Charitas Bischoff
Amalie Dietrich
Charitas Bischoff

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Makay, 3. 1. 1867.

Liebe Charitas!

In meiner großen Freude sehe ich, daß Du jetzt so gern in Wolfenbüttel bist und daß Du endlich Deine Aufgabe richtig erfaßt hast. Du wirst je länger desto mehr erfahren, daß einem das Beste und Höchste im Leben nicht mühelos in den Schoß fällt, sondern daß man sich diese Güter durch Ringen und Kämpfen erwirbt. Glaube mir, nur solche Güter haben bleibenden Wert für uns.

Ich bin in der Nähe von Port Makay. Die Ansiedelung, in der ich mich aufhalte, wird von Europäern bewohnt, die sich hauptsächlich mit dem Anbau von Zuckerrohr beschäftigen. Du solltest mal solche Zuckerplantagen sehen, das Zuckerrohr würde einen Reiter hoch zu Roß noch weit überragen. Wundervoll ist der hier gewonnene Zucker, er hat eine erfrischende, angenehme Süßigkeit.

Die Ansiedler verwenden zur Arbeit in den Plantagen Eingeborene. Die Hitze zwischen dem Zuckerrohr soll für Europäer unerträglich sein. Die Eingeborenen, die sie für diese Arbeit verwenden, sind kräftige, stark gebaute Menschen, man nennt sie »Kanakas«.

In nicht allzuweiter Entfernung von der Ansiedelung dehnen sich große Waldungen aus, die durch ihr gebirgiges Terrain und durch die vielen Wasserfälle, die man hier findet, reizvolle Abwechslung bieten. Durch die Vereinigung von Wald und Wasser ist hier eine große Mannigfaltigkeit in der Tier- und Pflanzenwelt, so daß es für mich viel zu tun gibt. Aber eins findet man hier nicht, und das ist Gold! Diesem Umstand ist es zu danken, daß hier keine goldgierigen Europäer die Gegend überfluten. Die Eingeborenen können hier noch ungestört ihr Wesen treiben, und ich habe oft Gelegenheit, ihr Tun und Treiben zu beobachten. Sie fühlen sich hier in den Wäldern so lange sicher, bis – – nun, bis sie unversehens einen Kampf mit einem anderen Stamme auszufechten haben.

Einen solchen Kampf nennen sie hier Borbobi, und den habe ich neulich mit angesehen. –

Ich wurde durch das wilde Schlachtgeheul, was durch den Wald schallte, aufmerksam und suchte mir einen sicheren, versteckten Platz auf einer nahegelegenen Anhöhe, von wo ich, ungesehen von den Wilden, den Kampf beobachten konnte.

Sie bedienen sich dabei der Wurfkeule, die sie Nolla-Nolla nennen, und die bei den einzelnen Stämmen verschieden geformt ist. Daneben haben sie lanzenartige Spieße und vor allem die interessanten Bumerangs. Der Bumerang hat eine entfernte Ähnlichkeit mit einer Sichel, er ist aus hartem, schwerem Holz verfertigt und hat die Eigentümlichkeit, daß er wieder zu seinem Ausgangspunkt zurückkehrt, wenn er richtig vorwärtsgeschleudert wird. Das Holz wird hierfür ganz besonders präpariert. Nachdem es in Wasser geweicht ist, geben die Eingeborenen ihm die eigentümlich gedrehte Form und trocknen es dann in glühender Asche. Freilich gehört immerhin noch große Übung und ein kräftiges Handgelenk dazu, um den Bumerang mit Erfolg werfen zu können.

Die Kämpfenden haben auch Schilde aus Holz, die sie sich in ganz primitiver Weise mit Pflanzensaft oder einer braunen Erdart anmalen. Auf der Rückseite haben sie einen Handgriff eingeschnitzt. Sie stecken sich hübsche bunte Federn in ihr üppiges Wollhaar. Die Weiber sind auch beim Kampf gegenwärtig, sie sammeln die Waffen auf und bringen sie den Kämpfenden zurück.

Schon von Rockhampton aus habe ich ja vielerlei Waffen ins Museum geschickt. Hast Du sie Dir ordentlich angesehen?

