Marcus Tullius Cicero
Von der Weissagung
Marcus Tullius Cicero

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54. Das ist es nämlich, was man uns von Socrates meldet, und was er in den Schriften der Socratiker oft selbst äußert: es sey [in ihm] etwas Göttliches, was er das Dämonische (δαιμόνιον) nennt, dessen Warnung er immer gehorcht habe, die sich nie aufmunternd, immer nur abmahnend, habe vernehmen lassen. So gab denn Socrates (und Wem sollte ein solcher Gewährsmann nicht genügen?) dem Xenophon auf sein Befragen, ob er sich an den Cyrus anschließen solle, erst seinen Rath nach eigener Ansicht, und fügte dann bei: Das ist nun einmal meine Ansicht, die eines Menschen: über Gegenstände aber, die so undurchschaulich und ungewiß sind, thut nach meiner Ueberzeugung eine Anfrage bei Apollo bessere Dienste, an den sich ja auch die Athener bei Fällen von Wichtigkeit in öffentlichen Angelegenheiten gewendet haben. Wir finden ferner in der Geschichte [des Socrates], daß Dieser, als er einmal seinen Vertrauten, Krito, mit verbundenem Auge erblickte, ihn gefragt habe. was 873 Schuld daran sey: und auf Dessen Antwort, es habe ihn beim Spazierengehen auf dem Felde ein angezogenes und zurückgeschnelltes Aestchen in's Auge geschlagen, habe ihm Socrates erwiedert: da hast du es nun: habe ich dich nicht vor dem Ausgehen vermittelst der mir inwohnenden Vorausahnungsgabe gewarnt? Ein anderer Vorfall, auch den Socrates betreffend, ist folgender. Die Athener waren unter der Anführung des Laches bei Delium geschlagen worden und auf der Flucht begriffen. Socrates floh mit dem Laches, und als man an einen Dreiweg kam, weigerte er sich, denselben Weg zu nehmen, den die Andern wählten, und gab Denen, die ihn fragten, warum er darauf bestehe, zur Antwort, die Gottheit mahne ihn ab. Und wirklich geriethen Die, die auf dem andern Wege geflohen waren, zwischen die feindliche Reiterei hinein. Eine Menge Fälle, wo Socrates eine bewundernswerthe Voraussagungsgabe entwickelte, hat Antipater gesammelt. Ich übergehe sie alle, denn du kennst sie, und ich brauche sie gerade nicht zur Verstärkung meiner Beweisführung. Doch ist jene Aeußerung dieses Philosophen besonders herrlich und fast göttlich, als er, durch ein ruchloses Gericht zum Tode verurtheilt, erklärte: er sterbe mit vollkommener Gemüthsruhe; denn weder als er aus dem Hause gegangen, noch als er die Bühne, auf welcher er sich verantwortet hatte, bestiegen, sey ihm von der Gottheit das gewohnte Zeichen der Warnung, als ob ihm ein Unglück drohe, gegeben worden.


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