Charitas Bischoff
Amalie Dietrich
Charitas Bischoff

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8

Die Werbung

Am nächsten Vormittag war Amalie auf dem kleinen Kartoffelacker hinter dem Hause beschäftigt. – Hätte sie eine Ahnung davon gehabt, was unterdessen drinnen vorging, dann hätte sie sich schwerlich so ausdauernd in ihre Arbeit vertieft. –

Feierlicher als sonst, auch was den äußeren Menschen anbetraf, kam Dietrich zu dieser ungewöhnlichen Zeit zu Nellens und brachte in aller Form seine Werbung um Malchen an.

Sonderbar, der gewohnte Gast war ihnen zu dieser Tageszeit recht unbequem. Die Frage, die so mitten in die Tagesgeschäfte hineinfiel, verwirrte und erschreckte sie. – Ganz unvorbereitet konnten sie ja nicht sein; das wußten sie doch; wenn junge Leute so viel Freude am gegenseitigen Verkehr haben, dann kann man sich nicht wundern, wenn es zur Verlobung führt. Gottlieb hatte doch sogar die Frage mit der Cordel in Erwägung gezogen. Aber nun, da die Werbung so unerwartet an sie herantrat, waren beide verlegen und ungeschickt, denn zwischen die große, wichtige Angelegenheit schoben sich tausenderlei nichtige Nebengedanken. Warum mußte der Gottlieb auch grade jetzt die Stube so unordentlich mit seiner Zuschneiderei haben; und die Cordel hatte grade die Erdäpfel fürs Vieh ans Feuer gesetzt, das gab einen so sonderbaren Geruch in der Stube. Wenn er doch am Abend gekommen wäre, dachte Cordel etwas ärgerlich; dann war alles zur Ruhe; jeder war im anständigen Anzug; und beim Schein des dämmerhaften Öllämpchens konnte man sich mit seinen Gedanken Zeit lassen.

Sie konnten ihm nun gar keine Würde entgegensetzen; durch diese kleinen Äußerlichkeiten fühlten sie sich dem redegewandten Manne gegenüber in Nachteil versetzt. Er trat so siegesgewiß auf, und er kam doch als Bittender! So gleich »ja« sagen! Was der wohl meinte? Nun der Karl so weit drunten war, hatte man doch nur die eine! Die Frage, die für Nellens im Vordergrunde stand, hieß: »Was hat er unserm Kinde zu bieten!«

Ja, hätte er noch die Stelle in der Apotheke gehabt! So ein Apotheker hatte gewiß eine hübsche Einnahme; damit konnte sich wohl eine jede einrichten, wie viel mehr ihr einfach erzogenes Kind. Aber jetzt? Das stand fest, ihr Kind sollte unter keinen Umständen Not leiden! Nein, das hatte sie doch nicht nötig! So gute Anträge waren ihr doch schon gemacht! Und hatten sie nicht ein schuldenfreies Häuschen, sogar ein bißchen Erspartes. Die Cordel konnte jederzeit nach dem Spruche handeln: »Wohlzutun und mitzuteilen, das vergesset nicht.«

Diese Gedanken schossen den beiden durch den Kopf als sie dem Freier verlegen gegenüber saßen und nach einer passenden Antwort suchten. Ja, wenn der Gottlieb das nur gleich alles so hätte in Worte fassen können; aber seine Rede kam schwerfällig heraus, zumal dem weitgereisten, gewandten Manne gegenüber. Die Cordel konnte reden, aber die war eine viel zu gut gezogene Frau, sie wußte: in einer so wichtigen Sache hatte der Mann das Wort zu führen. Und als Gottlieb endlich meinte: »Das ist doch, sozusagen, eine Lebensfrage, das will doch wohl überlegt sein.« Da meinte Dietrich: »Um Malchen brauchen wir nicht im Ungewissen zu sein. Ihrer Liebe bin ich sicher!«

