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Zehntes Kapitel.

Wenige Tage darauf kam der Rittmeister vor unserm Haus angeritten. Sonst war immer ein Reitknecht hinter ihm drein, heut war er allein; er erzählte in der Stube dem Vater, daß er den Reitknecht, der vor einigen Tagen unehrerbietig gegen den Vater gewesen, entlassen habe.

Ich ging vor das Haus, da stand der Ronymus auf einer Leiter am Scheunenthor und nagelte einen Geier an. Er erzählte mir, daß er den Geier gestern geschossen habe, wie er just eine Goldammer in den Krallen gehabt, sie sei aber schon tot gewesen. Der Geier war angenagelt, und als der Ronymus auf dem Boden stand, sagte er:

»Weißt du, was ich möcht'? Den Rittmeister möcht' ich so annageln. Das ist auch ein Geier, und dein Vater ist die Goldammer.«

Er hatte das kaum gesagt, da kam der Vater mit dem Rittmeister daher und sagte dem Ronymus, er solle die Pferde satteln und für sich auch eins, er solle hinterdrein reiten.

Der Ronymus schüttelte den Kopf, und der Vater rief voll Zorn:

»Was stehst noch da? Thu, was ich dir gesagt hab'.« Der Ronymus rührte sich nicht vom Fleck, der Vater schrie ihn an, daß die Mutter zum Fenster heraus schaute.

»Bist du taub? Hörst du nicht, was ich dir befehle?«

»Freilich, hab's schon gehört, aber ich thu's nicht. Ihr für Euch verlangt das nicht, und hinter dem da drein reitet der Teufel, der ist Rittmeister von des Teufels Leibgarde.«

Der Vater hob die Faust gegen Ronymus, aber der Rittmeister hielt ihm den Arm. Der Ronymus rief:

»Schlag du mich, Rittmeister, schlag mich, dann kommt vor Gericht an den Tag, wer man ist.«

Der Rittmeister lachte und redete leise in den Vater hinein, der nun den Ronymus Knall und Fall aus dem Dienste schickte. Als er schon auf dem Pferde saß, sagte er noch:

»Wenn ich heim komm', und du bist noch da, jag' ich dich mit der Peitsche und hetze dich mit Hunden fort.«

Der Vater trabte mit dem Rittmeister davon; es war eine Pracht, wie er zu Pferde saß.

Der Ronymus setzte sich auf den Brunnentrog, und das ist das einzige Mal im Leben, wo ich ihn hab' weinen sehen. Er wusch sich dann die Hände und die Augen, und es war fast zum Lachen, wie er zu mir sagte: »Ich wasche meine Hände in Unschuld. O Brigitta, du und deine Mutter, ihr verdient das Elend nicht, und dein Vater verdient's auch nicht. O hätt' mich der Rittmeister nur geschlagen! Ich hätt' ihn anpacken sollen, damit wir vor Gericht kommen. Ich bin zu einfältig und feig gewesen.«

Ich frug den Ronymus, ob er die Redensarten vom Schmaje habe; er stutzte, als ich das sagte und gestand, daß er vom Schmaje, aber auch von anderen gehört habe, wer der Rittmeister sei.

Der Ronymus ging fort, meine Mutter, die nicht wohl war und nicht aus der Stube konnte, hat ihn hinauf gerufen; er ist aber nicht zu ihr gegangen, er ist geradeswegs fort und hat auf einem Schubkarren seine Kiste mit seinen Habseligkeiten fortgeführt; er hat mir keine Hand mehr gegeben und sich nicht mehr umgesehen.

Ein paar Tage drauf, mitten in der Woche, kam der Ohm Donatus. Der Vater war nicht daheim, aber die Mutter sagte, er könne jede Stunde kommen, der Ohm solle doch warten; er willigte ein und ging durch den ganzen Hof. Als er wieder in die Stube kam, sagte er: »Das sieht schlimm aus, da sind ja die Knechte Meister.« Die Mutter ließ das nicht gelten, sie wollte dem Vater nichts von seiner Ehre nehmen lassen. Der Ohm sagte, er sei nicht gekommen, um Unfrieden zu stiften; er wolle lieber wieder gehen, und soviel er wisse, hätten ja die Eltern Gütergemeinschaft.

»Was willst du jetzt damit, mit der Gütergemeinschaft?« fragte die Mutter und bekam einen Blick so traurig, wie gar nicht zu sagen, und der Frost schüttelte sie. Sie frug mich, woher auf einmal Thür und Fenster offen seien und ein so scharfer Luftzug wehe, und es war doch alles zu. Von damals an hat sich's in ihr gesetzt.

Der Ohm wollte gehen, und als er eben die Thür in der Hand hatte, kam der Vater. Er hieß den Bruder willkommen und fragte, was vorgehe, daß er mitten in der Woche daherkomme. Der Ohm sprach heftig gegen die Geschäfte und die Genossenschaft mit dem Rittmeister.

»Hat dir der Schmaje das gesagt?«

»Der auch und andere dazu. Xander, du bist nie der Pfiffigste gewesen –«

»Und weil du mein Bruder bist, nehme ich das gut auf. Just einen Vormund brauche ich nicht.«

Es war nahe dran, daß es argen Streit gab.

Die Mutter – man sah, es strengte sie an – sagte zum Ohm:

»Schwager, es ist recht von dir, daß du gekommen bist. Aber weil jetzt mein Mann da ist, darf ich's sagen; er hat mir anvertraut, daß er willens ist, sich von der Handelsschaft los zu machen. Und jetzt ist alles aus und Friede, und kein Streit unter Brüdern. Jetzt bleib' da, Donatus, und iß mit uns.«

Der Ohm ist dageblieben, und so weit war alles gut.

Die Mutter hatte sich zu arg angestrengt, sie mußte sich niederlegen und ist nicht mehr aufgestanden. Sie hat nach der Bonifacia verlangt, und die war auch bald da. Die Mutter hatte verlangt, daß der Vater den Ronymus wieder in Dienst nehme; der Vater hatte eingewilligt, aber es war schon zu spät, der Ronymus hatte sich schon nach Ulm verdingt als Kutscher.

Der Vater war lind und gut gegen die Mutter, und sie hat ihn getröstet, soviel sie konnte.

Einmal schickte die Mutter den Vater und die Bonifacia aus der Kammer, ich mußte allein bei ihr bleiben.

»Kind,« sagte sie, »ich hab' noch was auf dem Herzen. Du hast damals die goldene Kette von dem da . . . von dem Rittmeister angenommen; aber laß dir nie im Leben mehr was schenken, von keinem Menschen. Und halte deinen Vater in Ehren. Er ist brav und herzgut, die Schelme haben's leicht mit ihm gehabt. Der Jorns hat's gut gemeint, er kann nichts dafür. O unser schöner Hof! Unser Wald! Lieber Gott! Ich bitt' dich nur um eins. Lieber Gott, thu' mir nur in der letzten Minute den Gedanken weg an den Rittmeister, daß ich nicht mit einem Fluch auf ihn sterben muß . . .«

Die Mutter ist sanft gestorben. Wie der Vater und ich geweint haben, das kann ich nicht erzählen.


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