Charitas Bischoff
Amalie Dietrich
Charitas Bischoff

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Lake Elphinstone, 8. 3. 1868.

Liebe Charitas!

Beim Lesen Deines letzten Briefes ging mir so mancherlei durch den Kopf. Was wird Dir alles geboten! Du setzt Dich hin und packst ein. Wenn ich erst wieder in Europa bin, will ich nachholen, was mir fehlt. Wie verschieden sind unsere Lebenswege! Ich bin jetzt gerade ganz in der Einsamkeit.

Bis jetzt hatte ich mich ja möglichst an der Ostküste aufgehalten und war nur immer weiter nordwärts gezogen, aber schon lange wollte ich gern einmal tiefer in das Innere. Da hörte ich, daß von Makay aus eine Expedition nach Lake Elphinstone unternommen werden sollte, um Waren dahin zu bringen und vor allem Wolle an die Küste zu holen. Ich fragte, ob ich mich nicht anschließen könnte, und der Treiber meinte, wenn ich den Mut hätte, fast ein Jahr lang dort in der kleinen Ansiedelung zu bleiben, bis wieder eine Expedition dorthin unternommen würde, so sollte ich nur mitkommen.

Es wurden zwei Karren mit Lebensmitteln bepackt und vor jeden zwölf Ochsen gespannt. Auf dem einen Wagen war ein Leinendach aufgeschlagen, unter dem die zwei Kinder von Mr. Craik, unserm Treiber, untergebracht wurden; seine Frau lenkte den zweiten Wagen und schwang die Peitsche so kühn wie der beste Treiber. Mr. Craik ist Besitzer der Ochsen und der beiden Wagen und zieht jahraus jahrein mit Proviant von der Küste nach den verschiedenen Ansiedelungen und wieder mit Wolle zurück an die Hafenorte.

Natürlich kamen wir nur sehr langsam weiter. Die Hauptschwierigkeit bestand darin, daß dieses Gebiet so sehr wasserarm ist. Sobald wir Wasser fanden, wurden die Ochsen ausgespannt; es wurde Feuer gemacht, »dampers« gebacken und etwas gekocht oder gebraten. Manchmal hatten wir unterwegs Eier gefunden, oder Mr. Craik schoß uns einige Vögel, und nun gab's eine feine Mahlzeit. Die Vögel wurden gerupft, ausgenommen und mit glühenden Steinen gefüllt, um die wir Blätter gewickelt hatten. Sie wurden dann auf glühende Steine gelegt, und in kurzer Zeit waren sie zart und saftig. Meist benutzte ich auch den Aufenthalt, um meine Sammlungen zu bereichern, aber im ganzen war die Vegetation hier sehr dürftig. Wir kamen freilich auch durch bewaldete Strecken, aber diese dürren, schattenlosen Wälder mit ihren grauen oder braunen Bäumen machen einen so traurigen Eindruck. Alles ist still, dürr und heiß, und nur selten wird die Einförmigkeit durch den Schrei eines Vogels unterbrochen.

In diesen Wäldern sah ich auch zuerst den Flaschenbaum – Bottle-tree, der eine ganz drollige Erscheinung in der Pflanzenwelt ist; sein Stamm sieht aus wie eine Riesenkaraffe, unten ist er bauchig ausgeschweift, nach oben verjüngt er sich wie der schlank verlaufende Hals einer Flasche. Er ist sehr porös und hält dadurch die Feuchtigkeit sehr lange. Die Squatters benutzen das fleischige Holz zur Fütterung des Viehs.

Nach drei Wochen erreichten wir endlich Lake Elphinstone. Es machte einen ganz wunderbaren Eindruck nach der langen Reise durch das dürre, trostlose Gebiet, als wir eine Höhe erreichten und sich der große, schöne See, der sich meilenweit erstreckt, vor unseren Blicken ausbreitete.

Der Ort liegt in einem Kessel und ist von schroffen, zum Teil bewaldeten Bergen umgeben.

