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Einunddreißigstes Kapitel.

Ich habe meine Schuldigkeit gethan bis zum Ende, nein, nur bis einen Schritt vor dem Ende.

Es wird mir schwer, aber ich muß alles erzählen . . .

Der Rittmeister wollte von unserm Professor wissen, ob die Heilung sicher sei, er fragte gar viel, der Professor aber sagte:

»Fragen Sie nichts weiter. Was ich Ihnen zu sagen habe, werde ich schon von selber vorbringen; und Sie sind ja ein Mann –«

»Und ein Soldat, der der Gefahr ins Auge schaut. Ich bin stark. Versprechen Sie mir, daß Sie mich nicht chloroformieren.«

»Das thue ich nicht. Ich wiederhole Ihnen: die Operation ist in meiner Hand, die mögliche Heilung in der Ihrigen. So lange Sie so heftig und aufgeregt sind, operiere ich Sie nicht. Sie müssen vorher lernen ruhig und geduldig sein, um es nachher üben zu können. Also zeigen Sie Ihren Mut durch Geduld und Fügsamkeit.«

Ich hatte den Professor noch mit keinem Kranken so scharf reden hören, wie mit dem Rittmeister. Er hat gewußt, warum.

Eines Tages wurde ich auf den Hausflur hinaus gerufen, und wer stand da und zitterte am ganzen Leib und konnte lang kein Wort herausbringen? Der Ronymus.

Endlich sagte er:

»Ich hab's erfahren, der Rittmeister ist hier in eurer Anstalt. Der Diener, der ihn hierher begleitet hat, ist Lohndiener bei uns geworden. O, unser Herrgott weiß, wohin er den Schlag zu führen hat. Der Rittmeister ist schlecht, aber es hat noch ein Schlechteres da sein müssen, um ihm den Lohn zu gehen. Die Frau, die hat Gott geschickt, er kann auch Teufel schicken; sie hat ihn verlassen, hat viel Geld mitgenommen und ist mit einem andern davon. Und was noch das Lustigste ist, er denkt noch immer an sie und möcht' sie wieder haben. Ich will dir's nur sagen: wenn der Rittmeister wieder herauskommt, will ich ihm zeigen, wer ich bin.«

»Womit?«

»Herausgeben muß er, was er deinem Vater geraubt hat, und du, die Prinzeß vom Schlehenhof, sollst nicht Dienstbote sein.«

»Laß das mit der Prinzeß. Laß dir im Ernst sagen: wenn der Rittmeister auch alles herausgäbe, kann er meinen Vater wieder lebendig machen?«

»Nein, das kann er nicht. Aber das Geld –«

»Dazu kann man ihn nicht zwingen.«

»Mag sein, aber du gibst mir Bescheid, wenn er fortgeht, und dann soll er spüren, was die da vermögen.«

Er ballte beide Fäuste, aber er lächelte, als ich sie ihm auflöste und ihm das Versprechen abnahm, sich weiter nicht mehr um den Rittmeister zu kümmern.

»Hast du ihn schon gesehen?« fragte er mich; ich sagte schnell, ich hätte Eile. Ich konnte nun doch dem Ronymus nicht sagen, daß gerade mir auferlegt war, den Elenden zu pflegen.

Als ich wieder allein war, hatte ich das Gefühl, wie wenn jemand die Hand über mich hielte; ich bin geborgen und geschützt, ich habe einen Menschen am Ort, den ich anrufen kann, wie einen leiblichen Bruder.

Ich hatte doch hier manche, die mir gut waren, aber so ein getreuer Mensch aus der Jugend, das ist doch noch anders, da steckt die Liebe drin von allem, was daheim. Daß ich den Ronymus schon damals gern gehabt habe, wie eine Frau den Mann, das kann ich nicht sagen. Ich sehe wohl, wie es in ihm ist, aber in mir ist das nicht. Wenn der Rittmeister wieder fort ist, dann hab' ich das Schwerste überstanden, alles andere wird mir leicht werden, und mein Leben lang bleib' ich hier.

Der Ronymus, die gute Seele, wird sich auch drein finden. Es ist hart, aber es muß sein . . .


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