Um die Papuas willig zu machen, mir diese Dinge zu geben, habe ich immer eine Menge Tauschartikel bei mir, mit denen ich sehr haushalten muß, denn wenn ich ihrem Begehren nachgeben wollte, dann hätte ich sehr bald nichts mehr. Ich muß alles gut verstecken, sonst stiehlt mir die Bande meine Vorräte. Alles lockt sie, und immer betteln sie um Tabak, Kalkpfeifen, buntes Zeug, Mehl, Spiegel, aber ganz besonders auch um bunte Farbe. Natürlich je greller desto besser. Daß sie damit in kurzer Zeit so überraschende Wirkungen hervorbringen können, versetzt sie in geradezu wildes Entzücken. Ich glaube, neulich habe ich mir mit Farbe mein Leben gerettet. Sie müssen mir irgend etwas sehr übel genommen haben, denn eines Tages kamen sie sehr zahlreich und belagerten drohend mein Haus. Sobald ich mich zeigte, brüllten sie und gebärdeten sich ganz wütend. Ich suchte auf allerlei Weise mit ihnen zu verhandeln, aber sie wiesen störrisch jeden friedlichen Verkehr von sich. Sie taten mir nichts, aber sie ließen mich nicht heraus. Wollten sie mich aushungern?! – Die Ansiedler kamen und suchten sie versöhnlich zu stimmen, alles vergeblich! – Ich zeigte ihnen durchs Fenster: Mehl, Spiegel, Tabak – sie schüttelten grinsend den Kopf. Da kam ich endlich mit Farbe. Ich rührte sie aus und zeigte ihnen die Wirkung auf einem Stück Holz. Sie stutzten, beruhigten sich, verhandelten untereinander und wurden durch die Farbe endlich versöhnt. Wie froh war ich! Ich gab ihnen alles, was ich hatte. –

Du solltest mal sehen, wie überaus komisch sie sich benehmen, wenn ich ihnen einen Spiegel gebe. Ich muß oft laut lachen, wenn ich das Erschrecken und Staunen sehe, wenn sie plötzlich ihr Gesicht gleichsam in der Hand halten. Eilig gucken sie hinter den Spiegel, da steht der Kerl nicht, – sie gucken von vorn hinein, da ist er ja wieder! Verwirrt schütteln sie den Kopf und wiederholen den Spaß immer wieder.

Kalkpfeifen nehmen sie auch gern, in denen sie ein unmögliches Kraut rauchen. Viele haben ein Loch in der Nase, und wenn sie nicht rauchen, stecken sie die Pfeife in die Nase. Natürlich gehen sie nicht sehr sorgsam mit den Sachen um und verlieren sie daher oft. Da sah es nun ganz drollig aus, als ich neulich an den Strand kam, wie plötzlich eine Pfeife ganz ehrpusselig auf mich loswackelte. Zuerst dachte ich: ›Na, was ist denn das für ein neues Wunder!‹ Ich ging dem Ding zu Leibe, und nun sah ich, daß ein Krebs hineingekrochen war und sich damit fortbewegte.

Eine Verständigung mit den Eingeborenen wird immer eine schwere Sache bleiben, zumal ich auch immer wieder mit verschiedenen Stämmen zusammenkomme, aber ich bekomme nach und nach eine gewisse Gewandtheit darin, durch Gesten auszudrücken, was ich von ihnen will. Und wohl oder übel kommen wir ja zurecht miteinander.

Ich hatte mir ein Gerät von ihnen geben lassen, es war eine Art Steinbeil, das mit einer Schnur aus Haaren und mit Wachs oder Harz am Stiel befestigt war. Wie mochten sie die Schnur herstellen? Auf meine Frage zeigten sie nach dem Kopf einer Frau. Bei nächster Gelegenheit, als mich gerade ein paar Weiber in meiner Wohnung aufsuchten, schnitt ich der einen kurz entschlossen das Haar ab und gab ihr zu verstehen, sie möge jetzt gleich eine Schnur drehen. Ich wollte doch sehen, wie sie das machen. Das Weib knotete das Haar an ihrer großen Zeh und drehte mit erstaunlicher Gewandtheit daraus eine Schnur, die ich mir gegen etwas Mehl ausbat.

Mehl mögen sie sehr gern. Wenn ich ihnen in meiner Wohnung etwas in einer Tüte schenke, schütten sie es auf den Tisch, spucken darauf, rühren es mit dem Finger um und essen es. Sie streichen sich grinsend den Magen und rufen: »Putcheri-keikei! Putcheri-keikei!« Wenn sie nichts bekommen, streicheln sie sich winselnd den Magen und bettelnd klagen sie: »Ammeri! – Ammeri!« Ich nehme an, daß sie damit ihren Hunger bezeichnen.

