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Neunzehntes Kapitel.

Ich ging zum Doktor und berichtete ihm, daß mein bester Freund aus der Heimat da sei und Heilung bei ihm suche. Der Doktor erklärte sich sofort bereit und sagte:

»Ich traue dir den Mut und die Ruhe zu, bei Operationen zu helfen. Willst du dabei sein?«

Ich sagte Ja und holte den Weger herbei. Der Doktor untersuchte ihn, der Weger hat nicht gemuckst, und ich habe zum erstenmal hinter ein Aug' gesehen. Der Doktor sagte, die Operation sei nicht leicht, aber er habe Hoffnung; der Weger solle sich bis morgen ausruhen, dann werde er ihn vornehmen, Punkt elf Uhr.

Wir fehlten natürlich keine Sekunde. Ein junger Doktor war auch da als Assistent. Von den Vorbereitungen will ich nichts erzählen, der Weger war geduldig und fügsam, und die Bonifacia kniete in einer Ecke auf dem Boden und betete. Ich bekam Anweisungen, wie ich das und das reichen sollte. Der Weger sagte, es sei nicht nötig, daß man ihn an den Stuhl binde, er werde von selber still halten; aber er ließ es auch ruhig geschehen, daß man ihn doch band.

Der Doktor war ganz ruhig, dem Assistenten sah ich's aber an, daß es schlimm steht.

Der Doktor schnitt, dann mußte ich ihm schnell ein anderes Instrument reichen, und jetzt rief er:

»Ich hab' den Splitter!« Der Weger wollte aufspringen, er schrie: »Ich sehe!« Wir hielten ihn aber, er mußte das Auge schließen, und ich half den Verband anlegen. Wie strahlte jetzt das Gesicht des Doktors! Ich mußte die Bonifacia aus dem Zimmer führen, denn sie weinte so laut. Ich kam wieder ins Zimmer, und der Doktor reichte mir in einem Papier den kleinen Steinsplitter und sagte dabei:

»Bewahre das zum Andenken an deine erste Hilfe bei Operationen. Ich hoffe, du bleibst dabei, du hast eine feste sichere Hand.«

Ich habe an mich halten müssen, daß ich nicht aufjauchzte, ich, ich darf helfen – Kranke heilen.

Die Bonifacia bat mich, daß ich ihr den Splitter schenke, der Ronymus müsse ihn in Gold fassen lassen zu einem Anhenker. Ich gab ihr den Splitter, und ich glaubte, der Doktor wird das recht finden.

Im Haus und im Hof war eine einzige große Freude bei allen Leidenden über die so wunderbare Heilung des Weger. Die Bonifacia erzählte es jedem, der es hören wollte.

Der Weger blieb noch drei Tage bei uns. Der Doktor lehrte mich Verband anlegen und abnehmen, und als er sagte, ich mache es recht – wenn unser Herrgott vom Himmel herabgekommen wäre und mich gelobt hätte, ich hätte nicht glückseliger sein können.

Der Weger und die Bonifacia mußten dem Doktor erzählt haben, wo ich her sei, denn er sagte mir: »Habe mir's denken können, daß du aus einem rechten Hause und von rechtschaffenen Eltern abstammst.«

O lieber Gott! Was kann's jetzt noch mehr auf der Welt geben?

Der Abschied von dem Weger und der Bonifacia ist mir nahe gegangen, hat mir aber doch auch wohlgethan. Es gibt nichts Besseres auf der Welt, als Menschen nachzuschauen, denen man Gutes hat erweisen können. Da gehen sie hin und tragen gutes Gedenken an dich mit fort.

Ich habe auch bald fort müssen.

Nach der Heilung des Weger war ich bei jeder Operation und hielt alles gut bereit.

Eines Tages kam aus Zürich ein Schüler des Doktors, half bei Operationen und machte selber auch solche zur Zufriedenheit seines Meisters, der ihn gar lieb hatte.

Da sagte der Doktor einmal in meinem Beisein:

»Lieber Kollega! Die Brigitta ist ein guter Assistent, ihre Handreichungen sind auf die Linie hin zu berechnen. Sie sollten sie in Ihre Anstalt nehmen.«

Der Züricher Professor fragte, ob ich zu ihm wolle; ich nahm es an, aber erst zum Herbst, wenn wir keine Gäste mehr hatten. Und so bin ich im Herbst fort von Heiden und zu dem Professor nach Zürich.


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