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Elftes Kapitel.

Es hat sich erwiesen, daß der Rittmeister in der That seines Ranges verlustig war; ich muß aber doch dabeibleiben, ihn so zu nennen. Er ist nach jenem Ritt mit dem Vater nicht mehr auf unsern Hof gekommen, es scheint, er hat die Geschichte mit dem Ronymus als gute Gelegenheit genommen, um mit dem Vater Streit anzufangen; es war ja nichts mehr von uns zu holen. Wie und warum nachher der große Rechtsstreit daraus entstanden, das weiß ich nicht und bin nie darüber klar geworden. Ich habe natürlich dem Vater geglaubt, daß er den Prozeß gewinne; daran war gar kein Zweifel. Der Vater fluchte beständig auf den Rittmeister und hatte doch nichts mehr mit ihm zu thun, denn der Rittmeister hatte seinen Rechtshandel an einen Fremden verkauft und war mit seiner Frau nach Paris oder nach Italien gereist.

Ich hatte nur immer den Vater zu beruhigen, er verstand jetzt gar nicht mehr, warum er sich in all das eingelassen; er hatte doch Vermögen genug und nur ein einziges Kind. Er hoffte indes beständig, daß alles wieder gut werde, freilich, die Mutter war nicht mehr aufzuerwecken.

Eines Tages kam der Schmaje und sagte dem Vater, ein Prozeß könne doch ebenso gut gewonnen als verloren werden; wenn er verloren werde, dann stehe die Gant vor der Thür. Jetzt sei der Vater noch Meister über alles, und darum wolle er mit ihm einen Scheinkauf machen und alle unsere bewegliche Habe kaufen, das Weißzeug und die Betten im Haus und das Vieh im Stall; der Kaufpreis solle stehen bleiben, und wenn der Prozeß gewonnen werde, solle alles nichts gelten. Man wäre doch ein Narr, wenn man den Gläubigern die Sache überließe.

»Du bist betrogen worden, warum willst du der Einfältige sein?« schloß der Schmaje. Der Vater sagte:

»Das wäre lustig.«

»Das just nicht, und du sollst mir dafür geben, was du willst; ich thu's deinem Kinde zulieb und deiner Frau zulieb.«

»Jetzt ist's genug,« sagte der Vater, ging an die Thür und machte sie weit auf. »Mach, daß du hinaus kommst.«

»Ich geh' nicht,« sagte der Schmaje, ich laß mich von dir nicht hinauswerfen, dein Vater vom Himmel herunter leidet das nicht; dein Vater war ein braver Mann, dein Bruder Donatus ist ein braver Mann, freilich arg hartherzig, aber doch brav . . .«

»Und darum soll ich schlecht werden? Nein, nein. Wenn ich mein Vermögen wieder bekomme, traue ich keinem Menschen mehr, dir auch nicht, Schmaje . . .«

»Meinetwegen trau' mir dann nicht, trau' mir aber jetzt. Da steht dein Kind, dein einzig Kind, willst du es dahin kommen lassen, daß – Gott behüte – dein einzig Kind vor fremder Leute Thüren steht und – und ich weiß nicht was, ich will's nicht sagen. Kind, du bist doch auch schon bei Verstand, hilf mir und hilf deinem Vater.«

»Lieber Hunger sterben als betrügen,« hab' ich da gesagt, ich weiß nicht, woher ich das habe, aber ich hab's gesagt.

Der Schmaje ging fort und ließ die Thüre sperrangelweit offen, der Vater schloß sie. Als wir allein waren, saß der Vater lange stumm da und legte die Faust auf den Tisch, endlich sagte er:

»Der Teufel hat allerlei Boten, aber unser Herrgott auch, er schickt mir den, um mir zu sagen, du bleibst ehrlich und gewinnst deinen Prozeß.«

Es ist aber doch anders gekommen, der Prozeß wurde verloren. Unser Hof wurde bei Gericht versteigert, der Staat hat ihn gekauft, und es hieß, er wird zu Wald gemacht.

Die Gant stand vor der Thür und kam herein.

Männer vom Gericht, ganz fremde Menschen kamen auf unsern Hof und thaten, wie wenn sie da zu Hause wären und nicht wir. Vom Speicher bis in den Keller und Stall haben sie alles aufgeschrieben und an die Schränke Schlösser gelegt und große Siegel. Wir durften in die meisten Stuben gar nicht mehr hinein.

Einer von den Gantmännern sagte in der Wohnstube zum Vater: »Euren Soldatenabschied kann man Euch nicht nehmen, den behaltet Ihr,« und als sie meinen Schrank aufmachten, sagten sie: »Was dein eigen ist, gehört dir. Den Anhenker da steck' in die Tasche.« Er gab mir die goldene Kette mit meinem Namen, und ich meinte, sie brennt mir in der Hand, aber ich steckte sie doch ein.

Und wieder eines Tages waren Männer und Frauen aus der ganzen Umgegend und auch von weiterher da, auch der Schmaje war da, er kaufte fünf von unsern Rossen und sah den Vater nicht an. In der Stube stellte sich dann ein Mann hinter den Tisch, vor ihm brannte ein Licht, alles wurde hereingeschleppt, Betten und Weißzeug, und was nur niet- und nagellos ist, ward versteigert, und beim Zuschlag ward mit einem Hammer auf den Tisch geschlagen.

Die Bonifacia war heraufgekommen und wollte mich mit fortnehmen, ich ging aber nicht vom Vater weg, ich saß bei ihm auf der Ofenbank, und wir sahen allem zu. Ich fuhr mir oft mit der Hand über die Augen – es mußte doch alles nur ein Traum sein. Aber es ist wahr. Die fremden Menschen sind da, unsere Sachen gehören ihnen, sie schleppen sie mit fort und lachen dabei. Wie die Bilder mit dem Andenken an meine verstorbenen Geschwister abgehängt wurden und der Ausrufer sagte, die Bilder seien nichts wert, aber die Rahmen, da habe ich laut aufschreien müssen. Es hat niemand darauf geboten als die Bonifacia, der Ausrufer gab sie ihr, und sie sagte, daß sie mir sie aufbewahre.

Jetzt wurde der Soldatenabschied des Vaters von der Wand abgenommen, der Ausrufer nahm das Papier heraus und sagte: »Xander, die Schrift gehört Euch, aber der Rahmen gehört der Masse.« Da stand der Vater auf, nahm das Schriftliche in die Hand, hielt es übers Licht, zündete es an und sagte: »Da steht sein Name. So sollte man den Rittmeister verbrennen.« Dann ging der Vater hinaus. Ich folgte ihm, er fuhr sich mit der einen Hand immer um den Hals herum, und wie ich ihn an der andern faßte, sagte er: »Ist gut, ist recht. wir bleiben bei einander.«

Wir gingen nicht mehr ins Haus hinein, bis alle Leute fort waren; die Bonifacia kam und bat uns, mit ihr zu gehen, der Vater aber sagte, er gehe zu seinem Bruder, um als Knecht bei ihm zu dienen, es sei doch sein Bruder und dort sein Elternhaus; freilich hätte der Donatus kommen müssen, ihn abzuholen, aber er dürfe nicht mehr stolz sein.

Die Bonifacia mußte heim zu ihrem Mann, ich war mit meinem Vater allein in unserm ausgeraubten Hause; daheim in der Fremde.


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