Charitas Bischoff
Amalie Dietrich
Charitas Bischoff

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

10

Herzogswalde, 1865.

Liebe Amalie!

Es ist mir ganz unmöglich, Dir den Eindruck zu schildern, den es bei mir hervorrief, einen Brief von Dir zu erhalten. Daß der Postbote überhaupt einen Brief für mich hatte, rief schon eine große Erregung bei mir hervor. Ich habe schon lange mit der Außenwelt abgeschlossen. Ich habe mein Leben als ein verfehltes anzusehen, was habe ich der Welt dann noch zu sagen? Ich meinte, für mich gäbe es keine Überraschungen mehr, und siehe da, Dein Brief war in jeder Beziehung eine große Überraschung für mich. Du sagst: Godeffroy habe Dir angeboten, Du mögest Dir Hilfe nehmen. Also der fremde Mann bietet Dir Hilfe an. Freilich, so gut hattest Du es in der Heimat nicht. – Und nun meinst Du, niemand könne sich besser dafür eignen als ich?! Ich bin so erregt, daß ich kaum meine Gedanken sammeln kann. Du willst mich wieder haben? –! Du sagst, Du stellst es Dir so schön vor, wenn wir unser Leben so beschließen könnten, wie wir es anfingen, in gemeinsamer, fördernder Arbeit, unter einer ewig lachenden Sonne. Keine kleinlichen Sorgen ums tägliche Brot, keine lästige Rücksicht auf die Meinung der Menschen würde uns drücken oder einengen, wir dürften nur gerade das tun, wozu unsere Neigung uns treibt, sammeln, was uns auf Schritt und Tritt entgegenwächst. Wie jung Du noch fühlst! Welche Kraft, welchen Eifer Du noch haben mußt! Kannst Du wirklich glauben, daß etwas so Schönes, wie unsere ersten Ehejahre, sich wiederholen könnte? Ich glaube es nicht, es liegt für uns zuviel dazwischen, das hat seine unauslöschlichen Spuren hinterlassen. Nie mehr scheint mir die Sonne! – Aber Dir scheint sie, und Dein Herz, das ich in so unbegreiflicher Weise verkannte, das strahlt sie zurück. Du sammelst feurige Kohlen auf mein Haupt, und glaube mir, sie brennen! Wie Schuppen fiel es mir von den Augen, als Du Abschied nahmst, als ich sah, daß andere Deinen Wert erkannten. Schon damals war es zu spät! Einsam stehe ich hier, – und ob ich auch sehnsüchtig die Arme ausstrecke, – sie bleiben leer. – Nein, nein, – ich kann nicht zu Dir kommen, niemanden wäre jetzt noch mit meinen Kräften gedient, denn ich habe keine mehr! Ich bin matt und krank an Leib und Seele, – Du siehst es an der Handschrift, – es macht mir Mühe, Dir diese Zeilen zu schreiben. – Weshalb dankst Du mir immer wieder? Ahnst du denn nicht, wie schmerzlich mir das ist? – Also Charitas ist in Wolfenbüttel! Ich wußte nichts von ihr. Auch dies ist Dir gelungen. Grüß' sie von mir, es wird wohl der letzte Gruß sein. Bitte sie, mir nicht zu zürnen. Gut machen kann ich nichts mehr. –

Mit welchem Interesse durchflog mein Blick den von Kustos Schmeltz verfaßten Katalog Deiner gesammelten Sachen, und mit welch seltsamen Gefühlen sehe ich, daß so viele Arten den Namen »Dietrich« tragen. Es kommt mir wie ein letztes Aufleuchten unseres Ruhmes vor, und nicht durch mich, wie ich in meiner Jugend hoffte, sondern durch Dich, durch das Malchen aus der Niederstadt! –

Wie lange hat mein Blick auf Acacia Dietrichiana und auf Bonamia Dietrichiana geruht. Der Katalog berichtet weiter: »Von Wespen sandte Frau Dietrich zwei neue Arten: Nortonia Amaliae und Odynerus Dietrichianus.« Aber auch von eingesandten Nestern, Vögeln, Eiern, Schnecken usw. lese ich. Daß Du für die Botanik immer eine besondere Begabung zeigtest, das wußte ich längst, aber wie staune ich, daß Du Dich auch mit all dem übrigen, was Australien bietet, abgibst. Du sagst, Godeffroys erziehen Dich, sie erweitern Deinen Interessenkreis. Du fühlst Dich beglückt durch ihre Anerkennung. Ja, so ist's! Alles was mir versagt blieb, Dir ist's gelungen. Und doch meinte ich, – Tor, der ich war, – ich sei in diesen Dingen der Berufene und Auserwählte. Was würde der Onkel ›Hofrat‹ in Eisenach nur dazu sagen, wenn er noch lebte? Wie unzufrieden war er mit meiner Wahl, ich sprach die Hoffnung aus, Dich mit der Zeit zu mir hinauf zu ziehen. Schon damals glühte ein Feuer in Deinem Blick, ich verstand es nur nicht zu deuten. Ich hielt mich in der Beurteilung Deines Wesens immer an Äußerlichkeiten, an Unwesentliches.

Jetzt reich' mir im Geiste noch einmal Deine tapferen, fleißigen Hände, und denke ohne Groll an

Deinen Wilhelm Dietrich.


 << zurück weiter >>