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Fünfunddreißigstes Kapitel.

Lisbeth, der Nestling, stand unter der Thür und rief:

»Willkommen, Albrecht.«

Dieser freute sich ihres stattlichen Aussehens, und es war wohl gemeint aber ungeschickt, daß Lisbeth erwiderte:

»Ja, aber du siehst gottserbärmlich aus.«

Die Mutter sah sie strafend an und fragte:

»Hast du Feuer?«

Auf die Bejahung wendete sie sich nur noch zu Albrecht und sagte:

»Da leg dich aufs Kanapee, das du geschickt hast. Ich muß den Vater immer zwingen, daß er sich drauf setzt oder gar legt. Oder willst du da im Lehnstuhl ausruhen? Schlaf jetzt ein bißle.«

Albrecht setzte sich in den Sessel. und draußen am Herde standen Vater und Mutter.

»Wirst schon sehen,« tröstete die Mutter den traurig Dreinschauenden, »er wird bald wieder frischauf. Was hast? Ist dir nicht gut?«

»Hast du gesehen,« entgegnete Jakob, »wie er mich so barmherzig angeschaut hat? O Mutter, der ist nicht krank, der hat nur alles erfahren, und das drückt ihm das Herz ab. An unsrem getreuesten Kind geht mein Elend aus.«

»Aber Mann! Was machst du wieder? Aber gut! Versprichst du mir, nie mehr einen solchen Gedanken in dir aufkommen zu lassen, wenn ich dir beweise, wie unrecht du hast, und wenn ich dir's sage, was ist?«

»Ja, das versprech' ich, heilig, wie ich da die Hand ins Feuer halte.«

»So sag' ich dir: der Albrecht ist verliebt.«

»Doch nicht in eine verheiratete Frau?«

»Mann! Was hast du wieder? Aber still! Er schläft,« sagte sie, durch das Schiebfensterchen nach der Stube schauend. Sie winkte Jakob Stille zu, und dieser fragte leise:

»Wie heißt sie denn und was ist sie?«

»Ich weiß weiter nichts; aber wie er auf dem Herweg geschlafen hat, hat er so etwas gemurmelt, und da ist sein Gesicht so heiter geworden. Geh jetzt hinaus und sag der Lisbeth im Garten, sie soll nicht singen.«

Im Hause war's so still, als ob niemand drin wohne; die Fichtenscheite im Feuer knackten nicht, denn sie waren wohl ausgetrocknet, und draußen harkte Lisbeth still das Gartenland auf.

Den Menschen kann man befehlen, daß sie still seien; aber horch, da gackert eine Henne! Ja so sind sie, die machen immer viel Rühmens davon, wenn sie ein Ei legen, zankte Magdalena lautlos und »Guten Morgen, Albrecht,« rief sie durch das Schiebefensterchen, da Albrecht sich aufrichtete. »Wart, ich bring' dir was.«

Behend eilte sie hinters Haus und kam dann wieder in die Stube:

»Schau, das ist von unsrer neuen goldgelben Henne, sie stammt von der alten ab, die du vom Habicht gerettet; die hat dir ein frisches Ei gelegt; das ist ihr Willkomm. So ein frischgelegtes Ei ist ein wahres Heiltum, das sied' ich dir gleich und du hast dann Vorspann, bis das rechte Mittagessen kommt.«

Neubelebt sah Albrecht der Mutter ins Angesicht und ihr noch nach, als sie schnell wieder wegging.

Das Wasser schien auf ihr Geheiß schneller zu sieden, nach wenigen Minuten war sie wieder da und sah still zu, wie der Sohn aß; denn so gern sie auch spricht, sie weiß doch, es ist nicht gut, wenn man einen zum Reden bringt, während er ißt.

»Mutter, ich meine, es wäre mir schon ganz anders.«

»Ich glaub's, halt dich nur ruhig und iß alle Stund' was. Ich will dir's schon herrichten. Ich versteh' das. Der Bruder von der Frau Justizrätin, das war ein großer Doktor, von dem hab' ich's; ein Krankes, hat er gesagt, muß nie viel, aber oft essen.«

Jakob, der in der Stube reden hörte, kam auch herein, und behutsam sagte er:

»Wenn's dich nicht anstrengt, könntest du doch sagen, woher du das Leiden hast?«

»Ich will's ein andermal näher berichten. Ich hab' einen Kameraden gerettet, der ins Schwungrad gekommen war, und dabei einen Stoß bekommen.«

»Genug für heute,« fiel Magdalena dem schwer Redenden ins Wort. »Und ich sag', du wirst bald wieder gesund. Darfst du Wein trinken?«

»Jawohl, in meinem Koffer ist.«

»Gib mir den Schlüssel, ich will ihn aufmachen.«

»Nein, Mutter, das muß ich selber.«

Er errötete, und Magdalena schaute Jakob bedeutsam an, dieser aber verstand sie nicht, bis sie, als sie allein waren, sagte:

»Da hast du's, er hat was von seiner Herzallerliebsten im Koffer.«

»Von einer Prinzessin?«

»Wenn's auch keine Prinzessin ist, rechtschaffen ist sie gewiß; unser Albrecht verunschickt sich nicht.«


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