»Ich auch,« sagte Gottlieb trocken. »Unser Mädel ist verliebt bis über die Ohren, darum müssen wir doppelt bedachtsam vorgehen. Liebe? Ach, ich bin eigentlich gar nicht so sehr dafür, wenn die Menschen so verrückt ineinander verliebt sind. Man hat vieles derlebt! Sie meinen, in die Mulde müssen sie huppen, wenn's nichts wird. Na, und wenn man ihnen den Willen gelassen hat? Was ist denn groß danach gekommen? Wenn die Not kommt, fliegt die Liebe zum Schornstein hinaus, aber die Not bleibt. Liebe brockt nichts in die Schüssel. Verdenken Sie mir's nicht, und nehmen Sie's auch nicht übel, aber ich möchte wissen, ob Sie Ihr gutes Brot haben; das muß ich wissen! Nicht wahr, Cordel?«

Die nickte eifrig und sagte: »Ei freilich, Gottlieb, du hast ganz recht!«

Als Dietrich beleidigt schwieg, fuhr Gottlieb fort: »Wenn ich nur dahinter kommen könnte, was Ihr Gewerbe ist. Apotheker! Ja, das sind feine Leute, die haben ihr schönes Brot! Aber Na-tur-for-scher? – ! Erst seit ich Sie kenne, hab' ich von solchem Gewerbe gehört. Wenn man die Leute danach fragt, erfährt man auch nichts, die reden närr'schen Kram daher. Na, – können Sie mir nicht sagen, was Sie wohl so im Jahr verdienen?«

Dietrich machte ein Gesicht, als müsse er etwas Widerwärtiges hinunterschlucken; seine Haltung wurde steif, und er sagte mit einer abwehrenden Handbewegung:

»Nein, das kann ich Ihnen nicht sagen. Über meinen Beruf mit Ihnen zu sprechen, nützt gar nichts! Dafür haben Sie beide kein Verständnis.«

Als seinen Worten ein verlegenes, gedrücktes Schweigen folgte, sagte er lebhaft: »O, ich setze große Hoffnungen auf die Zukunft! In einigen Jahren werden auch diese nebensächlichen Dinge geordnet sein. Ich werde dann bekannt sein und werde eine Stellung einnehmen, wie sie meinen Kenntnissen und Bestrebungen entspricht. Ich werde dann auch ›Geld‹ haben, aber bis dahin – !« Er zuckte die Achseln und fuhr in beredtem Tone fort: »Ich mache kein Hehl daraus, daß ich an meine künftige Frau ungewöhnliche Anforderungen stelle! Sie sehen mich überrascht an, aber ich will Sie doch nicht täuschen! Vor allen Dingen verlange ich gänzliche, unbedingte Hingabe an meinen Beruf. Sie muß allem entsagen, was Sie vielleicht für wünschenswert zu ihrem äußeren Wohlergehen ansehen. Kein Wohlleben bei mir! Das muß sie von vornherein wissen. Sie muß sich auf Entbehrungen einrichten – aber da ist sie ja selbst! Malchen. Sie sind bei unseren Beratungen die Hauptperson, kommen Sie doch näher!«

Und Dietrich ging auf das errötende Malchen zu, er reichte ihr erst lächelnd die Hand, und als er sah, wie ihr die Tränen aus den Augen stürzten, da legte er fürsorglich den Arm um sie und geleitete sie zu den Eltern. Mit einem zärtlichen Blick in ihr glückstrahlendes Gesicht fragte er leise: »Ich darf ja ›du‹ sagen?«

Malchen nickte eifrig und lehnte sich schüchtern an ihn.

»Jetzt sollst du selbst entscheiden. Ich erklärte soeben deinen Eltern, daß ich nur eine Frau brauchen kann, die auf jegliches Wohlleben, auf äußere Stellung, auf Vergnügungen, schöne Kleider und was alles damit zusammenhängt, verzichtet; die willig ist, ganz in meinem Beruf aufzugehen. Ist deine Liebe zu mir so groß und stark, daß du vorläufig, vielleicht aber auf Jahre hinaus, ein Leben der Arbeit, der Armut und der Entbehrung auf dich nehmen kannst?«

»Ach, wie du nur fragen kannst!«

»Da hören Sie selbst!« sagte Dietrich triumphierend.

Die Eltern aber sagten: »Das wußten wir. Na, kommen Sie abends wieder zu uns; wir wollen einander näher kennen lernen, ehe wir unsere Zustimmung geben können.«

Mit diesem Bescheid ging Dietrich nach Hause.


