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Siebentes Kapitel.

Frau Heister war erschöpft, aber sie konnte sich doch nicht enthalten, die Nettigkeit des Hauses zu loben, und Magdalena, der das doch so wohl that, bat die Frau Rätin, sich doch nicht mit Sprechen anzustrengen, und um das zu bewirken, verließ sie schnell die Stube und kam wieder mit einem Glase kuhwarmer Milch.

Die Frau trank und sagte: »Seit Wochen hat mir nichts so gemundet. Emil!« wandte sie sich zu ihrem Mann. »Ich meine, ich würde hier bei Magdalena noch schneller wieder gesund als in Aegypten.«

»So? Nach Aegyptenland wollen Sie? Zum König Pharao? Ja, seine sieben fetten Kühe geben keine bessere Milch als meine einzige.«

Frau Heister lachte, aber leider mußte sie dadurch husten und sich ein feines Taschentuch vor den Mund halten.

»Verzeihen Sie, daß ich Sie lachen gemacht habe,« bat Magdalena; Frau Heister beruhigte sie, aber mit einem so mühseligen Tone, daß Magdalena nur schwer die Thränen zurückhielt.

Jakob mußte die Gastfreunde verlassen, denn der Pariser Eilzug kam. Magdalena wendete sich an ihren Sohn Emil mit der Frage: »Du, Schulmeister! Du guckst immer in deine Landkarten. Kannst du jetzt da vor dem Herrn Justizrat erklären. wie man nach Aegyptenland kommt und wo das liegt?«

Emil war glücklich, das ganz genau zeigen zu können. Heister sprach seine Zufriedenheit über die Kenntnisse seines Paten aus und fragte ihn, welchen Beruf er wählen wolle. Auf die Antwort, daß er Schulmeister werden wolle, bestimmte Heister sofort einen Beitrag zum Eintritt in das Seminar.

»Wo hast du denn deine älteste Tochter Lena?« fragte Frau Heister.

»Die dient schon seit zwei Jahren bei unserem Herrn Pfarrer, sie geht dabei noch in die Schul'; aber sie ist gar nützlich und unterhaltsam, die Pfarrerin kann nicht genug erzählen, wie gute Späße sie den Kindern vormacht, und singen kann sie, sie hat die Musikkunst von meinem Mann. Für die Lena ist ausgesorgt, sie hat auch schon sieben Gulden auf der Sparkasse und lernt gute Manieren.«

Frau Heister bat, daß man Lena auch herrufen lasse, denn sie hatte für alle Kinder Kleider mitgebracht und wollte sie darin sehen. Emil war schnell zum Botengang bereit, aber ehe er die Stube verließ, drang noch etwas in seine Seele, an dem er lebenslang zu tragen hatte.

Jakob war zurückgekommen und hatte von seinem Rosenstocke am Ueberweg einen Strauß mitgebracht, den er Frau Heister schnell darreichte, denn er mußte wieder auf seinen Posten.

An den Blumen riechend, sagte Frau Heister zu Magdalena:

»Du hast einen braven Mann, und das beruhigt mich. Ja, liebe Magdalena, in meiner stillen Krankenstube habe ich mir's oft gesagt, es ist gewiß recht gut, daß du so einen Mann und brave Kinder hast, aber wir haben doch auch noch etwas zu bereuen und dich um Verzeihung zu bitten.«

»Mich?«

»Ja, wir hätten schon in der schweren Zeit dich benachrichtigen sollen, daß wir dich nachher wiedernehmen, und dann hätten wir dich gleich wie du frei geworden bist, wieder ins Haus nehmen müssen, so eine treue Seele wie du –«

Heister winkte abwehrend, aber seine Frau schien es nicht zu bemerken, sie konnte es nicht lassen, nach Art der Frauen ein Geschehenes aufs neue in andere Möglichkeiten zu versetzen.

Magdalena sah wirren Blickes um, und als sie Emil bemerkte, der wie versteinert dastand, sagte sie heftig: »Was stehst du noch da? Mach, lauf, hurtig, hol deine Schwester.«

Der Knabe ging davon. Magdalena hatte eine Ahnung davon, was er mit sich fort in der Seele trägt; sie tröstete sich indes: er hatte gewiß nicht ordentlich gehört. Sonst war sie immer ärgerlich, wenn er nicht auf alles aufpaßte.

Magdalena mußte sich zusammennehmen, damit die gute Frau nicht merke, welchen Fehlgriff sie gemacht durch die unbesonnenen Worte im Angesichte des Kindes.

Magdalena eilte vor das Haus, sie wollte schnell erfahren, ob Emil gehört habe, und ihm das Verwirrende gleich aus der Seele nehmen. Emil war aber bereits jenseits der Bahn, und jetzt ging er hinab in den Feldweg am Fuße des Bahndamms.

Frau Heister kam zu Magdalena vor das Haus und sich umsehend sagte sie:

»Ich habe gar nicht gewußt, daß man von hier aus die Vogesen sehen kann.«

»Ja,« entgegnete Magdalena, »und das ist jeden Abend eine Pracht, wie da über den Vogesenbergen die Sonne untergeht. Ich habe noch jedesmal meine Freude dran.«

Frau Heister, die ihren Mißgriff alsbald fühlte, beruhigte sich, daß die ungeschickte Anrufung wohl unbeachtet geblieben.


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