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Neunundzwanzigstes Kapitel.

Wer kann sagen, wie ein Gerücht entsteht? Vielleicht war etwas vom Gesinde auf dem Eichhof erlauscht worden, vielleicht hatte sich eine Vermutung zu einer ausgemachten Thatsache verdichtet.

So zurückhaltend sich auch der Eichhofbauer, Rikele und Magdalena verhielten, es wurde doch ruchbar, was in der Todesstunde der Bäuerin sich ereignet hatte, und es drang auch zu Jakob in das Häuschen am Ueberweg. Er stellte deshalb seine Frau zur Rede und sie erzählte alles getreu, mit dem Hinzufügen, sie habe warten wollen, bis der Bauer in aller Form um Rikele anhalte.

»Ja, ja,« entgegnete Jakob, »was lange Kleider hat, kann viel besser was verstecken und verheimlichen. Jetzt will ich dir was sagen: vergib dir und unserm Kind nichts gegen den hochmütigen Eichhofbauer und . . . wenn etwas daraus wird, dem Baron habe ich alles gesagt, jetzt dem Bauer mußt du alles sagen; du bist dabei gewesen, wie sich die Sache eingefädelt hat, jetzt mach auch den Knopf. Weiter sag' ich kein Wort.«

Und er sagte auch weiter keines, er gab dem Bauer die Hand, der ihm die seine jetzt immer darstreckte, er sprach aber kein übriges Wort mit ihm und nickte nur, wenn der Bauer ihn einlud, ihn auf dem Hofe zu besuchen; er ließ es aber wohlweislich bleiben, der Einladung zu folgen.

Um so mehr war Magdalena auf dem Eichhof, und sie hatte ihre besondere Freude dran, wie der Bauer von Albrecht sprach. Er wollte auch Näheres von Emil wissen und die Mutter mußte gestehen, daß sie dem Erstgeborenen nicht so viel Gutes zutraue; er sei als Kind das bravste gewesen, aber nachher sei er »arg ausgeartet«, er könne aber noch immer gut werden.

Der Missionär hatte nicht nach den Großeltern gefragt und nicht ob die Eltern Geschwister und Verwandte hätten, um so eifriger fragte aber der Bauer. Magdalena erklärte, daß sie und ihr Mann ganz allein stünden in der Welt; der Bauer habe keine Ueberlast von Angehörigen zu befürchten.

»Deswegen frage ich nicht,« entgegnete der Bauer, zum erstenmal ärgerlich, »man will doch von den Verwandten wissen und wie die Eltern vordem gelebt haben.«

Da war's, da stand nun Magdalena vor dem schweren Rätsel. Sie war aber gewandt genug, dem Bauer zu erklären, daß sie und Jakob Dienstboten gewesen und Schweres durchzumachen gehabt hätten; das sei aber vorbei und der Justizrat Heister sei wie ihr Vater, und wenn der käme, werde der Bauer erst recht hören, was seine Schwiegereltern seien. Sie erging sich in Schilderung Heisters und seiner Frau; der Bauer schien zufrieden und sie selber war's auch. Sie hatte nichts Unehrliches gesagt, und wer so gescheit und aufgeklärt denken kann, wie der Bauer damals bei Albrecht gezeigt, der wird, wenn das Vergangene an Tag kommt, schon leicht drüber weg kommen.

»Wie ist's denn, Mutter?« fragte Jakob, »der Bauer ist nicht mehr so gradaus mit mir wie sonst. Hast du ihm alles gesagt?«

»Alles noch nicht, aber die Hauptsache,« beruhigte Magdalena, »und er ist gescheit, man sieht's ihm nicht an, und er ist in Rikele verliebt wie ein junger Bursch und dankbar und ehrerbietig gegen sie wie –«

»Ja, wie denn?«

»Ich weiß nicht mehr! Laß mich in Ruh. Ich hab' genug zu thun, jetzt alles für Lena zu richten.«

Das war wahr und den Sonntag nach dem dritten Aufgebot kam ein Telegramm, daß Lena sofort nach England abreisen solle, denn der Missionär müsse alsbald auf seinen Posten.

Auf demselben Zuge, auf dem Süß und seine Frau abreisten, stieg auch Lena ein. Der Pfarrer und die Pfarrerin gaben ihr eine Strecke Weges das Geleite, die Eltern blieben zurück und der Pfarrer hielt auf dem Bahnhofe eine Art Trauungsrede und wendete sich besonders tröstend an die Eltern. Noch nie wurde auf dem Bahnhofe heftiger geweint, als an diesem Tage von Magdalena, und auch Jakob sagte schluchzend: »Man spürt's erst, wenn ein Kind so davon geht, was das heißen will, und in der Stunde der Trauung sind wir nicht einmal bei ihm.«

Wenige Tage drauf kam ein Telegramm, daß Lena und der Missionär getraut worden und sich nach Ostindien eingeschifft hätten.


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