Charitas Bischoff
Amalie Dietrich
Charitas Bischoff

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7

Natürlich ein Hexenmeister

Als die beiden nach Hause kamen, lehnte Gottlieb über der quer durchteilten Tür und erwartete die Seinen. Etwas erstaunt sah er der Cordel in das erregte Gesicht, während er lächelnd die Schwere des Pilzkorbes prüfte.

»Na,« meinte er vergnügt, »das hat heute geschafft. Den ganzen Korb voll, da können wir tüchtig dörren. Du hast dich ordentlich abgeschleppt, hat denn das Mädel den Korb nicht getragen?«

»Ja doch, ja! Natürlich. Gottlieb, komm mal in die Stube. Malchen, beschick' du das Vieh, und koch' die Abendsuppe, ich bin doch recht müde von unserm Pilzgang!« Und als Malchen draußen war, sagte sie: »Gottlieb, ich hab' vielleicht was Dummes gemacht, ich hab' der Krummbiegeln ihren Mieter, den Herrn Dietrich, für morgen abend zum Pilzeessen eingeladen.« Und nun erzählte sie eingehend von ihrer sonderbaren Begegnung. Gottlieb brauchte einige Zeit, bis er sich dieses Ereignis zurecht gelegt hatte, dann sagte er:

»Cordel, nimm mir's nich übel, aber ich meine, du hast diesmal eine Dummheit gemacht.«

»Ja, das sagte ich ja eben schon,« meinte Cordel seufzend, »aber es kam mir doch so natürlich; denk doch, der Mann ging einen langen Weg unsertwegen. Und – na – die Pilze verdanke ich doch ihm.«

»Ja,« sagte Gottlieb, »ich versteh' dich ja, aber was wird die Niederstadt sagen? – Das fällt doch auf, wenn der Mann, über den so wie so schon die ganze Stadt spricht, plötzlich zum Besuch zu uns kommt. Der wird doch gesehen von den Nachbarn.«

»So, du hast also auch schon von ihm gehört?«

»Ja, ja. Es fällt ja doch auf, was der alles tut! Ich wollt' noch nichts sagen, wenn nicht die Male im Hause wär'.«

»Ach, aber Gottlieb! Gleich an so was zu denken!«

»Na, wenn ich's nich denk', dann denken's die Nachbarn. Ich kann's für den Tod nich ausstehen, wenn man ins Gerede kommt. Wir sind wohl noch nich genug im Munde der Leute mit dem Karl? Darüber können sie sich ja gar nich beruhigen, daß der so weit da drunten ist, und daß man den nie wieder sieht.«

»Na, der Abend wird ja vorübergehen, und dann hört die Sache von selbst auf.«

»Oder nich. Was sollen wir denn mit ihm sprechen?«

»Das wird der schon besorgen, der läßt nichts anbrennen.«

»Na,« sagte Gottlieb und seufzte, »dann muß die Sache ja ihren Gang haben.«


Als Amalie im Bett lag, dachte sie auch an den morgenden Abend. Mit fieberhafter, freudig banger Erregung malte sie sich das Wiedersehen aus. Vor allen Dingen aber durchlebte sie noch einmal den heutigen Nachmittag. Nein, welch ein Erlebnis! So war ihr noch nie zumute gewesen. Was war das nur? Ein bis dahin ungekanntes Glücksgefühl durchströmte ihre Seele, und doch war ihr dabei so weh zumute. Wie sie sich jedes Wort, jeden Blick wieder zurückrief. Wie leicht war sie neben ihm hergeschritten; alles war so märchenhaft, so verklärt gewesen. Welchen Klang hatte seine Stimme, und wie klug schauten die großen, blauen Augen aus dem zarten, blassen Gesicht! Da fiel ihr die Krummbiegeln ein, was hatte die doch noch gesagt? »Warte nur, wenn der dich ansieht, dann kann er dich mit einem Blick verhexen, und du kannst nicht wieder los von ihm, du mußt wie der Mendler-Fritze dein Leben lang Molche und Drachen durch die Welt schleppen!«

Ha, was die Krummbiegeln dachte! Als ob das etwas Schweres wäre! Das sah man doch grade am Mendler-Fritzen, der brauchte es ja gar nicht und wählte sich's freiwillig. Ein unbeschreibliches Glück mußte es doch sein, immer neben dem Manne herzugehen. Was tat denn da die Last auf dem Rücken! Wenn ihr nur die Wahl gestellt würde, sie würde jubelnd sagen: Her mit der Last!