Ach, könntest Du doch nur einmal diese Wasservögel hier sehen! Tausende nisten an den schroffen Bergen. Besonders schön ist der Javiru, ein großer, fast schneeweißer Vogel, dessen Hals aber ganz metallgrün schillert. Sein Schnabel ist fast eine Elle lang und glänzt wie poliertes Holz. Auch Tausende von Enten tummeln sich am See, und ich werde hier wohl hauptsächlich auf das Sammeln von Vögeln angewiesen sein, denn die Ausbeute für die Botanik ist hier verhältnismäßig gering, wenn ich auch einige Gräser und Halbgräser gefunden habe, die ich sonst noch nicht hatte.

Die Ansiedelung besteht eigentlich nur aus drei Familien: einem Sattler, einem Gastwirt und einer Familie Hesse. Der Gastwirt hat zugleich einen Laden, in dem man alles Nötige bekommen kann, soweit der Vorrat reicht. Herr Hesse, bei dem ich wohne, ist Squatter und hat viele schwarze Arbeiter unter sich, deren einfache Hütten neben der eigentlichen Ansiedelung eine Art Dorf bilden.

Für mich ist es besonders wichtig, daß ich durch Herrn Hesse allerlei über das Leben der Eingeborenen erfahren kann, denn er lebt schon jahrelang hier und kann sich ganz gut in ihrer Sprache mit ihnen verständigen. Er sagte mir, daß die Sprache dieses Stammes kein c, f, s, z, v kennt. Mir erscheint sie überhaupt recht unartikuliert, aber das kommt natürlich besonders daher, weil ich sie noch nicht verstehe.

Neulich forderten Hesses mich auf, mir einen Festtanz der Eingeborenen mit anzusehen. Du kannst Dir denken, wie ich mich freute, eine Gelegenheit zu haben, etwas mehr von dem Leben der Papuas kennen zu lernen.

Diese Festtänze finden nur bei Vollmond statt, und aus der Ferne hatte ich ja schon damals in Rockhampton etwas von dem wilden Treiben geahnt.

Der Tanzplatz war sauber gefegt, und an der einen Seite hatten die Wilden ein großes Feuer errichtet, dessen rote Glut den phantastischen Eindruck des Ganzen noch erhöhte.

Mit wildem Geheul tanzten etwa zwanzig Eingeborene in der Mitte des Platzes, während die Weiber einen Kreis gebildet hatten und den Takt schlugen, indem sie mit den flachen Händen auf ihre Schenkel klatschten.

Die Tanzenden waren grell bemalt und trugen wunderbaren Federschmuck im Haar, ja einige hatten sich sogar Muschelschalen mit Wachs an den Bart geklebt.

Während der Gesang aus einer einfachen Wiederholung derselben Strophen bestand, herrschte einige Abwechslung im Tanzen, da verschiedene Touren und Aufzüge wechselten. Bei einigen Touren schlugen die Männer mit einem Tomahawk oder Bumerang den Takt und marschierten in geschlossenen Gliedern vorwärts, dann wieder spreizten sie die Beine, stemmten die Hände in die Hüften und hüpften grunzend umher.

Der Tanz wird die ganze Nacht hindurch fortgesetzt, und erst beim Morgengrauen ruhen die Tänzer sich etwas aus, fangen dann aber bei Sonnenaufgang wieder an, bis die zunehmende Wärme sie endlich zum Aufhören zwingt.

Hoffentlich gelangt dieser Brief richtig in Deine Hände, ich gebe ihn durchziehenden Ochsentreibern mit, die in diesen Tagen in der Ansiedelung Rast machen, um ihr Lederzeug hier beim Sattler in Ordnung bringen zu lassen. Mein Mr. Craik wird wohl erst in einem halben Jahr wiederkommen, und ich bin froh, daß ich noch bei Hesses bleiben kann. In dieser großen Einsamkeit schließt man sich doppelt aneinander an, und seit ich in Australien bin, hab' ich es noch nirgends so gut gehabt; Frau Hesse sorgt wie eine Schwester für mich, und alle versuchen, mir in jeder Weise beim Sammeln und Jagen behilflich zu sein. Hier gibt es nämlich außer den herrlichen Wasservögeln auch allerlei interessante Säugetiere, vor allem ein Känguruh, das auf Bäumen lebt und von dem der Sattler mir neulich mehrere Exemplare verschafft hat.

Du siehst also, daß ich es hier sehr gut habe und daß Du gar keinen Grund hast, Dich um mich zu sorgen.

In treuer Liebe
Deine Mutter.


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