Charitas Bischoff
Amalie Dietrich
Charitas Bischoff

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Melbourne, d. 2. April 1871.

Liebe Charitas!

Gestern bekam ich hier Deinen Brief, und ich will Dir lieber gleich ein paar Worte schreiben, weil ich in der nächsten Zeit sonst keinen Brief abschicken kann; denn denke Dir, ich plane jetzt noch ein ganz neues Unternehmen. Mit dem nächsten Schiff fahre ich nach den Tonga-Inseln, und ich freue mich ganz unendlich darauf, noch etwas von der Inselwelt der Südsee kennen zu lernen, denn alle Herren sagen hier, daß sich mir in Polynesien wieder eine neue Welt erschließen würde. Augenblicklich bin ich nämlich ganz in der Kultur; denn hier ist ein so reges Treiben, daß man Melbourne sogar als das kleine London bezeichnet.

Von Bowen, wo ich sehr unter der Hitze zu leiden hatte, reiste ich noch einmal nach Brisbane und sammelte da wieder viel Interessantes, denn jetzt habe ich natürlich einen ganz anderen Überblick als in der ersten Zeit, wo ich mich noch auf allen verschiedenen Gebieten einarbeiten mußte. Hier erfuhr ich endlich auch die Einzelheiten über den Krieg. Eigentlich ist es doch schade, daß Du auch gerade während der ganzen Zeit nicht in Deutschland gewesen bist.

Von Brisbane fuhr ich mit dem Schiff nach Sydney, und damit war es mir fast, als käme ich schon wieder in die Alte Welt zurück. Sydney hat eine Universität, und vor allem einen herrlichen botanischen Garten, der die schönsten Pflanzen der tropischen und subtropischen Vegetation vereinigt.

Einen wunderbaren Eindruck machte es mir freilich, hier all meine alten Bekannten aus der Wildnis so zivilisiert geordnet beieinander zu sehen. Die Professoren waren sehr liebenswürdig und hörten mir mit großem Interesse zu, wenn ich von meinen Expeditionen erzählte.

Von Sydney fuhr ich dann auf einige Tage nach Melbourne, wo ich zuerst den berühmten Botaniker Baron Ferdinand v. Mueller aufsuchte, der mich gleich auf die thüringer Verwandten anredete. Er riet mir, ich sollte doch auch einmal Dr. Neumeyer aufsuchen, einen Pfälzer, der sich ebenfalls sehr für Naturwissenschaft interessiert.

Morgen geht's nun weiter, erst wieder zurück nach Sydney und dann nach den Tonga-Inseln, wo ich hoffentlich noch recht viel sammeln werde. Später soll ich von Tonga über Kap Horn zurück. Denk Dir nur, wenn ich also wieder nach Hamburg komme, bin ich wirklich einmal um die ganze Welt gefahren!

Für heut nimm nur noch viel herzliche Grüße von
Deiner Mutter.


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