Als Dietrich fort war, wandte sich Gottlieb erzürnt an Malchen und sagte:

»Wie konntest du dich dem Manne gleich so an den Hals werfen! Du hattest doch erst zu hören, wie wir über die Sache dachten! Oder wußtet ihr etwa gar schon vorher, wie ihr miteinander standet? Habt ihr Heimlichkeiten zusammen gehabt?«

»Wir wissen, daß wir für einander bestimmt sind,« sagte Amalie mit blitzenden Augen.

»Ihr wäret für einander bestimmt? Das ist nun solche alberne, überspannte Rede, die du von deinem vielen Lesen hast. Bestimmt! – ? Überlegen soll man sich solche Sache! Ich bin mir noch gar nicht sicher; du, Cordel?«

»Mutter,« sagte Amalie erregt, »sag' dem Vater deine wahre Meinung. Denk' mal an unsern Pilzgang! Du hattest von der Krummbiegeln das blödsinnigste Zeug gehört, und als du ihn nun selbst kennen lerntest, mußtest du da nicht gestehen, daß er dir's angetan hatte? Sag' es doch dem Vater. Hättest du ihn wohl eingeladen, wenn du ihn nicht sehr gern gehabt hättest? Gesteh es doch! Er hat's doch nicht erwartet. Wenn ihr etwas gegen ihn hattet, hättet ihr's ihm ja zeigen können, aber ihr laßt ihn ruhig kommen, und nun? – ! Sagt mir doch nur, was ihr gegen ihn habt!«

»Malchen!« sagte die Mutter vorwurfsvoll, »wie darfst du so mit deinen Eltern sprechen! –? Ich geb' ja zu, daß er sehr für sich einzunehmen versteht; aber das ist doch nicht genug, wenn es sich um eine so ernste Frage handelt. Wir haben doch nur dein Bestes dabei vor Augen, siehst du denn das nicht ein? Wir wollen uns nicht so schnell binden!«

»Da hab' ich den Mann gefragt, was er für eine Einnahme hat, darauf hat er mir nicht antworten können.«

»Das hast du fragen mögen?« sagte Amalie empört.

»Ja, das hab' ich gefragt, und dafür bin ich Vater, das ist mein Recht! Was hat er geantwortet? Verlangt hat er die Unmöglichkeit. Er bietet nichts, er verspricht nichts; nur haben will er, ja haben und immer wieder haben.«

»Von euch will er was haben? – ! Das glaube ich nicht! Das soll er mir erst selbst sagen, was er von euch verlangt hat! Hat er um etwas anderes gebeten, als um mich? – Seht ihr, ihr schweigt! Mich will er haben, wie ich bin, und von mir wird er allerlei verlangen, das ist ja dann meine Sache! – O, wie könnt ihr's übers Herz bringen, so zu uns zu sein! Wenn ich nur gut genug für ihn bin! –«

»Jetzt hör' auf!« sagte der Vater streng, »na Cordel, wer hat recht! Nu versuch' mal, ob du sie mit 'nem Blick regieren kannst! Ein Dickkopp is sie! Jetzt mach', was du willst, komm mir aber nich später und heul uns was vor, wenn's schief geht.«

»Ach, Vater, – Mutter,« weinte Malchen, »soll so meine Verlobung sein? Warum können wir uns denn nicht alle freuen? Lernt ihn nur erst kennen, dann werdet ihr sehen, wie gut und wie edel er ist. Ach, wenn wir auch kein Geld haben, das macht uns nicht glücklich, glaubt mir doch, er hat besseres als das.«

Cordel wischte sich die Augen mit dem Schürzenzipfel und sagte mit erstickter Stimme:

»Du dummes Kind! Fühlst du denn gar nicht, daß alles nur aus Liebe geschieht, was wir in der Sache tun? Schließlich müssen wir uns schweren Herzens darein schicken und auch hierbei denken: Was dir der Herr hat zugedacht, das wird er dir auch geben!«

»Ach, habt ihn lieb, und tut für ihn, was ihr könnt!«

»Na,« sagte Gottlieb nun auch einlenkend, »wenn ihr uns als Eltern hoch haltet, und die schuldige Ehrerbietung nicht weigert, da kann sich's ja zurecht schütteln.« Dabei wiegte er aber zweifelnd den Kopf, als glaube er seinen Worten selbst nicht.


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