksal vollendet den Cyclus der die Religion betreffenden Schriften Cicero's. Finden wir ihn im Gebiete der Sittenlehre sehr stoisch gesinnt: so sehen wir ihn auf diesem Felde in scharfem Gegensatze mit den Stoikern, deren schwache Seite in Beziehung auf die Annahme unerwiesener und unerweisbarer Religionsgrundsätze und Meinungen ihm Veranlassung gibt, viel Witz und Scharfsinn zu entwickeln. Läßt er jedoch seine Gegner zuweilen mit etwas schwachen und stumpfen Waffen kämpfen, so finden wir an einigen seiner Einwürfe einen ähnlichen Mangel. In dem vorliegenden Werke gibt er seinem Bruder Quintus, als einem Stoiker, die Rolle des Vertheidigers der Weissagung, während er, obgleich selbst Augur, nur mit Worten für die Schonung alter religiöser Institute sprechend, allen Glauben daran untergräbt und lächerlich macht, sich scheinbar blos der Freiheit der 792 Akademiker bedienend, an allen Behauptungen zu rütteln, um ihre Haltbarkeit zu erproben. Im Ganzen thut er dieß mit siegenden Gründen, immer auf eine höchst anziehende Weise mit häufiger Einmischung von Dichterstellen, zum Theil eigenen Versen, und mit großer Belesenheit. Die Abfassung dieses Werkes, unmittelbar nach dem von dem Wesen der Götter, fällt in das Jahr 709 nach Rom's Erbauung (nach einer andern Berechnung 710), als sich Cicero, gleich nach Cäsar's Ermordung, aus den Stürmen zu Rom auf's Land zurückgezogen hatte.

Der Uebersetzer legte bei seiner Arbeit seine so eben vollendete Ausgabe der Bücher von der Weissagung und vom Schicksal mit neu revidirtem Text zum Grunde, die in Frankfurt am Main bei H. L. Brönner nächstens erscheinen wird.

Uebersicht des ersten Buches.

I. Einleitung. Cap. 1–4. Kurze Aufzählung der Ansichten verschiedener Völker über die Weissagung, ihren Werth und ihre Gültigkeit. Cap. 1–2. Summarische Angabe der Behauptungen Griechischer Philosophen über dieselbe von Pythagoras bis auf Panätius. Cap. 3. Uebergang zur Abhandlung. Cap. 4.

II. 1. Anfang der Unterredung. Cicero spricht in seinem Tusculanum mit seinem Bruder Quintus. Dieser erklärt sich für die Weissagung, als Stoiker, und besonders wegen ihres hohen Alterthumes und ihrer Allgemeinheit bei den verschiedensten Nationen. Er nimmt zwo Arten der Weissagung an, die natürliche und die künstliche. Zu jener rechnet er die Weissagung aus Träumen und die der Seher; zu dieser die Haruspicin, das Augurenwesen, die Astrologie und die Weissagung durchs Loos. Dabei stellt er den Satz auf, bei allen diesen Dingen müsse man nur nach dem Ob, nicht aber nach dem Wie und Warum fragen; wie bei einer Menge unbezweifelter täglich in der Natur vorkommender Ereignisse die Sache selbst allbekannt sey, während die Ursachen und wie es zugehe, Niemand wisse. Cap. 5– 13.

2. Auf die Einwendung, daß vieles Vorausgesagte nicht eintreffe, und deßwegen an der Weissagung überhaupt Nichts sey, wird erwiedert, daß bei allen Künsten und Wissenschaften, wo Vermuthungen stattfinden, der Fall oft vorkomme, daß man sich täusche, ohne daß dadurch jene Künste und Wissenschaften selbst aufgehoben oder vernichtet würden. Nur Wer die ganze Geschichte umstoßen wolle, könne läugnen, daß dennoch auch sehr Vieles zugetroffen sey. Cap. 14–17.

794 3. Er nehme also, fährt Quintus fort, (alle seine Behauptungen von Anfang bis zu Ende mit fremden und einheimischen Beispielen belegend) zweierlei Gattungen von Weissagung, eine künstliche und eine kunstlose, unbedenklich an. Bei der kunstlosen sey nicht von Regeln oder Vermuthungsschlüssen, von Beobachtungen und Merkmalen die Rede, bei ihr werfe der Geist durch innere Aufregung und Entfesselung von den Eindrücken der Aussenwelt einen unmittelbaren Blick in die Zukunft: und hierher gehören auch vorzüglich die Weissagungen durch Orakel (Cap. 18. 19.), durch Träume (Cap. 20–30.) und die Prophezeihungen der Begeisterten (Wahnsinnigen, Verrückten). Cap. 31. Die Beweisführung aber für diese Weissagungen und ihre Glaubwürdigkeit wird mit den Worten des Chrysippus gegeben, dessen Beweis darauf hinausläuft, daß so wie es zum Erweise der richtigen Sehkraft nur eines einzigen Falles bedürfe, in welchem die Augen wirklich die Gegenstände gesehen haben wie sie sind; so sey es für die Existenz der Weissagung und deren Wirklichkeit hinreichend, wenn auch nur einmal etwas prophezeit worden sey, daß der Zufall dabei nicht im Spiel gewesen seyn könne. Cap. 32.

4. Die künstlichen Arten der Weissagung, fährt er fort, seyen die Gebiete, auf welchen sich die Haruspices, die Auguren und die Zeichendeuter bewegen. Davon beruhe denn ein Theil auf alten Denkmälern und traditioneller Lehre, die theils in den Büchern der Hetrusker über die Haruspicin, über die Bedeutung der Blitze und Donner, theils in den Römischen Augurenbüchern enthalten seyen. Ein andrer Theil werde durch augenblickliche Vermuthungsschlüsse gedeutet. Auch hievon werden viele Beispiele angeführt. Cap. 33–37.

5. Nun entwickelt Quintus die Gründe der Stoiker für die Weissagung, die von der Liebe der Götter zu den Menschen und von ihrer Allwissenheit, so wie von dem Wunsche und Bedürfnisse der Menschen hergenommen sind, und wodurch sogar die Existenz der Götter durch die Wirklichkeit der Weissagung bedingt wird. Cap. 38.

6. Die Gegner, sagt er, bringen im Grunde gegen die Weissagung nur die Unbegreiflichkeit derselben vor, und daß man nicht 795 angeben könne, auf welchen Gründen sie beruhe. Und doch sey die Frage nicht, wie es denn damit zugehe, sondern ob wirklich Weissagung stattfinde oder nicht. An dem letztern aber haben weder je die Nationen, noch irgend ein Philosoph von Bedeutung gezweifelt Cap. 39–42.: auch habe gerade in den am besten eingerichteten Staaten die Weissagungskunst in allen ihren Theilen ganz vorzüglich geblüht und Einfluß gehabt, Cap. 43–48: welche Sätze mit Beispielen aus der Römischen Geschichte belegt werden.

7. Die Quelle aller Weissagung sey übrigens entweder die unmittelbare Einwirkung oder Eingebung der Gottheit. Cap. 49–55.; theils das Schicksal (das Fatum, die Heimarmene), Cap. 56., theils die Natur und die Erscheinungen in derselben. Cap. 57.

8. Quintus endigt damit, daß er sich, bei seinem Glauben an die Weissagung, von Allem, was dabei Betrügerisches oder Abergläubisches vorkommen möge, lossagt.


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