Was hatte er doch gesagt, als er den Erdstern vom Boden löste? »Sie haben Augen und sehen nicht.« Wie recht hatte er! Hatte sie wohl bis heute eine Ahnung gehabt, daß es auch auf der Erde Sterne gab? Aber es waren gleichsam verborgene Sterne, sie waren nur für ihn da und für den, dem er die Augen geöffnet hatte. Ja, was sah der alles! Wie reich mußte sein Leben sein! Die Krummbiegeln hatte ihn bitter arm genannt. Der arm? Ja, er mochte nicht so viel totes Geld haben wie andere, aber dafür hatte er einen Reichtum, von dem die keine Ahnung hatte. Freilich, die Krummbiegeln, was verstand die davon, die konnte sich eine noch größere Brille aufsetzen, sie würde doch nur grobe und düstere Sachen sehen.

Morgen sollte sie ihn wiedersehen. Morgen! Morgen!

Endlich schlief sie ein, und im Traum hörte sie: »Erdstern, – Totentrompete, – Satanspilz,« aber der Erdstern behielt die Oberhand über die andern, der wurde größer und immer größer, Dietrich konnte ihn nicht mehr in der Hand halten, und er wurde leuchtend und durchstrahlte den ganzen Wald.


Ja, Dietrich war dagewesen. Und er ließ es nicht bei dem einen Abend bewenden. Er wandte sich zunächst vorwiegend an Mutter Cordel, ließ sich ihre getrockneten Teebündel, ihre Pflästerchen und Salben zeigen und gab ihr bei dem einen und andern bereitwillig Belehrung.

Gottlieb sagte: »Cordel! Cordel! Was hast du da eingebrockt! Gelegenheit macht Diebe, und Umgang bringt Liebe! Siehst du denn nich, wie das Mädel nur noch für den Mann da is?«

So ganz allmählich – es machte sich ganz natürlich – wandte sich die Rede und Belehrung an Malchen; die saß mit glühenden Wangen und strengte alle Kräfte an, das zu verstehn, was Dietrich ihr sagte. Bücher brachte er mit, auch Pilzbücher, und bunte Bilder waren darin, und nun erklärte und zeigte er umständlich die Ähnlichkeiten und Unterschiede. Oft ließ er eines der Bücher da, und stellte ihr Aufgaben; wenn er wiederkam, examinierte er sie. Wie beglückt war sie, wenn er ihr seine Zufriedenheit aussprach.

Mutter Cordel ging das Pilzinteresse reichlich weit, und sie fragte eines Abends: »Gibt es denn viel Pilze?«

»Ja,« sagte er trocken, »es gibt an die sechstausend.«

Da schlug Cordel an ihrem Spinnrocken entsetzt die Hände ineinander und rief: »Aber Herr Dietrich, nein! Sie haben uns zum Besten! Und wenn wirklich so viel Zeugs da ist, so geht das uns nichts an! Malchen kann nun genug, übergenug!«

»Na, noch einige wichtige Familien,« sagte er lächelnd; »dann hören wir ganz gewiß auf!«

Malchen sah ängstlich errötend zu ihm auf, sagte aber nichts. Bald danach leuchtete sie Dietrich hinaus. Beim Gutenachtsagen drückte er ihr ein winziges Streifchen Papier in die Hand, sie schob es verwirrt in ihr Ledertäschchen. In ihrem Kämmerchen holte sie den kostbaren Streifen mit fieberhafter Erregung hervor und las: »Dein Herz sei mein Herz!«

»Ja, mein Herz ist dein Herz!« jubelte sie.


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