Du kannst Dir wohl denken, daß sie mit ihrer eignen Mahlzeit nicht viel Umstände machen. Sie machen sich im Walde ein Feuer, was sie mit bewundernswerter Geschicklichkeit zustande bringen. Sie nehmen dazu zwei Stücke Holz, am liebsten Korkholz. Das eine Stück wird auf die Erde gelegt, die flache Seite nach oben; das andere ist ein runder, gerader Stock, der wird senkrecht auf das Liegende gehalten und wie ein Quirl zwischen den Handflächen gerollt, wobei sich das obere Stück Holz in das untere bohrt. Schon nach kurzer Zeit fängt es an zu rauchen, und bald fangen die trocknen, zusammengeschichteten Zweige an zu brennen. Ihr originelles Feuerzeug führen sie immer bei sich. In das Feuer werfen sie Fische, Frösche, Eidechsen, Käfer, Schlangen und Wespenlarven, – die letzteren sind besonders beliebt. Wenn das eben angebraten ist, verzehren sie es mit großem Appetit.

Sammeln kann ich hier, daß ich das verschiedene Material kaum bewältigen kann. Pflanzen sammle ich am liebsten, aber die Tierwelt bietet hier so viel Interessantes, daß ich mit Freuden meine Aufmerksamkeit allen verschiedenen Gebieten zuwende. Hier gibt's besonders viel Vögel, und von dem einen muß ich Dir erzählen. Ich habe diese Art nie vorher gesehen, auch nie etwas darüber gehört. Ich hatte eines Tages eine weite Tour in den Wald gemacht, da sah ich plötzlich etwas ganz Allerliebstes vor mir. Auf der platten Erde stand eine kleine niedliche Laube, die aus Zweigen fein gefügt war. In der Mitte war ein kleiner Gang frei gelassen, der hübsch mit bunten Steinchen und Muscheln belegt war. Rings herum war der Erdboden ordentlich von dürrem Laub gesäubert, und auch hier lag eine kleine Umfassung von Muscheln und Steinen.

Ich war ganz entzückt von dem kleinen Kunstwerk, und nun entdeckte ich auch die Baumeister. Zwei unscheinbare, graue Vögel von der Größe unsrer Drosseln liefen eilig auf den geschmückten Gängen hin und her, als ob sie »Haschen« spielten. Das Männchen hat ein rosa Diadem auf dem Kopf, einen kleinen Federkranz, der hinten offen ist, während dem Weibchen dieser Schmuck fehlt.

Vögel und Laube mußte ich natürlich haben, aber ich sagte mir gleich, daß es nicht so leicht sein würde, die Laube fortzutransportieren. Jedenfalls brauchte ich dafür andere Vorkehrungen, und so versuchte ich nur, mir den Weg genau zu merken, denn es war meilenweit von der Ansiedelung entfernt. Natürlich ließ mir aber meine Entdeckung keine Ruhe, und gleich am nächsten Tag machte ich mich wieder mit meinem Gehilfen, der einen Spaten und ein breites Brett trug, auf den Weg. Glücklicherweise fanden wir noch die Spuren im Farnkraut, und richtig entdeckte ich auch bald wieder meinen Laubengang.

Vorsichtig gruben wir die Laube vom Erdboden und schoben sie auf das Brett. Auch das Vogelpaar mußten wir haben, und mit dieser kostbaren Beute begnügten wir uns diesmal. Wie mühsam war der Transport in meine Wohnung! Stundenlang mußten wir die Laube auf dem Kopfe tragen, wobei wir uns abwechselten. Es war besonders mühsam, weil wir nicht ungehindert vorwärts konnten, denn eine eigentümliche, stachlige oder vielmehr dornenbesetzte Palme, man nennt sie die Prokuratorpalme, versperrte uns überall den Weg. Der Stamm dieser Pflanze ist nur fingerdick, aber Zweige und Blätter sind mit Dornen besetzt, mit denen sie sich an Bäumen und Sträuchern anklammert. Sie schlingt sich streckenweise mehrere hundert Fuß weit und erstickt die von ihr Überfallenen. –

Du kannst Dir vorstellen, wie mühsam ein Wandern in einem solchen Walde ist, nun aber gar mit einer so leicht zerstörbaren Last!

Jetzt sorg' ich mich, ob die Laube auch gut in Hamburg angekommen ist. Solltest Du einmal nach Hamburg kommen, so frag' doch danach, sieh sie Dir selbst an, und schreibe mir darüber, ob sie nicht lädiert ist.

Für heute lebe wohl. Sei herzlich gegrüßt von
Deiner Mutter.


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